Predigt zum 9. Sonntag n. Trinitatis - 28.7.2002 Textlesung: 1. Petr. 4, 7-11 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand predigt, daß er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, daß er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! Wenn ich sie jetzt fragte, was denn die wichtigere Arbeit ist: Das Evangelium von Jesus Christus zu predigen oder etwa in einem Krankenhaus oder Altenheim Menschen zu pflegen? Wie würden sie antworten? - - - Zugegeben: Ein wenig "gemein" ist diese Frage schon. Das "Evangelium von Jesus Christus"... Was könnte denn da heranreichen? Wollen wir das "Betten machen" in der Klinik dem Verkündigen der besten Botschaft dieser Welt gleichstellen? Was also würden sie sagen? Ganz gewiß dies: Die Pre- digt von Jesus Christus ist die vornehmste Aufgabe! Dem ist keine andere gleich, wenn sie auch wichtig ist und genau so getan werden muß... Es wird sie vielleicht erstaunen, wenn ich jetzt widerspreche. Meine Antwort wäre: Alle diese Arbei- ten, das Predigen wie das Pflegen oder das Helfen - vorausgesetzt, daß sie den Mitmenschen dienen - sind gleich wichtig und gleich viel wert. Und hinter dieser Antwort stehen gleich drei Gründe: Einmal entspricht alles, was wir tun, ja "nur" den Gaben, die Gott uns mitgegeben hat. Und ich glau- be nicht, daß mich Gott mehr ehren möchte damit, daß ich predigen soll, als er etwa die Kranken- schwester ehren wollte, wenn er ihr die Gabe geschenkt hat, sich Kranken und Leidenden liebevoll und fürsorglich zuzuwenden. Dann: All unsere Arbeit geschieht doch auch aus der Kraft, die Gott uns schenkt! Es ist also nicht das eigene Vermögen, das hinter unserem Wirken und Dienen steht, es ist nicht unser Können, nicht unsere Ausdauer und nicht unsere Geduld. Alles haben wir von Gott. Wenn er seine Hand von uns abzöge, dann könnten wir nichts, nicht mehr helfen und dienen, gar nichts mehr schaffen und errei- chen. Und schließlich ist hier das dritte: Wenn die Aufgabe, die wir haben, wirklich Dienst an den Men- schen ist, dann ist auch immer das andere erfüllt: Was wir tun wird Gott dienen, denn durch allen Dienst kann erreicht werden, was wir im Petrusbrief lesen: Daß nämlich "in allen Dingen Gott ge- priesen werde durch Jesus Christus." - Wie sie heute hoffentlich von diesem Gottesdienst Freude über Gott und Dankbarkeit für ihren Glauben an Jesus Christus mit nach Hause nehmen, so kann das auch geschehen, wenn ein Mensch etwa von einem Krankenhausaufenthalt die Erfahrung mitnimmt, es gibt Menschen, die sich für andere einsetzen, ganz für sie da sind, sich mit all ihren Kräften bemü- hen und denen man vertrauen kann... Nun sind wir nicht alle in der Krankenpflege tätig. Darum wollen wir auch an die Aufgaben etwa als Vater und Mutter, als Freund und Freundin, als Kollegin und Kollege, als Nachbar und Nachbarin denken. Ich persönlich gehe allerdings noch viel weiter: Alle Arbeit, die nicht nur mir selbst, sondern anderen Menschen dient, hat die Verheißung, daß wir sie so tun können, daß auch Gott darüber ge- priesen werden kann. Gewiß hat der Arbeiter am Fließband nicht die selben Möglichkeiten, Men- schen zu dienen, wie sie der Altenpfleger hat, aber er begegnet in seinem Betrieb auch den Kollegen und seinen Vorgesetzten und er kann sich dort als freundlicher Mitmensch zeigen, als einer, der Inte- resse an den anderen hat, einer, der auch zuhören kann, der sich für gerechte Verhältnisse am Ar- beitsplatz einsetzt, der verläßlich ist und sich müht. Im Laufe der Zeit werden die Kollegen oder der Chef schon auch erkennen, daß hinter solchem Verhalten der Glaube an Jesus Christus steht - da muß einer nicht einmal beim Frühstück oder der Mittagspause in der Kantine mit Bibelsprüchen um sich werfen. Aber gefragt wird irgendwann schon: "Warum machst du das? Wieso suchst du nicht deinen Vorteil? Warum gibst du nicht in gleicher Münze zurück, wenn dich einer angreift und pro- voziert?" Und dann ist es Zeit, auch einmal so zu antworten: "Weil ich Christ bin!" - Und dann wird manch anderer vielleicht doch - wenigstens in seinem Herzen - auch Gott darüber preisen, daß es solche Menschen gibt. Jetzt werden wir uns schon fragen, warum wir eigentlich alles das tun sollen, warum einander dienen und zueinander gütig und freundlich sein? Petrus nennt hier einen Grund, der fast ein wenig nach Drohung aussieht: "Es ist aber nahe gekom- men das Ende aller Dinge." Aha, könnten wir sagen, weil die Uhr bald abgelaufen, die Weltzeit in Kürze zu Ende ist, darum sollen wir uns um Dienst und Liebe mühen, daß wir im Gericht gut daste- hen und das Ewige Leben davontragen. - Ja, so könnten wir sagen, aber ich glaube, so hat es Petrus nicht gemeint und so wird es uns auch nicht wirklich zu allem Guten anspornen können. Petrus hat einfach nur gemeint, was er damals erwarten mußte: Es dauert nicht mehr lang bis Jesus Christus wiederkommt und wir in Gottes neue Welt hinübergehen. Das ist nicht bedrohlich zu ver- stehen, damals nicht und heute schon gar nicht. Allenfalls soll es uns daran erinnern, daß wir nicht unbegrenzt Lebenszeit zur Verfügung haben. Darum sollen wir uns daranmachen, daß wir unsere Aufgabe erfüllen, unsere Arbeit an den Menschen tun, solange wir das können. So verstehe ich auch das, was wir weiter bei Petrus lesen: So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Ja, Besonnen- heit tut Not, daß wir uns immer wieder daran erinnern (lassen), daß wir nur wirken können, solange es Tag ist, daß wir also nicht immer wieder aufschieben, vertagen, uns und andere vertrösten: "Spä- ter vielleicht..." Und wenn wir auch das andere beherzigen, nämlich zu beten, Gott unsere Bitten und unseren Dank vorzutragen, dann wird uns das ganz gewiß auch nur förderlich sein! Außerdem wird es uns die Kraft immer wieder erneuern und vervielfachen, die wir für unseren Dienst an den Men- schen haben. Viel besser gefällt mir schon ein Grund für unsere Arbeit für die Sache Gottes, von dem wir hier le- sen können: Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haus- halter der mancherlei Gnade Gottes. Ist das nicht einfach angemessen, daß wir unsere guten Gaben, Fähigkeiten und Talente auch in den Dienst der anderen Menschen stellen? Und wenn hier von "Haushaltern" gesprochen wird, dann trifft dieses Bild auch sehr gut die Sache: Es ist eben wie in ei- nem Haushalt... Was an Geld und Gütern hineinfließt, das ist für alle da! Welcher Vater würde sa- gen: Da ich das Einkommen verdient habe, verbrauche ich auch alles nur für mich? Oder welche Mutter würde nicht gerecht (und angemessen) unter den Kindern aufteilen, was auf den Tisch kommt oder an Taschengeld für jeden in der Haushaltskasse drin ist? Sind unsere anderen menschli- chen Gemeinschaften - auch besonders unsere Christengemeinde - nicht auch so etwas wie eine Fa- milie? Haben wir nicht auch sozusagen einen "Haushalt", in den wir alle unsere besonderen Gaben hineingeben? Sollten wir beim Verteilen dann nicht auch wie Mütter und Väter zusehen, daß alle ge- nug Liebe, genug Hilfe und Dienst der anderen erhalten? Am besten allerdings scheint mir ein Grund für das Dienen im Sinne Jesu Christi, von dem hier nichts ausdrücklich geschrieben steht, von dem wir höchstens zwischen den Zeilen lesen können: Aber macht das nicht auch eine unbändige Freude? Ist das nicht wirklich wunderbar, wenn andere Menschen durch mich Beistand erfahren, getröstet werden, wieder lachen können, wo sie geweint haben? Mit was soll man das Glück vergleichen, das wir empfinden dürfen, wenn durch uns ein an- deren Mensch froh und fröhlich wird, wenn er durch unsere Begleitung in Trauer und Leid doch wieder eigene Schritte gehen kann oder durch unsere fürsorgliche Pflege wieder gesund werden darf? Ist das mit Geld und Gütern zu bezahlen? Kann das durch "weltlichen Lohn" aufgewogen wer- den? Liegt hier nicht vielmehr der Dank für alles, was wir für andere tun, nicht schon in sich selbst - einfach weil es so viel Freude schenkt? Und wenn dann sogar noch der Mensch, dem wir dienen, ein Wort sagt, das unser Herz anrührt, wenn wir in seinen Augen den Glanz sehen oder in der Geste seiner Hand diese tiefe Dankbarkeit spüren... Muß uns dann noch einer ausdrücklich sagen: Dient einander? - Wir werden es tun und immer wieder tun! Und es wird auch durch uns geschehen, was Sinn und Ziel allen Dienens sein soll: ...daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Und durch unseren Dienst werden auch andere in das Lob Gottes einstimmen können: Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.