Predigt zum 5. Sonntag n. Trinitatis - 30.6.2002 Textlesung: 2. Thess. 3, 1 - 5 Betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch und daß wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding. Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, daß ihr tut und tun werdet, was wir gebieten. Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi. Liebe Gemeinde! Heute ließe sich einmal sehr schön schimpfen! Mit diesen Worten: ...daß wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen... Wir könnten gemeinsam darüber nachdenken, wer das ist. Wir könn- ten einander erzählen, was uns schon alles angetan wurde, welche Bosheiten und Schandtaten wir schon erlebt haben; wir könnten klagen über die Welt, die Nachbarn, ja selbst über Verwandte und Freunde, die sich ganz anders entpuppt haben, als wir zuerst dachten. Wir könnten... Aber was soll es nützen? Was würden wir erreichen? Sie sind ja jetzt nicht hier, die Menschen, die uns Böses getan oder uns mit ihrer Falschheit gekränkt haben. Wir würden uns dann ja so verhalten, wie es den Pfarrern - manchmal vielleicht auch mit Grund - nachgesagt wird, wenn sie strenge, zurechtweisende Predigten halten: "Er schlägt den Sack und meint den Esel!" Oder die Leute meinen: "Heute hat der Pfarrer aber für die ge- predigt, die zu Hause geblieben sind!" Nein, das wollen wir nicht tun. Bleiben wir bei uns und bei dem, was wir aus diesen Worten des Paulus mitnehmen können: "Betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch und daß wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jeder- manns Ding." Und von diesem letzten Gedanken, können wir wahrhaftig etwas mitnehmen! Ja, ich bin geradezu daran hängen geblieben - schon beim ersten Lesen. Wieso ist der Glaube nicht jedermanns Ding? Haben wir denn nicht immer gedacht, zum Glauben könn- te jeder Mensch finden? Vielleicht haben wir diesem Gedanken hinzugefügt: "...wenn er es nur will!" Vielleicht haben wir uns das ja dann so vorgestellt, daß einer sich halt täglich neu mühen muß, daß er den Glauben findet. Vielleicht muß er viel in der Bibel lesen, daß ihm das Glaubenslicht aufgeht? Oder täglich beten - allerdings dann ja zu einem Gott, an den er (noch) gar nicht glauben kann! Vielleicht muß er sich aber auch an andere Leute halten, die schon Glauben haben - im Gottesdienst oder im Bi- belkreis... Aber nun hören wir: Nichts da! So ist es nicht! Der Glaube ist nicht jedermanns Ding! Es gibt Menschen, die werden nie gläubig werden. Das ist vergebliche Liebesmüh, ihnen den Glauben eintrich- tern zu wollen wie den Satz des Pythagoras oder durch Übung zu vermitteln, wie eine Riesenwelle oder einen Salto mit Schraube vom Zehnmeterbrett. Nein, noch einmal: "Der Glaube ist nicht jedermanns Ding!" Aber bevor wir jetzt da hinein verfallen, Gott dafür anzuklagen, daß er den Glauben nicht jedem schenkt, selbst dem nicht, der sich doch anstrengt, lassen wir uns auf zwei Gedanken dazu ein: Einmal wäre es ja wohl das Ende des Glaubens als Geschenk, wenn wir ihn bekämen, wenn wir uns nur genug abmühen! (Und der Glaube ist ein für allemal Gottes freie Gabe, die er gibt oder zurückbehält, wie er das will!) Zum andern aber hören wir doch auf diese Worte, die ja noch vor dem stehen, das uns jetzt so zu schaffen macht: "Betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde..." Denn hier ist nun doch eine Möglichkeit, auch denen zum Glauben zu helfen, die ihn noch nicht haben und selbst de- nen vielleicht, deren "Ding der Glaube nicht ist"! Sagen wir's doch ganz einfach: Das Gebet ist die Macht, die Gott vielleicht dahin bringen kann, unserem Ehemann, unserer Frau, unserem Vater, unserer Tochter und den anderen, denen wir den Glauben wün- schen, diesen Glauben auch zu schenken! Wir wissen ja ohnedies, daß Gott möchte, daß wir füreinander beten. Und wir wissen - und jetzt wird's persönlich! - daß wir's nicht tun, jedenfalls nicht in dem Maß, wie wir's tun sollten. Wann sind wir denn zuletzt zu Gott gekommen und haben ihn gebeten, er möge unserem Ehegatten den Glauben schenken? Oder wann haben wir ihm betend unser Kind anvertraut, daß er sich seiner und seiner Seele annimmt? Oder all die anderen, von denen wir denken oder gar wis- sen, daß sie nicht gläubig sind, wann haben wir Gott unsere Fürbitte für diese Menschen vorgetragen? Nein, wir können mit unserem Beten nicht erzwingen, daß Gott ihnen Glauben schenkt, aber wir können dazu helfen: Gott aufmerksam machen auf sie, Gott bitten wie ein Kind den Vater für ein anderes bittet, daß er ihm auch die Gabe schenkt, die er uns geschenkt hat... Und da sind wir wieder bei uns und dieser anderen Sache: Wir haben nämlich - wenn wir glauben kön- nen - eine Schuld zu begleichen! Denn es ist ja nicht so, daß wir nun besonders gut, christlich oder ver- dienstvoll gewesen wären, daß Gott uns den Glauben ins Herz gegeben hat. Nicht die Mühe macht es, das wissen wir ja jetzt! Aber was ist es gewesen? Vielleicht schon das Gebet der Mutter in unserer Kindheit: "Lieber Gott, führe auch mein Kind zu dir, wie du mich einmal zu dir gezogen hast." Oder das Gebet unserer Gemeinde bei unserer Konfirmation: "Herr, Jesus Christus, wir befehlen dir unsere Konfirmanden an, die wir heute eingesegnet haben, beglei- te sie, behüte sie und schenke ihnen das feste Vertrauen auf dich, auch wenn ihr Leben einmal schwer wird und der Weg dunkel und steil..." Oder es war das Gebet irgendeines Menschen aus unserer Ge- meinde, von dem wir das nicht wissen und auch nicht geglaubt hätten. Aber er war es, der unsere Sache vor Gott gebracht und es damit erreicht hat, daß auch wir von Gott den Glauben geschenkt bekommen haben. In jedem Fall aber verdanken wir das nicht uns selbst, wenn wir gläubig sind. Darum wollen wir an anderen mit unserem Gebet gut machen, was zuvor andere Menschen an und für uns getan haben. Aber noch ein Gedanke bewegt mich, wenn ich das höre: "Der Glaube ist nicht jedermanns Ding." Was haben wir's doch gut, wenn wir in diesem Verhältnis zu Gott stehen dürfen, das ihn Vater nennt, das von ihm alles erwartet, ihm vertrauen kann, daß er nichts Böses für uns will, sondern immer das Gute, Wah- re und Nützliche. Wie unendlich gut und wesentlich ist doch auch das: Zu wissen, mein Leib und Leben ist bei Gott geborgen für alle Zeit und in Ewigkeit! Wie herrlich, bei aller Schuld, die wir doch tagtäg- lich auf uns laden, auf das Kreuz Christi sehen zu können und dann Vergebung zu empfangen und wie- der aufrecht und befreit an unsere Arbeit gehen zu dürfen... Wie gut ist es doch, mit den Worten des Paulus sagen zu können, daß der Glaube unser Ding ist! Es könnte auch ganz anders sein. Wer weiß, warum es so ist, wie es ist? Verdient haben wir es nicht. Unse- re Mühe hat es nicht fertiggebracht, wohl aber das Gebet und Gottes Güte. Bedanken wir uns bei Gott und unseren Mitmenschen, indem wir tun, was uns hier empfohlen wird: "Betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde!" Überhaupt ist es ja das wichtigste Zeichen einer Gemeinde, wenn ihre Glieder füreinander beten. Dazu noch eine wahre Geschichte: Was eine Gemeinde ist! Etwa hundert Kinder hatten sich in einem abgelegenen Dorf Norwegens in einer Kirche versammelt. Einige von ihnen waren 40 km dafür gelaufen und hatten noch nie eine Kirche gesehen. Nachdem der Bischof eingezogen war, suchte er das Gespräch mit den Kindern. Seine erste, sehr einfache Frage, um das Eis zu schmelzen, war: "Wie heißt dieses Haus, in dem wir jetzt sind? Alle riefen: "Kirche." - "Wozu brauchen wir denn solche Häuser, die wir Kirche nennen?" Mehrere Finger gin- gen hoch. Ein Lappenjunge: "Zum Beten!" Der Bischof freute sich, fragte dann aber allzu schwer: "Aber wenn du nun 'Beten' sagst, dann muß es doch etwas geben, für was wir hier in der Kirche be- ten sollen?" Der Junge zögerte keinen Augenblick mit seiner Antwort: "Wir sollen füreinander beten, daß wir Glauben in unseren Herzen haben." Noch nie hatte der Bischof eine solche Antwort bekommen. Auch die anderen Erwachsenen - später gefragt - wußten nicht, woher er das hatte. In Büchern stand diese Weisheit des Zwölfährigen auch nicht. Aber der Bischof trug diese Antwort weiter, wohin er auch kam. Er sagte: "Von einem Jungen lernte ich, was eine Gemeinde ist! Eine Gemeinde sind die, welche einander durch ihr Gebet helfen, den Glauben in ihren Herzen zu finden." Gott schenke uns, daß auch wir solch eine Gemeinde sind und mehr und mehr werden.