Predigt zum Pfingstsonntag - 9.6.2019 Textlesung: 4. Mose 11, 11 - 25 Und Mose sprach zu dem HERRN: Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst? Hab ich denn all das Volk empfangen oder geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, wie eine Amme ein Kind trägt, in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast? Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer. Willst du aber doch so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn anders ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen muss. Und der HERR sprach zu Mose: Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten Israels, von denen du weißt, dass sie Älteste im Volk und seine Amtleute sind, und bringe sie vor die Stiftshütte und stelle sie dort vor dich, so will ich herniederkommen und dort mit dir reden und von deinem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen, damit sie mit dir die Last des Volks tragen und du nicht allein tragen musst. Und Mose ging heraus und sagte dem Volk die Worte des HERRN und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks und stellte sie rings um die Stiftshütte. Da kam der HERR hernieder in der Wolke und redete mit ihm und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf. Liebe Gemeinde! Ist das eine Pfingstgeschichte? Würde sie nicht viel besser in die Passionszeit passen? „Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst?“ Außerdem erwarten wir doch am Pfingsttag Worte, die mit der Gemeinde zu tun haben und nicht nur mit einem Einzelnen, seinem Leid und Unglück! Und dann wollen wir in unserer heutigen Situation angesprochen werden und nicht nur über eine Zeit von vor 3 ½ Tausend Jahren hören. Und schließlich und nicht zuletzt wünschen wir uns zu einem frohen Fest auch fröhliche Gedanken! - Ob wir all das doch in dieser alten Geschichte finden können? Dass Mose sich bei Gott beklagt, können wir sicher gut verstehen. Bei ihm haben sich während der Zeit der Wüstenwanderung des Volkes Israel immer alle beschwert. Bei ihm sind sie ihre Sorgen, ihre Nöte und oft auch ihr völlig unbegründetes Gejammer losgeworden. Nun reicht es Mose. Er kann und will nicht länger tragen, was sie ihm immer wieder und immer mehr aufladen. Ich denke, an dieser Stelle wird es schon einmal persönlich und es spricht uns heute an. Vielen von uns geht es doch auch immer wieder so: Den Müttern und seltener auch den Vätern in der Familie. Das ist ja ganz schön, wenn die Kinder, auch wenn sie lange erwachsen sind, unseren Rat und unsere Hilfe suchen. Und die Enkel nehmen wir ja auch recht gern für ein paar Stunden in der Woche. Aber manchmal werden wir dann für etwas verantwortlich gemacht, was nun wirklich nicht mehr unsere Sache ist! Und hin und wieder können auch die Enkelkinder, so lieb wir sie ja haben, zur Last werden und wir fühlen uns doch auch ein wenig ausgenutzt. Wenn wir in einem Verein aktiv sind…dann kennen wir das auch: Bei der Jahreshauptversammlung sehen wir einmal die meisten der Mitglieder. Wenn es etwas zu organisieren gibt, sind es schon weniger. Und wenn sich gar die vom Vorstand viel beschworene „Teamarbeit“ bewähren soll, wenn es ein Fest auszurichten oder einen Wettbewerb vorzubereiten gilt, dann haben wir oft den Eindruck: Die anderen „teamen“ - aber wir „arbeiten“. Und nicht anders ist es im Beruf. Auch da bringen sich die Kolleginnen und Kollegen doch sehr unterschiedlich ein. Manche Hilfe, die wir anderen geben, kommt nie zurück. Wenn es etwas Besonderes zu tun gibt, wenn Überstunden anstehen, fällt immer zuerst unser Name. Andere sind irgendwie zurückhaltender, können sich besser herausziehen, haben immer die richtigen Ausreden. Aber das hat natürlich auch etwas mit der Gemeinde zu tun! Gerade die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen das immer wieder erfahren: Gern werden ihre Dienste in Anspruch genommen. Gern schickt man seine Kinder zu ihnen in die Jungschar. Auch findet man es nicht einmal der Rede oder gar eines Dankes wert, wenn sie vom Senioren- oder Frauenkreis aus Besuche bei Kranken oder zum Geburtstag machen, oder wenn sie jahre- und oft jahrzehntelang eine Gemeindegruppe oder -veranstaltung betreuen, vorbereiten und durchführen. Das ist doch ihr Kreis, ihre Arbeit, denkt man. Dazu haben sie sich doch bereit erklärt oder dazu sind sie gewählt worden, sagt man. Wie viel von dem, was diese Menschen tun, nur aus Liebe und Engagement geschieht, darüber denken wenige nach und dass einer gar einmal davon spricht, erlebt man ganz selten. Und auch die Pfarrerinnen und Pfarrer könnten viel erzählen, was die vermeintliche Selbstverständlichkeit mancher Dienste angeht, die sie ohne Pflicht, ohne Bezahlung, völlig freiwillig aus reiner Nächstenliebe an den Menschen tun. Wie geht das damals bei Mose weiter? - „Sammle mir siebzig Männer unter den Ältesten und stelle sie vor dich, so will ich herniederkommen und von deinem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen, damit sie mit dir die Last tragen und du nicht allein tragen musst.“ Liebe Gemeinde, wenn sie sich vorhin angesprochen gefühlt haben, wenn auch ihnen die Last ihrer Arbeit in Beruf, Familie, Verein oder Gemeinde manchmal schon zu viel geworden ist, hier werden sie wahrscheinlich denken: Ein solcher Rat hilft mir doch überhaupt nicht! „70 Männer“... Zwei oder drei Helfer, ja, nur einer, der wirklich auch dann zu mir steht, wenn ich nicht mehr kann, einmal nicht die Kraft habe oder einfach nicht mehr mag...würde mir ja genügen! Aber bevor wir das nun wieder zu weit von uns weisen: Haben wir nicht schon oft gedacht: An mir bleibt nun mal immer alles hängen; ich kann nicht nein sagen, und wenn ich es nicht mache, dann macht es doch auch keiner; das scheint meine Rolle im Leben, in der Familie, im Verein, in der Gemeinde... Vielleicht ist es ja auch Gottes Wille so? - Zumindest das letzte, so wissen wir jetzt, stimmt nicht! Da mag diese Geschichte von Mose ja wirklich sehr fremd sein, da mögen wir mit ihren Zügen wenig anfangen können und uns die 70 Männer, die mit uns die Last tragen sollen, arg unrealistisch erscheinen - Gott will nicht, dass wir immer alle Lasten allein tragen! Er will, dass sich andere auch ihr Teil auf den Rücken legen. Er hat uns mit anderen Menschen verbunden - in guten und in schweren Tagen, wenn es ums Feiern und Fröhlichsein geht, aber auch wenn Arbeit ansteht. Er will nicht, dass die einen krank und bitter werden vor lauter Last und Verantwortung, die man auf sie abwälzt und die anderen sich immer nur schonen, entschuldigen und zurückhalten, wenn sie gebraucht würden. - Und genau an dieser Stelle werden aus diesen persönlichen Gedanken auch solche, die uns als Gemeinde, als Gemeinschaft angehen! Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann wissen wir das, spüren das: Es ist nicht richtig, wenn wir andere allein schaffen lassen, wenn wir doch auch Zeit und Kraft hätten, uns einzubringen. Es ist nicht recht, vorzuschieben, jemand hätte sich doch schließlich in ein Amt wählen lassen und jetzt müsste er halt auch... Und schon gar nicht gut ist der im Grunde lächerliche Hinweis, dieser oder jene hätte ja doch auch die Ehre, da gehörte die Last nun mal auch dazu. Wir wissen, wie wenig Ehre das meist ist - und wie groß die Mühe! Und jetzt, liebe Gemeinde, wird es sogar doch noch richtig pfingstlich: „Und Mose ging heraus und versammelte siebzig Männer aus den Ältesten des Volks. Da kam der HERR und nahm von dem Geist, der auf ihm war, und legte ihn auf die siebzig Ältesten.“ Und vielleicht lassen wir uns ja auch von diesen Worten ermutigen: Wenn wir mittun bei der Arbeit, wenn wir die Lasten mittragen, die vielleicht eine Familie, eine Gruppe, ein Verein oder sonst eine Gemeinschaft auferlegt bekommen hat, dann werden wir gesegnet sein! Und schon gar, wenn es sich um die Arbeit in der Kirche, in unserer Gemeinde handelt. Gott lässt uns nicht ohne seine Hilfe. Er macht uns stark und gibt uns Ideen, dass wir zusammen erfüllen können, was sein Wille ist. Sein guter Geist kommt auf uns, über uns und verbindet uns. Keiner muss sich mehr überfordern. Keiner bleibt allein mit der Arbeit und der Verantwortung. Alle kriegen genug Kraft, alle haben Freude und es geht vorwärts mit der guten Sache. Ja, am Ende wird es gar so, wie hier beschrieben: Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in Verzückung wie Propheten und hörten nicht auf. Das kann schon geschehen, wenn Gottes Geist auf uns kommt und wir erfahren, wie er uns antreibt, stärkt und uns gelingen lässt, was wir gemeinsam anpacken. Liebe Gemeinde, ich glaube, Sie geben mir jetzt recht, wenn ich sage: Das ist schon eine Pfingst- und keine Passionsgeschichte, die wir da heute gehört haben! Und sie spricht uns durchaus in unserer Lebenssituation an und hat mit uns und der Gemeinde zu tun. Und schließlich und nicht zuletzt kann sie uns zu einem frohen Fest auch fröhliche Gedanken schenken: Gott gibt uns allen seinen Geist, einzeln, aber auch unserer Gemeinschaft. So können wir zusammen die Lasten tragen - aber auch wirken, arbeiten und Gutes schaffen. AMEN