Predigt am Sonntag „Kantate“ - 19.5.2019 Textverlesung: Jes. 12, 1 - 6 Zu der Zeit wirst du sagen: Ich danke dir, HERR, dass du bist zornig gewesen über mich und dein Zorn sich gewendet hat und du mich tröstest. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher und fürchte mich nicht; denn Gott der HERR ist meine Stärke und mein Psalm und ist mein Heil. Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Heilsbrunnen. Und ihr werdet sagen zu der Zeit: Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun, verkündiget, wie sein Name so hoch ist! Lobsinget dem HERRN, denn er hat sich herrlich bewiesen. Solches sei kund in allen Landen! Jauchze und rühme, du Tochter Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir! Liebe Gemeinde! Das war ein Lied. Das Volk Israel hat es gesungen, als seine Gefangenschaft in Babylon zu Ende war und es wieder heimkehren durfte an den „Zion“, den Tempelberg in Jerusalem. Diese Menschen wussten, von wem ihre Rettung herkam. Sie hatten schlimme Jahre hinter sich. Es waren nur noch wenige von denen übriggeblieben, die einmal nach Babel verschleppt worden waren. Aber sie wussten, dass Gott die Strafe über sie verhängt, dass Gott sie in all dieser Zeit nie verlassen hatte und sie ihm die Rückkehr in die Heimat verdankten. Darum sangen sie ihr Lied: „Danket dem HERRN, rufet an seinen Namen! Machet kund unter den Völkern sein Tun. Jauchze und rühme, du Tochter Zion!“ Mir kam dabei in den Sinn, wie wenig wir doch Gott mit unserer Stimme loben und rühmen. Aber sind unsere Voraussetzungen dazu denn nicht viel besser? Wir leben in Freiheit und im Wohlstand. Keiner muss Not leiden. Keiner hat zu wenig. Mit vielen Talenten sind wir beschenkt. Viele Gaben hat Gott uns mitgegeben. Meist haben wir eine Familie um uns und Menschen, die uns lieben. - Aber wo ist unser Lied? Wo hört man unsere Stimme: Danket dem Herrn, jauchze, rühme...? Sicher denken wir jetzt an den Gottesdienst, zu dem wir ja gerade versammelt sind. Haben wir nicht vorhin schon gesungen und werden es auch nachher noch tun? Und die Lieder sind ja heute rechte Lob- und Danklieder! Ich glaube, wir spüren das alle: Hier geht es um ein anderes Loben, eines aus dem eigenen vollen Herzen, ein persönliches - nicht eines, das wir gemeinsam vollbringen, weil es heute dran ist und wir die Nummer des entsprechenden Lobliedes an der Liedanzeige ablesen. Wie sieht es mit diesem „spontanen“ Rühmen aus bei uns? Wo singen wir aus vollem Herzen unseren Dank? Wann loben wir Gott, wann jauchzen wir ihm - nicht nur dann, wenn es uns der Name des Sonntags heißt: „Kantate - Singet“? Ach, Sie können nicht singen? - Ich denke, es muss keine Melodie sein, die aus unserem Mund kommt. Sie haben Hemmungen, dann wenn Ihnen so ist - am Ende unter vielen Menschen! - laut Gott zu rühmen und ihm zu danken? - Auch hier gibt es andere Möglichkeiten, die nicht minder gut sind und schön und Gott genauso erfreuen! Welche? Unser Gebet am Morgen und am Abend ist eine solche Gelegenheit, Gott zu preisen! Und sagen Sie jetzt nicht, aber diese Tagesgebete verrichten Sie doch schon so lange Sie denken können! Ich will jetzt gewiss nicht Ihr Gebet und die Art, wie Sie es halten, herunterziehen. Aber hören sie das nächste Mal, wenn sie beten, doch einmal ganz genau hin: Was überwiegt? Danken oder Bitten, Lob oder Wünschen? Und ist das Rühmen wirklich angemessen? Kommt es aus einem erfüllten Herzen, aus einem dankbaren, frohen Gemüt? - Daran können Sie ja nichts ändern? Gefühle oder eine Seele, die übervoll ist vor Freude, können wir doch nicht machen! - „Machen“ vielleicht nicht, aber wir können etwas dafür tun, dass solche Gefühle bei uns aufkommen und unser Herz von Freude voll wird! - Wie das geht? Vielleicht so: Betrachten wir einmal heute Abend, wie dieser Tag verlaufen ist. Wir konnten am Morgen aufstehen, unsere Beine und Hände gebrauchen. Wir haben ein Frühstück gehabt und Menschen im Haus oder später unterwegs zur Kirche gesehen und getroffen, die uns freundlich begrüßt haben. Wir konnten den Gottesdienst besuchen, haben ein gutes Wort gehört, die Gemeinschaft mit anderen empfunden und ein paar gute Gedanken mitgenommen. Ein besonderes Mittagessen zum Sonntag hat es gegeben. Später am Nachmittag sind wir spazieren gegangen oder auf einen Besuch. Abends dann war's vor dem Fernseher oder beim Lesen eines Buches gemütlich... Könnten wir heute Abend also nicht sagen: Es war ein schöner Sonntag? Und müssen wir nicht sagen: Gott hat diesen Tag geschenkt? Oder war das alles dann selbstverständlich und nicht wirklich des Dankens und des Lobsingens wert? Oder schauen wir auf die vergangene Woche. Bei uns allen wird sie sehr unterschiedlich verlaufen sein. Aber wir sind gesund geblieben. Wir konnten unsere Arbeit tun. Wir hatten Kontakte zu anderen, haben Beziehungen neu aufgenommen und die alten gepflegt, es gab Gespräche und den Austausch von Hilfe und Freundlichkeit hin und her. Wir hatten zu essen und zu trinken. Sogar schöne Stunden der Freude und des Glücks hat es gegeben. - Sehen wir das alles gar nicht mehr? Es könnte doch auch anders gewesen sein! Gewiss war die Woche von vielen Menschen in der Welt und in unserer Nähe nicht so gut wie unsere. Aber loben wir Gott dafür. Singen wir ihm, Rühmen wir seinen Namen? Und auch unser ganzes Leben bis heute verdient einen solchen prüfenden Blick: Müssen Sie nicht auch oft staunen, wie manches so gut ausging, was erst so böse aussah? „Gott schreibt auf krummen Zeilen gerade“, habe ich einmal gelesen. Haben wir das nicht auch schon oft erlebt in unseren Jahren? Und schon dies ist doch wunderbar und gar nicht so selbstverständlich, wie wir es oft hinnehmen: Wir sind im Wohlstand geboren oder dürfen doch schon lange im Wohlstand leben. Wir konnten eine Schule besuchen, haben etwas gelernt und bei unserer Arbeit immer wieder Erfüllung und Sinn erfahren. Gott hat uns mit Angehörigen gesegnet, mit einem Ehegefährten, mit Kindern, Enkeln... Wir dürfen die Liebe der Mitmenschen genießen und ihnen auch unsere Liebe schenken. Wir haben Freunde, gute Nachbarn, auf die wir uns verlassen können. Und wir dürfen selbst solche Freunde und Freundinnen, Nachbarinnen und Nachbarn sein, die anderen beistehen, ihnen raten, für sie wichtig sind und verlässlich. Und jede und jeder von uns könnte hier gewiss noch ganz persönliche Erlebnisse beisteuern, die nicht von ungefähr kamen, sondern von Gott, der es gut mit uns meint! - Aber ist unsere Antwort auf seine Güte angemessen? Sind wir beseelt von Dankbarkeit und Freude? Hört Gott unsere Stimme, dass wir ihm singen, ihn rühmen, ihm unseren Dank sagen? Ganz sicher denken wir jetzt alle: Das ist wahr. Wir danken zu wenig. Wir nehmen alles viel zu selbstverständlich hin - und es ist doch alles gar nicht selbstverständlich! Ja, so werden wir jetzt denken. Aber wie lange? Wird uns das auch nur bis heute Abend im Gedächtnis bleiben? Werden wir uns sogar noch morgen daran erinnern, dass wir Gott gegenüber dankbarer werden wollten? Sollte uns das gar von heute an tägliche Übung werden, Gott angemessen zu loben und ihn - vielleicht wirklich mit unserem Lied - zu preisen? - Wir müssten etwas mitnehmen können von heute, etwas, an das wir unsere Erinnerung knüpfen, was wir nicht so schnell vergessen... Liebe Gemeinde, Sie kennen sicher den ein wenig seltsamen Brauch, sich einen Knoten ins Taschentuch zu machen, wenn man etwas nicht vergessen will. Vielleicht ist Ihnen auch schon eine Weile nach einer solchen „Erinnerungshilfe“ Ihr Taschentuch wieder in die Hand gekommen und...Sie mussten lange überlegen, warum Sie diesen Knoten denn nur gemacht haben. Ja, vielleicht ist es Ihnen dann gar nicht mehr eingefallen!? Es ist halt nicht eindeutig mit solchen Knoten. Wir wissen nur dass, aber eben nicht an was wir uns erinnern wollten. Von heute möchte ich Ihnen eine deutlichere Hilfe dafür mitgeben, dass Sie das Lob Gottes und die Dankbarkeit nicht so schnell wieder vergessen. Wir tun dazu etwas Ungewöhnliches - das wird sich auch einprägen. Unser Organist (unsere Organistin) spielt uns jetzt einen kleinen Kanon vor und wir schlagen ihn inzwischen im Gesangbuch (EG 336) auf. --- (Orgelvorspiel) --- Und jetzt wollen wir ihn zweimal zusammen singen! --- (Wenn möglich als Kanon singen!) --- Nun wünsche ich Ihnen, dass sie diesen „Knoten im Taschentuch“ auch wirklich mitnehmen und sich behalten können, was er sagen wollte. Vielleicht denken Sie heute Abend noch daran, dass wir heute - während der Predigt - diesen schönen Kanon gesungen haben! Vielleicht begleitet er Sie in die nächste Woche? Vielleicht kommt er Ihnen gar in einiger Zeit noch und immer wieder in den Sinn: Danket dem Herrn, denn er ist sehr freundlich, seine Güte währet ewiglich. Vielleicht singen Sie ihn dann gar oder summen ihn vor sich hin? Und er erinnert Sie: Ich wollte dankbarer werden, Gott täglich loben, ihm singen, wenigstens in meinem Herzen, ihn rühmen für alle seine Taten an mir! AMEN