Predigt zum Sonntag „Invokavit“ - 10.3.2019 Textlesung: Lk. 22, 31 - 34 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst. Liebe Gemeinde! Das Leben eines Christen ist kein Zuckerlecken. Keineswegs bleibt dem, der einmal ja zu Jesus Christus gesagt hat, alles Schwere erspart. Auf die Begeisterung für diesen Herrn, die einer in jungen Jahren hatte, folgte oft die Ernüchterung, wenn wir älter werden und uns das Leben hart rannimmt. Und manchmal scheint es so, als müssten gerade die überzeugtesten Anhänger Jesu durch die schlimmsten Prüfungen hindurch. Oft geht das so aus wie bei Petrus: Verleugnung, Abfall, Unglaube. Hier sind drei kurze Lebensläufe aus unseren Tagen. Beispielhaft mögen sie für viele stehen: Der erste ist der einer jungen Frau, um die 25. Früher aktiv in der christlichen Jugend. Mitarbeiterin in der Jungschar und im Kindergottesdienst. Wenn wir sie vor fünf Jahren gefragt hätten, sie hätte geantwortet: Jesus ist der Herr meines Lebens und dieser Welt. Ihm will ich mit meiner Arbeit dienen. Von ihm will ich erzählen und zeugen. Sie ist heute Krankenschwester. Sie hat viel Leid gesehen und vieles, was ihr sinnlos erschien. Kinder, die Opfer von Verkehrsunfällen wurden. Alte, die einsam und von allen Angehörigen abgeschoben in den Sterbezimmern der Klinik verlöschten. Todkranke auf der Intensivstation, monatelang im Koma, am Leben gehalten von der Kunst der Ärzte. Am Anfang fragte sie noch: „Gott, wo bist du, warum lässt du das zu?“ Heute fragt sie nicht mehr. Alles, was sie sehen und erleben musste, konnte sie nicht mehr mit Gott und dem Herrn Jesus reimen, an den sie einmal geglaubt hat. Der zweite Lebenslauf: Ein Mann um die 40. Ein sehr lieber Mensch ist ihm gestorben, viel zu früh, so meinen wir ja immer. Und wie musste dieser Mensch zuletzt noch leiden, und wieviel hat man versucht und wieviel hat man noch für ihn getan...umsonst! Jetzt fragt der Mann: „Wo war Gott, als es geschah?“ Der „liebe“ Gott, wie konnte er ihn nur so furchtbar hart schlagen. Und hatte er denn nicht immer an ihn geglaubt, an ihn und seine Güte? Hatte er sich nicht zu Kirche und Gemeinde gehalten? Wie konnte Gott ihm diesen Schmerz antun, wenn es ihn überhaupt gab?! Der dritte Lebenslauf: Eine Frau von 60. Eine im Hintergrund des Alltäglichen wirkende Christin. Auf ihre stille Weise tut sie Gutes an ihren Nachbarn, an allen, die sie brauchen. Schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten. Eigentlich ihr ganzes Leben lang. Sie tut's um Christi willen, nicht um von den Leuten gesehen zu werden. Eine gute, eine sympathische Einstellung. Gestern nun hat sie erfahren, dass sie krank ist, sehr krank. Sie weiß, dass sich ihr Zustand bald verschlechtern wird, dann wird sie bettlägerig werden, dann werden die Schmerzen kommen... Man wird es hinauszögern können, aber nicht sehr lange. 60 Jahre - noch kein Alter... Und dann solch ein Sterben vor Augen und das ganz genau wissen: Es ist unausweichlich, dem kannst du nicht entrinnen. Wie wird sie damit fertig werden? Wird sie an der Hand Gottes bleiben können, bis zuletzt? „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.“ So sagt Jesus damals zu Petrus. Vielleicht spricht er so auch zu uns, irgendwann, vielleicht bald, vielleicht so: Pass gut auf! Gott hat dem Satan erlaubt, auch dich auf die Probe zu stellen und die Spreu vom Weizen zu scheiden. Pass gut auf! Wann werden wir diesen Anruf vernehmen müssen? Wann ist es für uns soweit? Die „Probe“, wann kommt sie für uns? Wie werden wir sie bestehen? Liebe Gemeinde! Mir sind diese Gedanken genauso unangenehm wie Ihnen, glauben sie mir. Aber dürfen wir denn die Augen verschließen vor allem, was da doch ganz in unserer Nähe geschieht? Gibt es das nicht: Schreckliche Lebenserfahrungen, die Katastrophe der Trennung von lieben Menschen, zerbrechende Beziehungen, Kinder, deren Wege wir nicht verstehen und nicht gutheißen können, Krisen des Glaubens, Angst vor der Zukunft, dem Alter, der Einsamkeit? Kann es nicht Morgen schon uns betreffen, dich und mich? Es muss sich beileibe nicht nur um Krankheit und Tod drehen. Anderes kann auch sehr schlimm sein: Du verlierst deinen Arbeitsplatz und bist doch schon über 50. Deine Ehe geht in die Brüche und du weißt nicht, wie es weitergehen soll. Einer setzt böse Gerüchte über dich in die Welt, bis der Rufmord perfekt ist. Dann heißt es vielleicht für dich: Pass auf, pass gut auf, dass du den Glauben an den „guten“ Gott nicht verlierst, pass auf, denn das ist dann deine Probe, deine Prüfung! Es ist gut, wenn wir auch davon einmal reden. Es ist noch besser, wenn wir uns darauf einstellen, dass es nicht immer an uns vorbeigehen wird. Und vielleicht gerade an diesem Sonntag, an dem die Leidenszeit beginnt, Christi Leidenszeit! Ja, besinnen wir uns doch: Auch er musste da hindurch. Auch er wurde geprüft: „Vater, wenn es möglich ist, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Er hat die Prüfung bestanden: „Aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!“, sagt er. Werden wir auch so sprechen können? Wie ist das doch von daher so tröstlich, wenn wir auf Petrus sehen: „Noch ehe der Hahn kräht, wirst du dreimal behaupten, dass du mich nicht kennst.“ Und so ist es gekommen. Petrus hat verleugnet. Selbst einer, der erst so stark redete und schien, hat versagt: „Jesus? Ich kenne diesen Menschen nicht!“ Wir dürfen uns also zu unserer Schwäche bekennen. Wir dürfen sagen: „Herr, wenn meine Probe kommt, ich weiß nicht, wie ich da hindurchfinde. Aber, Herr, hilf du mir dann!“ Wir müssen nicht die Glaubenshelden sein wollen, die nichts umwirft. Wir müssen auch nicht gering denken von denen, die vom Bekenner zum Leugner Christi wurden. Wenn unsere „Probe“ da ist, werden wir wohl lernen müssen, wie schwach und kleinmütig auch wir selbst sind. „Pass gut auf, dass du den Mund nicht zu voll nimmst!“ Petrus tat es. Petrus verriet seinen Herrn. Der Hahn krähte; wie bitter war seine Scham und wie schmerzlich seine Reue. - Sind wir mehr als Petrus? Aber sehen wir auch das: Jesus spricht zu Petrus: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört. Wenn du dann wieder zu mir zurückfindest, musst du deinen Brüdern Mut machen.“ Wie tröstlich, das zu hören: Der Herr betet für den, der ihn verraten wird. Er tritt bei Gott selbst für die ein, die ihn verleugnen. Er wird also auch uns nicht loslassen, wenn es für uns soweit ist, selbst wenn wir dann versagen! Er weiß, wie schwach wir sind. Er kennt uns darin vielleicht besser, als wir uns selbst kennen. Wie tröstlich, dass er uns auch dann nicht aufgeben will! Und wer weiß, vielleicht hat der eine oder die andere ja auch schon Zeiten hinter sich, in denen aus dem Bekenntnis zu Jesus die Gleichgültigkeit, die Abkehr oder gar der Verrat wurde. Wie gut, da heute zu hören: Jesus betet für uns; er hat nie aufgehört für uns einzutreten und zu beten, selbst wo wir ihn verlassen und verleugnet haben. Wir haben also einen neuen Anfang. Wir dürfen wieder zu ihm kommen, wieder bei ihm bleiben, in seiner Nähe. Ich fürchte, für uns, wenn wir noch so groß von uns denken und nach außen erscheinen wollen, ist das kein Evangelium, diese Geschichte mit Petrus heute. Für uns, die doch so ungern zugeben, dass sie auch nur sehr kleine Christen sind, anfechtbar und schwach im Glauben. Wir sind doch standhaft beim Herrn! Aber sind wir es nicht bis heute vielleicht nur, weil uns die „Probe“ bisher erspart blieb? Wer mag das zugestehen? Wer lässt sich auf solche Gedanken überhaupt ein? Wirklich: kein Evangelium für Starke oder solche, die sich für stark halten! Aber ich glaube, Jesus kennt uns besser: Alle werden wir versagen, wenn die Prüfung nur hart genug wird, alle!? Darum: Pass gut auf! Frohe Botschaft aber ist das für demütige Menschen, die wissen: Ich bin schwach, fehlbar und kleingläubig. Denen sagt die Geschichte: Wenn deine Probe da ist und du dich abwendest und den Glauben aufgibst - der Herr gibt dich dann nicht auf. Er bittet für dich, wie er's für Petrus tat. Und du hast die Verheißung: Du wirst zum Herrn zurückfinden, wie Petrus und dann sollst du deinen Brüdern und Schwestern Mut machen und auch wieder zurückhelfen zu Gott. Sicher wünsche ich das niemandem, aber wer weiß, vielleicht werden wir auch noch in Lebenserfahrungen geraten, in denen es gut ist, das zu wissen! Darum nehmen wir dieses Wissen von heute mit und bewahren wir es gut! AMEN Hier vielleicht eine 2. Textverlesung: Lk. 22, 31 + 32