Predigt am Ewigkeitssonntag - 26.11.2000 Liebe Gemeinde! Ich möchte diese Predigt mit einer Zumutung beginnen: Wir haben, wenn wir an Tod und Ewigkeit denken, nicht den mindesten Grund zu Angst, Trauer, Klage, Tränen oder auch nur trüben Gedan- ken. Eine Zumutung ist das für alle, die im vergangenen Jahr der Kirche einen lieben Menschen ver- loren haben. Sie haben den Schmerz der Trennung erfahren. Sie mußten mit der Frage nach dem "Warum" fertig werden. Sie haben die Trauer kennengelernt, die Einsamkeit ohne sie, ohne ihn... Das soll kein Grund für Tränen sein? Ich spreche jetzt nicht von den Tagen unmittelbar nach dem Verlust eines lieben Angehörigen, auch nicht von den nächsten paar Wochen danach. Diese Zeit ist furchtbar: Jeden Morgen neu muß man das schmerzlich lernen: Dieser Mensch ist nicht mehr. Ich muß ohne ihn auskommen, er ist mir ge- nommen. So vieles, was wir noch vorhatten, wird nicht mehr sein. Aber nach einer Weile, wenn auch dieser schlimme Gedanke vertrauter geworden ist, wenn die Wunden in unserer Seele langsam zu heilen beginnen, müssen wir uns besinnen, daß wir Hoffnung haben, zumindest zu dieser Hoffnung durch Jesus berufen sind, zur Hoffnung über den Tod hinaus. Hören wir zusammen auf ein Wort über den Grund unserer Hoffnung. So lesen wir beim Propheten Jesaja: Textlesung: Jes. 65, 17 - 19 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hö- ren. Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muß Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heili- gen Berge, spricht der HERR. Mir hat vor Tagen ein Kollege etwas erzählt, das will ich ihnen gern weitergeben: Den Besuchern der Bibelstunde seiner Gemeinde und ihm ist neulich im Bibelabend klar geworden, wie wenig das Reden und Denken über den Tod, wie es in dieser Zeit vorherrscht, eigentlich noch von der Hoff- nung der Christen Zeugnis gibt. Hier sind ein paar Auszüge aus dem Gespräch, das sich daraus ergab und ein paar Fragen, wie sie die Leute aus dem Bibelkreis gestellt haben. (Ich glaube, das könnten auch unsere Fragen sein.): Warum erscheint der Tod - wenn wir über ihn sprechen - eigentlich immer nur als eine schreckliche Macht, die zerstört, die uns ängstet, die uns die Luft abschnürt? Müßten Christen, die an die Aufer- stehung glauben, nicht auch die andere Seite des Todes sehen: Daß er nämlich der Anfang eines neuen, herrlichen, unbegrenzten Lebens bei Gott ist. Warum ist das eine staunenswerte und uns ir- gendwie doch ganz unverständliche Ausnahme, wenn ein betagter Mensch voll Sehnsucht und Freu- de von seinem Sterben sprechen kann - wie wir das - auch heute noch - immer wieder erleben dür- fen? Sind wir nicht alle eingeladen, unseren Tod - und den unserer Lieben - auch als Beginn einer ewigen, fried- und freudvollen Zukunft zu glauben und zu erwarten? Warum auch lassen wir uns als Christen, die vom Sieg ihres Herrn über den Tod wissen, von unserer Umgebung diktieren, wie lan- ge wir z.B. Trauerkleidung tragen, welches Gesicht und welches Verhalten dem Todesfall angemes- sen ist und für wie lange wir an welchen Feiern, Festen und Veranstaltungen nicht teilnehmen dür- fen? Unsere Verstorbenen sind doch nicht verloren! Sie sind bei Gott! Er hat nach den Tod noch et- was mit uns vor - und mehr als dieses kleine, kurze Leben in dieser oft so trostlosen Welt. Müßte uns das nicht auch frohmachen? Müßten wir nicht auch in guten - zumindest aber in hoffnungsvollen Worten - von Tod reden lernen? Soweit die Gedanken, wie sie kürzlich in einem Bibelkreis geäußert wurden. Sagen sie nun bitte nicht: "Da wird halt so gesprochen. "Bibelkreis" sagt ja schon alles! Das werden besonders fromme, gläubige Leute sein." - Nein, so ist es nicht. Das sind Menschen - nicht anders als andere auch. Nur, sie haben das Thema "Tod und Sterben" einmal nicht beiseite geschoben - wie es heute meist ge- schieht, sondern darüber nachgedacht, geredet und es konsequent bis ans Ende verfolgt! Und das Ergebnis war: Christen, die nach dem auferstandenen Herrn heißen, müssen den Tod nicht fürchten, nicht aus ihrem Denken verbannen und schon gar nicht an ihm verzweifeln. Wir dürfen Hoffnung haben. Gott selbst verbürgt uns den Grund der Hoffnung: "Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde." Und weiter gehen diese Worte Gottes: "Man wird der früheren Dinge nicht mehr gedenken, und niemand wird sich ihrer mehr erinnern, sondern man wird frohlocken und ju- beln auf ewig über das, was ich schaffe." Die früheren Dinge, sind das nicht all die Sachen, die un- sere Aufmerksamkeit beanspruchen, all die Sorgen, die wir uns in diesem Leben machen, all die Ge- danken, die sich nur um diese Welt und das Leben in ihr drehen? Gibt das nicht Antwort auf unsere Frage: Wer wird eigentlich Gottes neuen Himmel und seine neue Erde sehen, wer wird dahin gelan- gen? Denn haben wir uns jetzt nicht insgeheim diese Frage gestellt? Werde ich, wird mein Angehöri- ger, teilhaben an Gottes Verheißung? Mir scheint, hier wird die Bedingung genannt: "Man wird der früheren Dinge nicht mehr geden- ken..." Die Leute, die Gottes Reich sehen, werden Menschen sein, die nicht an dieser Welt kleben. Es ist ihnen leicht, sich zu lösen von allem Irdischen, von allen Gütern, allem Besitz, allem, was ihr Herz gefangennehmen will. Diese Menschen besaßen zwar auch Habe in dieser Welt, sie waren aber nicht besessen davon. Sie hatten zwar auch Dinge, die sie liebten und die ihnen wichtig waren, die Dinge hatten aber nicht sie. Und sagen wir's auch von der anderen Seite: Wie soll einer, der sich nur an dieser Welt orientiert, je vergessen können, was sein ein und alles ist? Wie soll einer loslassen können, was sein einziger Halt ist, daß er nicht in die Tiefe stürzt. Wie sagt Jesus: Wie soll ein Reicher, einer, der nur diese Welt und ihren Besitz kennt, je in das Reich Gottes kommen? Eher geht ein Kamel durch ein Nadelör. Liebe Gemeinde, ist das jetzt nicht doch schrecklich deprimierend? - Lesen wir die Verse noch wei- ter; jetzt kommt, was uns helfen will: "Siehe, ich wandle Jerusalem zu Jubel um und sein Volk zu Frohlocken!.." Stellen sie sich nur vor: Ein Leben auf ewig befreit von der Sorge ums tägliche Brot, frei von Krankheit, von Leid, von Kummer und Schmerzen, befreit vom Tod... Ein Leben bei Gott, bewahrt von ihm, in seiner Nähe, unausdenklich schön und erfüllt ... Ein Leben, wie wir's uns immer gewünscht haben, voll Sinn, voll Glück und Liebe... Und dieses Leben wartet auf uns! Gott ver- spricht es uns: "Siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde..." Wird unser Jubel nicht unaussprechlich sein? Wird dein und mein Frohlocken je ein Ende haben? Wenn wir unseren Blick so in die Weite richten, dann können wir das rechte Verhältnis zu dieser Welt und diesem gegenwärtigen Leben gewinnen: Wie kurz ist dieses Leben doch - und was steht in ihm auf dem Spiel! Wie klein ist alles, womit diese Erde lockt - und was soll einmal für uns kom- men! Wie unbedeutend ist es, ob einer hier mächtig, reich oder berühmt war - wenn er sich dann daran klammert und in der neuen Welt Gottes dann kein Bürgerrecht erhält. Liebe Gemeinde, wir denken heute an unsere Verstorbenen, darum heißt dieser Tag "Totensonntag". Unserer Toten wollen wir nachher fürbittend gedenken. Mit einem zweiten Namen nennen wir die- sen Tag auch "Sonntag von der Ewigkeit". Die Gedanken um diese Ewigkeit meinen uns, die wir noch leben dürfen, leben müssen. Auch die Verse, über die wir heute nachgedacht haben, gelten uns: Den Lebenden, denen, die noch zu entscheiden haben, noch entscheiden können, ob sie Gottes neu- en Himmel und seine neue Erde sehen werden. So führt der Weg dorthin: Wenn wir die Dinge dieser Welt zu nehmen lernen als das, was sie sind: Vorläufig und keinesfalls wert, daß wir unser Herz daranhängen und ihnen unsere Seele verschrei- ben. Wer's schon getan hat, prüfe sich selbst und kehre um, solange Gott ihm noch Zeit dazu läßt. Wir dürfen heute wissen - und als Christen steht uns der auferstandene Herr dafür ein - daß ein neu- er Himmel und eine neue Erde auf uns warten. Wer Gott das abnimmt, wer seine Hände für das Ge- schenk dieser Zukunft öffnet, der kann die Sachen dieser Welt loslassen. Wer Gott das glaubt, für den ist - was ich zu Beginn sagte - keine Zumutung mehr: Wir haben, wenn wir an Tod und Ewigkeit denken, nicht den mindesten Grund zu Angst, Trauer, Klage, Tränen oder auch nur trüben Gedanken.