Predigt am Buß- und Bettag - 22.11.2000 Textlesung: Offb. 3, 14 - 22 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, daß du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensal- be, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn je- mand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das A- bendmahl mit ihm halten und er mit mir. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Liebe Gemeinde! Was ist bei Ihnen haften geblieben von diesen harten Worten? "Du bist lau und ich werde dich aus- speien aus meinem Munde." - "So sei nun eifrig und tue Buße!" Oder das: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an." Bei mir ist es dieser Gedanke gewesen: "Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich." Ich mußte dabei an so viele Gelegenheiten denken, bei denen in einem Gespräch genau das die Frage war: Züchtigt Gott wirklich die Menschen, die er liebhat? Und noch deutlicher: Müssen viel- leicht gerade die Menschen Gottes harte Hand spüren, die ihm besonders nah sind? Es ist Bußtag, wer heute - zumal an einem Arbeitstag - in die Kirche gekommen ist, erwartet sicher keine heitere, bestätigende Predigt. Darum will ich deutlich sprechen, so klar und so ernst, wie es schon die Worte aus der Offenbarung getan haben. Noch einmal: Müssen vielleicht die von Gott besonders geliebten Menschen seine besondere Härte ertragen? - Warum, wenn es so ist? Wozu soll das gut sein? Für was und vor allem wem soll das die- nen? Hören wir uns das noch einmal an, denn ich glaube, hier liegt eine Antwort: "Ich kenne deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, daß du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß." Könnte es nicht sein, liebe Gemeinde, daß wir uns das nur einbilden, daß wir so eng mit Gott verbunden sind, und in seiner nächsten Nähe leben? Wohlgemerkt: Ich meine nicht, daß wir nicht besonders geliebt wären, das nicht! Geliebt, besonders geliebt sind vielmehr alle Menschen bei Gott, denn er ist unser Vater! (Hätte er sonst den einzigen Sohn für alle Menschen gegeben, daß er für uns leidet und stirbt?) Könnte es also sein, daß wir uns immer gern und immer wieder bloß einreden, wir wären mit Gott besonders vertraut und stünden ihm besonders nah? Und meinen wir nicht wirklich, wenn wir uns ganz ehrlich fragen, daß wir einige Werke in unserem Leben tun, einige Verdienste vorzuweisen ha- ben, die Gott doch achten müßte...achten muß! Denn kommen wir nicht alle immer wieder von die- sem Denken her, daß unser Tun und Lassen, unsere Leistung und Mühe doch auch Gottes Lohn und seine Zuneigung verdient hätten? Wir sollten das nicht vorschnell abtun! Im Kopf wissen wir es alle, daß unter dem Kreuz jedes menschliche Verdienst zu nichts zerfällt. Unser Verstand und was wir vielleicht in der Konfirman- denzeit von den Dingen des Glaubens gelernt haben, sagt uns das ganz deutlich: Allein die Gnade rettet uns, allein der Glaube erhält diese Gnade zum Geschenk und allein Christus hat sie verdient... Unser Herz aber sagt etwas anderes. Und unsere Sprache verrät uns. Vielleicht geht das ja noch an, wenn wir von anderen so reden: "Wie die ihren Schwiegervater pflegt...schon so viele Jahre! Die kriegt gewiß einmal einen Fensterplatz im Himmel!" Und trotzdem drückt sich hier ein Denken aus, das nicht zu unserem Wissen paßt: Allein die Gnade, allein Christus, allein der Glaube! Aber wir sprechen ähnlich auch über uns selbst, vielleicht seltener, aber unser Denken und Dünken ist allemal so: "Ich glaube, ich habe das jetzt auch einmal verdient! Ich hatte so eine schlechte Zeit!" - "Warum schickt mir Gott nur so viel Schweres? Ich habe doch immer meinen Tag mit ihm begon- nen und beschlossen, und in die Kirche bin ich auch immer mal gegangen." Wir können das nun drehen und wenden, können es "nicht so schlimm" finden und sonstwie ver- harmlosen, hier wird, so zu reden und zu denken, "elend, jämmerlich und arm" genannt. Und es ist jämmerlich, wenn Menschen, die an Jesus Christus glauben, die doch wissen, daß sein Opfer am Kreuz, sein qualvolles Sterben uns Gottes Gnade verdient hat, dann wieder so sprechen und so tun, als könnten sie diesem Leid aller Leiden, diesem Tod aller Tode etwas hinzufügen, was Gott dann auch noch achten und belohnen müßte. Und es ist elend, wenn wir unter dem Kreuz unseres Herrn stehen und dann nicht auf ihn, sondern auf unsere Werke und Leistungen schauen und weisen. Und es ist armselig, wenn wir doch bekennen, alles liegt an der Gnade Gottes, dann doch wieder über uns und unsere Verdienste nachzusinnen. Aber kehren wir zurück zu diesem Gedanken und den Fragen, die er auslöst:"Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige ich." Wenn unser Denken, Reden und Verhalten wirklich so arm und unangemessen ist, dann hätten wir doch wohl auch "Zurechtweisung" verdient! Ja, kann und muß man das jetzt nicht eigentlich von der anderen Seite her sehen? Gebührte uns nicht dafür die al- lerschlimmste Strafe, ja, sogar dies: Daß Gott nämlich jegliche Beziehung mit uns abbricht? Er aber tut das nicht! Er nimmt hin, daß wir im Grunde seinen Christus verachten, seine Gnade verwerfen und seinen Heilsplan berichtigen wollen. Wie sagen wir unseren Kindern manchmal: "Da dulde ich keine Widerrede!" - "Wir können über vieles diskutieren, aber nicht darüber!" Unserem Gott aber halten wir vor, daß er uns nicht so retten und erlösen wollte, wie wir uns das gedacht haben. Wer sind wir, daß wir das wagen dürfen? Aber wir tun es! Noch einmal: Wäre das nicht schlimmster Be- strafung würdig? - Gott aber ist nachsichtig. Er weist uns nur zurecht. Er züchtigt uns - aber doch nicht so, daß wir wirklich Schaden erleiden. Und sein letztes Urteil über uns, daß wir leben sollen, wird er schon gar nicht aufheben! Und warum tut Gott das? - Weil er uns liebhat: "Welche ich lieb- habe, die weise ich zurecht und züchtige ich." - Ist das jetzt immer noch schwierig zu verstehen? Müßten wir uns nicht eigentlich darüber freuen, daß Gott uns so liebt, daß er uns weder ganz ver- wirft, noch unserem falschen, armseligen und elenden Denken überläßt?! Hören wir noch, wie die Worte der Offenbarung weitergehen: "So sei nun eifrig und tue Buße! Sie- he, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auf- tun, zu dem werde ich hineingehen..." Wollen wir es heute - am Bußtag - nicht wirklich einmal ver- suchen, unser bisheriges Denken, Reden und Tun, als könnten wir irgendetwas bei Gott verdienen oder verdient haben, abzulegen? Prüfen wir unser Denken! Und wo wir erschrecken, schauen wir auf das Kreuz unseres Herrn und begreifen wir: Hier allein liegt das Verdienst, das vor Gott gilt. Hören wir auf das, was wir sagen! Besinnen wir uns auf den, der allein durch sein Opfer Hölle, Tod und Teufel für alle Menschen besiegt hat und tun wir ab, was dazu nicht paßt. Achten wir neu auf unsere Taten und was wir selbst uns auf sie einbilden. Vor dem, der alles Leid und alle Sünde der Welt getragen hat, kann es kein Rühmen unserer eigenen Werke geben. Nehmen wir das wörtlich, was dieses Bild ausdrückt: "Ich stehe vor der Tür und klopfe an." Das ist nicht die Tür unseres Hauses, nicht die Tür dieser Kirche, sondern unseres Herzens. Und seine Stimme sagt uns heute von draußen: Ihr laßt mich ein, wenn ihr endlich das Dünken um Verdienste, das Spekulieren auf Lohn und das Beharren auf all euren Wert und Würdigkeit zur Tür eures Lebens hinausweist. Ich kann nur einziehen, wo ihr mir und dem Willen unseres himmlischen Vaters Platz schafft und Raum gebt. Sagt ja zu seinem Plan, euer Heil zu schaffen! Nehmt an, daß er gnädig sein will und nicht auf eure Werke und Taten sieht. Laßt euch von seiner Liebe - auch wo sie einmal streng ist und euch hart angeht - zurechtbringen. So tut ihr mir die Tür auf und ich werde zu euch hineinkommen. - Wer Ohren hat zu hören, der höre!