Predigt am 15. So. nach Trinitatis - 9.9.2018 Textlesung: Gal. 5, 25 - 26. 6, 1 - 3. 7 - 10 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Liebe Gemeinde! Neulich hat einer zu seinem Pfarrer gesagt: Bei dem und dem Pfarrer in der Umgebung, da wird immer nur geschimpft! Die Leute können es schon bald nicht mehr hören! Ein andermal musste derselbe Pfarrer hören: „Das waren jetzt aber wochenlang immer nur mahnende Predigten, sie sollten auch wieder einmal das Evangelium zur Sprache bringen!“ Und wir alle wissen, dass allgemein so gedacht wird: Von der Kanzel herab, will man keine Gardinenpredigt hören, kein Geschimpfe, keine Standpauke in Glaubenssachen. Auf die Kanzel gehören erbauliche Worte, tröstliche Gedanken, ein fröhliches Gesicht und eine froh machende Ansprache. Gut, hin und wieder sind Ausnahmen gestattet. Aber überwiegend heiter, bitte! Wie gesagt: So ist es überall. So wird allenthalben gedacht. Auch bei uns. Was soll man also machen, wenn der Predigttext, der uns verordnet ist, selbst eine solche Fülle von ernsten, mahnenden Worten enthält? „Gott lässt sich nicht spotten!“ - „Was der Mensch sät, wird er ernten!“ - „Irret euch nicht!“ - „Wer auf sein Fleisch sät, wird das Verderben ernten“... Drückt man sich da herum? Tue ich jetzt so, als stünde das nicht so ernst da? Soll ich über einen anderen Text predigen? Darf ich das? Dürfte ich dann für mich in Anspruch nehmen, ein Verkündiger des Wortes Gottes zu sein? Also! Nun ist mir aber diesen harten Versen etwas aufgegangen, gerade bei der ärgsten Drohung, die sie enthalten: „Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann...“ Das ist doch ganz deutlich der Wink mit dem Tod! „Solange wir noch Zeit haben...“ Heißt das nicht: „Denkt daran: Ihr müsst sterben! Dann ist es zu spät, dass ihr euer Leben herumreißt, dann fahrt ihr in die Grube und könnt keine guten Taten mehr vollbringen!“ - Wirklich: Das hört sich bedrohlich an! Was mir aber aufgefallen ist: Das hat ja auch eine andere Seite! Da wird ja auch eine sehr positive Sache betont - wir hören sie nur nicht mehr vor lauter Gejammer über diese „ängstigenden, drohenden“ Gedanken. Positiv heißt das doch: Ihr habt noch Zeit! Euch sind noch Jahre, Monate, Tage gegeben! Ihr dürft noch eine ganze Lebensspanne füllen, ausschöpfen, genießen und nutzen! Ihr habt noch Möglichkeiten, euch zu verändern, zu bessern, anderen Freude zu machen, Güte auszustreuen, das Glück zu sammeln, das darin liegt, für andere wichtig zu sein. Ihr seid eben - Gott sei Dank! - noch nicht tot, noch am Leben, habt noch Kraft, Geist, Liebe zu geben und zu empfangen! Und die anderen „ernsten“ Verse dieser Worte des Apostels? Haben die nicht genauso eine schöne, frohmachende Kehrseite? „Gott lässt sich nicht spotten“ - heißt das nicht: Er hört und sieht alles, was ich sage und tue. Er nimmt wahr, was ich kleiner Mensch in meiner Lebenszeit treibe. Er achtet auf mich, der ich doch ein Wurm bin vor den Augen des großen Gottes! Ich bin ihm wichtig, alles was ich bin und was ich mache bedeutet etwas für ihn. - Darf man es nicht auch so sehen? Oder das: „Was der Mensch sät, wird er ernten!“ - Es ist offenbar gar nicht gleichgültig, wie ich lebe, was ich erreichen will, woran ich glaube und. worauf ich baue. Was ich einbringe in mein Leben und in die Beziehung zu Gott und den Menschen bestimmt mit, was dann herauskommt! Welche Verantwortung ist mir da doch übertragen! Wieviel Verständnis für die Mitmenschen und für mich selbst ist mir zugetraut! Und noch das: „Irret euch nicht!“ - liegt hier nicht auch die Sorge Gottes darin, dass ich meinen Weg verfehle, dass ich in die falsche Richtung gehe, dass ich mein Leben versäume und nicht dort ankomme, wohin er mich führen will? Sorgt sich hier nicht auch der gute Hirte um die Schafe, die ihm lieb sind? Können wir nicht hinter diesem harten Wort der Mahnung geradezu das Herz des Vaters schlagen hören, der sich um uns ängstigt: „Irret euch nicht!“ Lauft doch - um Gottes willen - nicht dorthin, wo euch Gefahr droht, wo ihr verloren geht, wo der Tod auf euch lauert! Doch: Das hat alles auch eine andere Seite! Da sind auch immer sehr gute Absichten im Hintergrund. Wir sollten uns auch die Mahnungen Gottes anhören - und sie beherzigen! Es ist seine Liebe, die uns auch ernste Worte sagt. Läge ihm nicht an uns, dann würde uns sein Evangelium immer nur bestätigen: Ihr seid recht so! Alles, was ihr tut, ist in Ordnung! Macht nur so weiter! Nun aber liebt uns Gott, darum will er uns formen, seinem guten Willen über uns immer ähnlicher machen und am Ende ans Ziel bringen: Ins Leben. Darum warnt er uns. Darum hören wir seine mahnende Stimme. Darum wird die Verkündigung oft ernst und eindringlich. Wir sollten das recht verstehen: Als Zeichen der Liebe Gottes, als Siegel dafür, wie wichtig wir ihm sind! Liebe Gemeinde, das ist mir deutlich geworden über diesen ernsten Versen aus dem Galaterbrief: Wir sind meist zu schnell mit unserer Ablehnung! Wir sagen: „Geschimpfe, Gardinenpredigt, keine frohmachende Verkündigung“! Dann hören wir dahinter nicht mehr die werbende Stimme Gottes, erkennen nicht seine gute Absicht, sehen auch nicht sein sorgendes Gesicht... Übrigens: Untereinander halten wir's gar nicht anders: „Du willst mir immer jeden Spaß verderben“, sagt der Jugendliche zu seinem Vater. Warum spürt er nicht, dass es darum geht, Schaden abzuwenden, ihn vor Unfall und Gefahr zu bewahren? „Du musst immer an mir herumkritisieren“, nörgelt einer bei seinem Freund. Warum begreift er nicht, dass gerade die Kritik diesen Freund, ausmacht? Soll einer, der mich gern hat, mir immer nach dem Mund reden? „Von wem hast du das gehört; wer hat dir das erzählt“, fragte neulich einer seinen Nachbarn. Warum hat er es nicht bekannt: „Ja, es stimmt, was da erzählt wird...“ Warum hat er die Gelegenheit zur „Beichte“ nicht ergriffen, sein Verhalten ist ja wirklich nicht in Ordnung gewesen! Warum hat er nicht bemerkt, dass ihm der Nachbar helfen wollte, als er die Sache angesprochen hat. Und warum wird eigentlich immer nur gefragt, wer etwas verbreitet, nicht aber, ob das, was erzählt wird, denn nicht stimmt und vielleicht wirklich falsch oder gemein war? Doch, es ist unter uns genau dasselbe: Wir lehnen harte Worte vorschnell ab. Wir schauen nicht hinter das, was gesprochen wird. So sehen wir die Liebe nicht, die sich oft auch hinter Mahnung und harter Predigt verbirgt. - - - Aber was wollen uns diese Worte positiv sagen? Wozu wollen sie uns helfen? Wohin wollen sie uns führen?: „Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch, sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann...“ Was können diese Verse aus uns machen, wenn wir hinter ihnen einmal Gottes werbende Stimme hören und seine Liebe erkennen? Es ist eigentlich so einfach: „Fleisch“ und „Geist“ heißen die Gegensätze. Aufs Fleisch säen, führt zum Tod. Der Geist leitet uns ins Leben. Aufs Fleisch bauen die Menschen, die in Geld und Gut, in Haben und Besitzen, in Arbeit und Verdienst den Mittelpunkt ihres Lebens sehen. Ihre Zeit geht auf im Raffen und Schaffen. Sie wollen immer noch mehr und merken dabei gar nicht, wie ihnen das Leben durch die Finger rinnt wie Sand. Am Ende war der Ertrag der Jahre eben nur das Haus, das Bankkonto und wozu man es sonst noch gebracht hat... Aber vor dem Tod kann nichts davon bestehen. Das Haus oder mein Geld werde ich nicht mitnehmen können. Darum die Warnung: „Irret euch nicht! Wer aufs Fleisch sät, wird Verderben ernten!“ Auf den Geist setzen dagegen alle, die materielle Güter als nebensächlich betrachten. Solche Menschen haben andere „Dinge“ in die Mitte gerückt: Dass ich eine lebendige Gottesbeziehung habe zum Beispiel, dass ich täglich die Hände falte, um vor meinem Gott meinen Tag zu bedenken, dass ich Vertrauen und Güte in meiner Umgebung verbreite, dass sich andere an mir freuen und festhalten können, dass ich immer noch wachse an Erkenntnis Gottes und mein Glaube noch reicher und tiefer wird... Diese Haltung hat sogar vor dem Tod Bestand! Das Verhältnis zu meinem himmlischen Vater kann mir ja nichts und niemand nehmen! Sie wird im Sterben sogar noch inniger und wird dann kein Ende haben. Auch die Freude, die ich meinen Mitmenschen mache, wird mir ewig bleiben. Sie wird zu meinem Wesen gehören, wie sie hier schon zu mir gehört hat. Keine Tat der Güte wird je verloren sein. Alles ist bei Gott aufgehoben und behalten. Darum die Empfehlung: „Wer auf den Geist sät, wird ewiges Leben ernten! Darum, solange wir Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann!“ Liebe Gemeinde, ich wünsche uns heute, dass wir nicht mehr zu schnell ablehnen, was uns zu ernst, zu hart oder zu kritisch erscheint. Ich wünsche uns das im Blick auf Gottes Wort und auch im Verhältnis untereinander. Oft sind gut gemeinte Gedanken der Liebe hinter mahnenden und vielleicht gar schmerzhaften Worte verborgen! Darum wünsche ich uns, dass wir hinter den ernsten Worten des Paulus heute die werbende Stimme Gottes vernehmen, der nicht will, dass wir ihm verlorengehen, sondern uns ins Leben führen möchte. AMEN