Predigt am 5. So. nach Trinitatis - 1.7.2018 Liebe Gemeinde! Heute kann ich es wirklich einmal kurz machen. Die Predigt nämlich wird erst richtig nach diesem Gottesdienst beginnen. Und es wird an jedem selbst liegen, wie sie weitergeht oder besser, ob sie überhaupt in unserem Leben eine Wirkung hat. Hier ist eine kurze Geschichte aus dem Alten Testament, die uns aber einiges zumutet: Textlesung: 1. Mose 12, 1 - 4 Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog. Sicher kann man diese Geschichte auch so verstehen, dass sie uns zum Aufbruch aus unseren Häusern, unseren Dörfern/Städten in unserem schönen (Vogelsberg, Bergischen Land, Westerwald...) aufruft. Aber wer würde da folgen? Wir - und da schließe ich mich ausdrücklich ein - haben doch hier unsere Heimat, wir sind hier seit unserer Geburt oder mindestens einige Jahre sesshaft und verbunden mit dem Ort und den Menschen. Wir haben hier unser Zuhause. Wer könnte denn ernsthaft erwägen, von hier fortzugehen? Wer würde das schaffen? Und schließlich: Warum denn auch? Bei Abraham mag ja ein großer Sinn darin gelegen haben, sein Land, seine Heimat, seine Verwandtschaft zu verlassen. Er sollte ja Vater eines großen Volkes werden. Es hatte Gottes Verheißung, buchstäblich den Boden und die Beziehungen hinter sich zu lassen, die ihn bis dahin getragen haben. Aber so ist es doch bei uns nicht! Trotzdem hat die Geschichte sicher auch an uns einen Anspruch. Sie ist eine Zumutung, wie gesagt. Sie verlangt einen Aufbruch von uns, der nicht weniger schwierig ist, ja, ich denke manchmal, der noch viel schwerer fällt, als der, Haus, Hof, Arbeit und Nachbarschaft zu verlassen. Es ist der Auszug aus den festen Standpunkten, aus den überkommenen Gewohnheiten, aus dem ewig gleichen Denken, das den Mitmenschen keine Chance gibt, aus dem Verhalten anderen gegenüber, das keinen neuen Anfang macht oder gewährt, aus allem also, was bei uns hart, festgefahren, unbeweglich und starr ist. Nun hat Abraham sicher auch bei sich selber gedacht, was habe ich eigentlich davon, wenn ich meine Heimat hinter mir lasse. Leicht ist ihm das ja sicher auch nicht gefallen. Es war ja nicht so bei ihm, dass er bettelarm und ohne Habe und richtige Freunde sein Leben fristete. Im Gegenteil. Er war reich. Er hatte große Herden, eine riesige Verwandtschaft und viele gute Beziehungen. - Was also lässt ihn gehorchen? Zuerst einmal ganz gewiss, dass es Gott ist, der ihn ruft. Abraham hört Gottes Stimme. Und dieser Gott meint ihn, das weiß er. Aber dann wusste er auch, dass sein ganzes Leben, seine Bindungen, sein Haus und sein Besitz Geschenke dieses Gottes waren. Und das gab sicher den Ausschlag. Wenn dieser Gott ihn hieß, seine Heimat zu verlassen, dann konnte ihn nichts Schlimmes erwarten, dann müsste ein großer Sinn darin liegen, dann würde dieser Gott ihn auch begleiten und beschützen. Wir könnten nun zweifeln, dass Gott wirklich uns persönlich anspricht. Hören wir seine Stimme? Wo fordert Gott denn von uns neue Anfänge. Und welche Verheißung sollte denn für uns darin liegen, uns zu verändern und zu entwickeln, die inneren Orte aufzugeben, an denen wir heute noch sind und die wir nicht verlassen wollen? Ehrlicherweise müssen wir ja auch zugeben, dass wir mit unserem Leben überwiegend zufrieden sein dürfen. Wir haben auch viel erhalten. Wir sind auch reich Beschenkte. Aber genügt das, um nun einen Aufbruch zu wagen? Und - sprechen wir es nur aus: Wird sich das lohnen? Liebe Gemeinde, ich glaube, wir hören von diesem Gott nie etwas anderes als den Ruf, zu wachsen, zu reifen, uns zu entwickeln und von ihm formen zu lassen. Nehmen wir etwa das oberste Gebot für uns Christen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Was ist denn das anderes als ein Aufruf, uns immer wieder neu auf die Mitmenschen einzulassen, einzustellen, ihnen gerecht zu werden? Ist die Liebe denn nicht die Veränderung selbst? Muss die Liebe sich nicht ständig wandeln, erneuern, wachsen, um überhaupt Schritt halten zu können mit dem und mit denen, die wir lieben? Oder nehmen wir eine Geschichte wie die vom „Verlorenen Sohn“: Ist eine krassere Veränderung denkbar als die, von einem so Verkommenen, der sich aus dem Trog der Schweine ernährt, hin zum geliebten Kind, dem der Vater einen Ring an den Finger steckt, für das er ein gemästetes Kalb schlachten lässt und mit dem er ein Wiedersehensfest feiert? Welch eine Entwicklung! Will diese Geschichte denn etwas anderes von uns, als dass wir auch umkehren oder heimkehren, wenn wir uns verlaufen haben, dass wir feste Standorte verlassen, auch wegziehen von dort, wo wir heute vielleicht noch sind - wo wir aber doch nicht hingehören! Ein letztes Beispiel sollen die ungezählten Worte Jesu sein, die wir doch kennen und die uns doch auch - zumindest als Worte - gefallen: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid...“ - „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben...“ Oder wie es vorhin in der Schriftlesung (Lk. 14,25-33) hieß: Wer sich nicht lossagt von allem, was er hat und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. Soll sich das denn nur schön anhören? Sind das nicht alles Worte, die uns fordern, rufen, ziehen, in Bewegung, in Entwicklung, Wachstum und Veränderung bringen wollen? - Was ist, wenn es um das Hören, das Gehorchen geht? Nein, wir können das nicht anders sehen, als dass dies auch ein klarer Ruf an uns ist: Bewegt euch, entwickelt euch, brecht auf aus allem, was bei euch starr und verkrustet ist. - Was bei uns fest und erstarrt ist? Wie gesagt: Diesen Teil der Predigt müssen sie selbst schreiben oder sagen wir besser: leben! Aber so ein paar Hinweise will ich geben: Wie viele Beziehungen habe ich, die nicht dem entsprechen, wie es eigentlich sein sollte? Da herrscht Feindschaft zwischen Nachbarn oder gar Verwandten. Da wird seit Jahren geschwiegen, gemieden, die andere Straßenseite gewählt, wenn man einander sieht. Muss ich beschreiben, wie hier ein Aufbruch aussehen könnte? Oder wie festgelegt bin ich doch durch Gewohnheiten: Dies mache ich schon immer so! Das mache ich schon seit ich denken kann immer dann und dann! Ob ich damit nicht meinen Leuten auch schon immer auf die Nerven gehe? Ob sie dann und dann nicht den Atem anhalten müssen? Das hätte wohl auch etwas mit Liebe zu tun, wenn ich mich endlich von der einen oder anderen starren Angewohnheit verabschiede! Aber am schlimmsten ist wohl unser Denken: Die ist so! Der bleibt so! Die hat doch damals... Aus dem wird nie etwas. Von der kann ja auch nichts Gutes kommen. Da kann einer sagen, was er will... Wir legen andere fest. Und wir sind damit auch selbst festgelegt. Vielleicht schon seit Jahren. Vielleicht bis zum Ende unserer Tage - wenn wir nicht endlich aufbrechen! Und es geht. Es müsste gehen. Wir hören den Ruf. Und wir wissen, wer uns ruft: Der gute Gott, von dem wir unser Leben und alles, was uns ausmacht geschenkt bekommen haben. Sollte der uns nicht auch in eine gute Zukunft führen? Soweit ist das wie bei Abraham. Wir haben ihm allerdings noch eines voraus: Wir wissen, wie seine Geschichte mit Gott ausging! Bei ihm war es noch eine bloße Verheißung. Wir kennen die Erfüllung: Er wurde reicher beschenkt, als je zuvor. Er fand wieder eine Heimat. Er erfuhr die Freude gelungener Beziehungen und den Segen Gottes. Abraham hat sich auf den Ruf Gottes eingelassen: „Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.“ Ob wir auch hören? Ob wir auch folgen? Welches herrliche Land, welche gute Geschichte mit Gott und den Menschen uns wohl erwartet? Wann brechen wir auf? AMEN.