Predigt am 3. So. nach Trinitatis - 17.6.2018 Textlesung: 1. Jh. 1, 5 - 2, 6 Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat. Liebe Gemeinde! Vielleicht hätte ich mich um diesen Text drücken sollen, der uns zu predigen vorgeschlagen ist? „Sünde“ - das ist ein heikles Thema! Wer mag davon hören? Aber nun verbietet ja der Text selbst, sich um ihn herumzumogeln: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Wollen wir jetzt so tun, als hätten wir's nicht gehört? Wollen wir uns vormachen, es gäbe unter uns keine Sünde? Dann verfallen wir diesem Urteil: „Selbstbetrug“, „die Wahrheit ist nicht in uns!“ Ich glaube, das wollen wir auch nicht! Denken wir also über uns nach: Sprechen wir von der „Sünde“. Wir tun es ungern. Die Einzelbeichte, in der einer dem anderen seine persönliche Schuld bekennt, führt ein Schattendasein. Kürzlich fragte ein Konfirmand seinen Pfarrer, als über die Sakramente der katholischen Kirche gesprochen wurde: „Gibt es bei uns eigentlich auch ein Beichte?“ Der Pfarrer musste mit Ja antworten, dachte aber bei sich: „Wie wenig wird das doch in Anspruch genommen!“ Er erzählte den Konfirmanden dann etwas über die gemeinsame Beichte beim Abendmahl, wenn sich die ganze Gemeinde mit einem Ja zu ihrer Schuld bekennt und dann losgesprochen wird. Aber das ist doch etwas anderes: bei einem vielstimmigen Ja mitsprechen oder vor den Ohren eines anderen Menschen über die eigenen Sünden zu reden. Da wird's schwierig! Da haben wir Hemmungen. Warum ist das so? Warum - bei dir und mir ganz persönlich? Wie würden wir antworten? --- Einer weist vielleicht auf den Geist dieser Zeit: Alles ist doch nur Fassade! Es zählt, was einer rein äußerlich darstellt, sein Haus, sein Auto, seine Position, sein Ansehen bei den Leuten, sein Besitz, sein Bankkonto... Was du an inneren Werten mitbringst, interessiert doch keinen. Wenn's nur nach außen hin stimmt und alles proper ausschaut. Wie soll man denn da auf die Idee kommen, von seiner Sünde zu sprechen? Soll man denn aufdecken, dass etwas an uns nicht in Ordnung ist und dem äußeren Schein widerspricht? Ein zweiter deutet vielleicht auf religiöse Gruppen, die fast von nichts anderem reden als von Sünde. Vielleicht hat man ihn so viel und oft auf seine Sünden festgenagelt, dass er irgendwann die Gnade Gottes nicht mehr sehen konnte? Warum soll ich selbst auch noch davon reden, wie rettungslos schlecht ich bin? Ein dritter versucht's von der anderen Seite: Christus ist doch für unsere Sünden gestorben. Also zählt unsere Schuld doch nicht mehr. Warum sollten wir Sünden bekennen, die durch Christi Opfer schon vergeben sind? Eines steht aber fest: Wie immer wir reden, was immer wir uns an Ausflüchten einfallen lassen, uns alle quält unvergebene Schuld vor Gott und den Menschen! Der eine spürt das, wenn er mit angstvollem Herzen, mit äußerster seelischer Pein zum Abendmahl geht - und selbst da nicht froh werden kann. Ein anderer reibt sich auf damit - vielleicht seit Jahren - zu verbergen, was ihn belastet, was ihm die Tage vergällt und was er so gern loswürde. Dabei scheint es doch so einfach: „Wenn wir unsre Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt...“ Aber es ist nicht einfach! Am „Bekennen“ hängt es bei uns. Und am Er-kennen der eigenen Schuld, denn es heißt weiter: „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, so machen wir ihn zum Lügner...“ Wie kommen wir hier weiter? Johannes, der uns diese Worte geschrieben hat, ist auch Seelsorger. Er haut uns das nicht bloß um die Ohren - er hilft uns auch, dass wir's befolgen können: „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.“ Wir dürfen also davon ausgehen: Einer hat für uns bezahlt, gut gemacht - unser Schuldschein hängt an seinem Kreuz, was immer unsere Sünde ist. - Uns bleibt zweierlei zu tun: Erkennen und Bekennen! Warum sollst du dich nicht zu deiner Schuld stellen können - für die Jesus doch bezahlt hat? Warum sollst du nicht ja zu dir sagen können, wenn du nicht - noch nicht - mit Gott im Reinen bist? Warum hat Gott denn seinen Sohn gesandt und leiden und sterben lassen, wenn nicht um deinetwillen: Weil du Sünder bist!? Wenn du diesen Jesus dort am Kreuz hängen siehst, für dich und deine Schuld, fällt es dann wirklich noch so schwer, das zu erkennen und zu bekennen: „Ja, ich bin ein Sünder!?“ Du darfst ja doch gleich hinzufügen: Aber Jesus macht mich gerecht vor Gott! Und da sind wir beim Bekennen: Waren das nicht auch für sie die wichtigsten Gespräche in der Gemeinde, wenn wir uns gegenseitig unsere Schuld bekannt haben? Das fing vielleicht so an: Du, bei mir ist da etwas nicht in Ordnung... Oder so: Weißt du, was mich schon lange bedrückt...? Auch wir selbst haben schon so gesprochen. Keine Spur von Peinlichkeit kam da auf. Der Gesprächspartner war uns ja vertraut. Was soll daran auch peinlich sein, wenn Christen wie Christen reden? Jeder weiß doch für sich selbst: Ich bin auch kein großer Glaubensheld; ich habe auch meine kleinen und großen Fehler! Darum bin ich - wie mein Mitmensch - auf Vergebung angewiesen, eben ein Sünder wie alle Menschen. Jetzt mag einer denken: Das sind doch Sternstunden, wo wir - auch in der christlichen Gemeinde - solche „tiefen“ Gespräche führen. Zugegeben: Die Erfahrungen, die wir machen, sind vielleicht nicht ermutigend. Noch nicht. Aber es liegt auch an uns selbst, ob wir und unsere Umgebung uns immer mehr zur bekennenden Gemeinde entwickeln, die auch über das reden kann, was sie quält und belastet und die so herauskommt aus der Oberflächlichkeit. Die Schuld, die ich nicht ausgesprochen habe, bleibt ja doch bedrückend. Wenn ich sie nur immer verberge, ist sie ja nicht wirklich beseitigt. Ich selbst muss und kann das Gefängnis der Sünde aufbrechen. Mit Gottes Hilfe. Das Gebet ist so eine Möglichkeit: „Herr, mein Gott, ich bekenne vor dir, wo ich heute gesündigt habe in Worten und Werken...“ Aber eben auch das Gespräch untereinander: „Wie geht's?“, fragt uns einer. Warum nicht einmal so antworten: „Im Augenblick nicht so gut. Mich belastet da eine Sache sehr, wenn du ein wenig Zeit hast, würde ich dir gern davon erzählen.“ Ich weiß, da melden sich bei vielen Vorbehalte: „Aber, man kann doch nicht so einfach...“ - „Wer weiß, was der andere damit macht?“ - „Soll ich etwa vor andren Leuten...?“ Aber gibt es nicht auch genug Menschen, mit denen wir tagtäglich umgehen, die unser Vertrauen verdient hätten? Nur - wir machen halt nie den Anfang! Selbst vor unserem Ehepartner scheuen wir uns ja, über quälende Schuld offen zu reden! Noch einmal, liebe Gemeinde, es gibt für einen Christen keinen Grund, nicht zu seiner Sünde zu stehen. Wir sind alle Sünder und keiner - auch nicht einer! - hat das Recht, sich zu überheben und auf andere herabzublicken. Darum ist Jesus Christus in die Welt gekommen. Für jeden von uns. Wir müssen seitdem nicht mehr bei unserer Sünde stehenbleiben. Wir dürfen - um Christi willen - Gottes vergebender Liebe gewiss sein. Wir können unsere Schuld erkennen und bekennen - vor Gott und den Menschen. Und wir sollten endlich damit beginnen! Dann aber bleibt uns nur noch eines zu tun: Gott für seine Vergebung zu danken, mit unseren Worten, Taten, mit unserem ganzen Leben! Wenn jemand sündigt, so hat er einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. AMEN.