Predigt am Pfingstmontag - 21.5.2018 Textlesung: Eph. 4, 11 - 15 Und er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und Lehrer, damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Mann, zum vollen Maß der Fülle Christi, damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch trügerisches Spiel der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe. Liebe Gemeinde, wo ist denn Pfingsten in diesen Worten? Irgendwie sind wir doch auf bestimmte Gedanken und Bilder eingestellt, an solch einem Fest, auch wenn heute schon der zweite Feiertag ist. Hat es nicht beim ersten Pfingstfest ein Sprachenwunder gegeben? Haben die Jünger nicht auf einmal in allen Zungen der Welt sprechen können, so dass alle Menschen sie verstehen konnten? Ach, und das Feuer... Gab es nicht auf den Köpfen der Apostel Feuerflämmchen...und konnten daran nicht alle sehen, dass Gottes Heiliger Geist sie ergriffen hatte? Und gebraust soll es doch haben von einem großen Sturm, einem Wind, der alle Angst, alle Gefühle der Verlassenheit hinweggeblasen hat. „Wind“ - von dem wenigstens ist ja hier auch die Rede. Ja, ob es das ist: Die Verbindung zu Pfingsten, wenn es hier heißt: „...bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes...damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen...“ Zugegeben: Diese Beziehung zu Pfingsten ist etwas schwach, nicht sehr überzeugend. Trotzdem, solange wir nichts Besseres haben, wollen wir nicht diesen Gedanken ein wenig nachdenken? „...damit wir nicht mehr unmündig seien...“ Waren wir unmündig? Sind wir's noch? Ich muss da an so viele Menschen - auch in unserer Gemeinde - denken, die aus irgendeinem Grund meinen, sie wären von Gott und seiner Sache eigentlich gar nicht angesprochen und gemeint. Wie oft habe ich schon so etwas oder ähnliches gehört: „Meine Frau ist aber doch eine gute Kirchgängerin!“ Oder: „Was wollen Sie, meine Kinder sind getauft und konfirmiert und Kirchensteuer zahle ich auch seit über 40 Jahren!“ Und selbst so wurde schon gesprochen: „Ich habe schließlich eine Lektorin (einen Kirchendiener, einen Organisten...) in meiner Verwandtschaft, da werde ich doch gut vertreten!“ Ist das Mündigkeit? Antwortet hier ein Mensch mit dem eigenen Mund auf die Anrede Gottes: „Glaubst du an mich? Willst du mit mir dein Leben machen und gestalten?“ Nun könnten wir sagen (- und insgeheim denken wir doch so!): Was geht uns die Unmündigkeit der anderen Menschen an? Wir sind doch schließlich hier! Wir lassen uns doch von Gott fragen, ansprechen und antworten ihm doch auch - mit eigenem Mund! Ja, das stimmt. Aber das andere stimmt auch, dass wir nämlich mit Menschen in engster Gemeinschaft leben, die tun, als ginge sie Gott nichts an, die unmündig sind und sein wollen, so als erschöpfe sich der Christenglaube darin, dass man sich nicht gegen Taufe, Konfirmation und kirchliche Trauung stellt und brav seine Steuer zahlt. Und einmal ganz klar und deutlich gefragt: Finden Sie das richtig so? Genügt das vor Ihrer Auffassung von dem, was Glauben heißt? Und schließlich: Ist das gut, die Menschen so zu lassen, wie sie sind, eben unmündig, als wären sie nicht genau wie wir von Gott gerufen und müssten sich nicht auch einmal in ihrem Leben entscheiden, wie sie's mit Jesus Christus halten? Ganz und gar fragwürdig wird unsere Haltung zu diesen Menschen ja noch durch die Beziehung, die wir ansonsten zu ihnen haben: Da lieben wir einen Mann, eine Frau, teilen unser ganzes Leben mit diesem Menschen, aber was er glaubt und wer Jesus für ihn ist, interessiert uns gar nicht?! Da ebnen wir unserem Kind durch eine gute Erziehung und Bildung den Weg ins Leben, aber ob es einen inneren Halt hat, ob es von Gottes Liebe, seiner Verheißung und seiner Zukunft weiß, ob also sein Leben gelingt oder in die Irre geht, davon wollen wir nichts wissen? „...und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen...“ Auf den ersten Blick scheint das ja gar nichts mit dem zu tun zu haben, was wir gerade bedenken, aber nur auf den ersten Blick, denn es ist seltsam: Wie leicht glauben wir den Menschen, wenn sie ihre Meinung nur mit dem Brustton der Überzeugung vertreten! Wie rasch sind wir bereit, noch dem abwegigsten Gerücht auf den Leim zu gehen, wenn nur einiges an Sensation darin liegt! Und selbst ausgewachsene „Heilslehren“ dieser Zeit erreichen unser Herz oft viel leichter als der Ruf Gottes, der die Welt und uns selbst geschaffen hat und der uns all unser Leben lang mit seinem Ruf und seiner Liebe nachgeht. Und es sind wirklich meist genau dieselben Menschen, die in Dingen des Glaubens zurückhaltend bis gleichgültig sind, die auf der anderen Seite aber jede „Lehre“, jedes unnütze und trügerische Wort von Menschen aufsaugen, wie ein Schwamm. Und wir, wo wir nicht selbst mitmachen dabei, sind doch oft genug auch nicht Mahner und Warner, dass die anderen - unsere Liebsten, unsere Partner und Kinder - nicht falschen Gerüchten oder der Verführung fremder Heilsbotschaften aufsitzen. Beispiele? - Wie kann das sein, dass wir dazu schweigen und uns anscheinend gar nicht mehr daran stören, dass unser Sohn nur noch schafft und schuftet, um sich etwas „aufzubauen“, wie er sagt, auch wenn er dabei die Mitte seines Lebens, den Sinn und die Erfüllung, ja, seine Familie und sich selbst lange verloren hat? Und wie kann es sein, dass wir dem Gefährten unseres Lebens jahrzehntelang ohne Widerspruch durchgehenlassen, dass er buchstäblich sein „Heil“ mit dem Gedeihen, dem Wachstum und Erfolg seines Sportvereins verknüpft, während es uns scheinbar gar nicht stört, dass er Kirche, Glauben, Gott und alles, was unsere Seele betrifft, allein uns überlassen hat? Hören wir noch einmal, wie diese Worte weitergehen: „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe.“ Wäre das nicht wunderbar, wenn uns heute wie ein frischer Wind eine solche Liebe ergriffe!? Denn ist es nicht genau das, was uns fehlt: Dass wir nicht mehr aneinander- und zusammenhängen wie ein Glied am anderen, dass die Gelenke, die uns verbinden unbeweglich geworden sind und steif, dass wir einander nicht unterstützen, ja, nicht einmal genügend Interesse einer für den anderen aufbringen, dass wir ernsthaft fragen, wie es uns geht und uns ehrlich sorgen, was aus dem Mitmenschen werden soll? Ich will ja gar nicht sagen, dass wir die Verbindung zu unserem „Haupt“, Jesus Christus, verloren haben, das nicht. Aber wenn ein anderes Glied an seinem Leib leidet, in die Irre geht, die Beziehung mit ihm abgebrochen hat, dann macht uns das auch nicht gerade den Kummer, den wir doch empfinden müssten! Das Bild vom Haupt und den Körperteilen, das uns hier vor Augen gemalt wird, lässt da keinen Ausweg: Wir können nicht zufrieden sein, wenn nur wir mit Jesus verbunden sind! Es darf uns nicht genügen, wenn wir selbst ein Glaubensleben haben, solange noch Menschen, die doch für uns erreichbar sind, nur um Geld, Konsum und die Güter dieser Welt kreisen. Und schließlich entspricht es der Liebe nicht, die Jesus Christus zu uns hat - die können wir nämlich nicht in unseren Herzen verschließen, als wäre sie nur uns geschenkt! Die will, ja, die muss auch die anderen Glieder am Leib erreichen, sonst zeigen wir, dass wir nicht richtig zusammengefügt sind, wie es unseres Herrn Wille und Auftrag ist! Liebe Gemeinde, ich glaube, jetzt müssen wir es doch alle zugeben, dass diese Gedanken sehr viel mit Pfingsten zu tun haben! Nicht nur, weil hier von „Wind“ die Rede ist, sondern weil dies ein sehr pfingstlicher Gedanke ist, dass wir eins sind als Leib und eins im Geist Gottes! Gott schenke es uns, dass wir mehr und mehr durch seinen Heiligen Geist dahin kommen, dass wir von uns sagen können: Wir sind wahrhaftig in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus unser ganzer Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, und jedes Glied unterstützt das andere nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe. Frohe Pfingsten, liebe Gemeinde! AMEN