Predigt am Sonntag "Pfingsten" - 11.6.2000 Liebe Gemeinde! Pfingsten ist so ein Fest... Wenn wir ehrlich sind, dann haben wir mit ihm unsere Schwierigkeiten! Da ist es mit Weihnachten doch ganz anders! Da liegt ein kleines Kind in der Krippe. Da wird ein Mensch aus Fleisch und Blut geboren. Da geschieht etwas. Da sieht man und hört man etwas. Auch mit Ostern ist das noch viel besser. Erst stirbt einer am Kreuz. Dann finden die Frauen am Os- termorgen ein leeres Grab vor. Wenn wir dazu sicher auch viele Fragen haben - da entstehen doch Bilder vor unserem geistigen Auge, da kann die Phantasie arbeiten und sich etwas dazu vorstellen. Aber an Pfingsten? - Wie kann man sich dazu ein Bild machen? Der "Heilige Geist" ist doch unsicht- bar. Gewiß, Menschen haben versucht auch diesen Geist Gottes darzustellen...die Taube (auf unse- rem Taufbecken) oder Feuerflämmchen auf den Köpfen der Jünger... Aber wissen sie! Es bleibt doch schwierig. Vielleicht liegt darin ja auch der Grund, warum die Christen unserer Tage an Weihnach- ten und Ostern noch viel zahlreicher zur Kirche kommen, als etwa heute!? Wenn sie jetzt noch den Predigttext für diesen Pfingstsonntag hören, werden sie sicher noch einmal in diesem Denken bestätigt - und mir ging es genau so: Man versteht auch hier nicht viel. Auf An- hieb schon gar nicht. Aber so zwei, drei Gedanken sind schon drin, über die es sich zu reden und nachzudenken lohnt. Aber hören wir zunächst diesen etwas schwierigen, rätselvollen Text zu Pfings- ten: Textlesung: 1. Kor. 2, 12 - 16 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürli- che Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden. Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Denn "wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen"? Wir aber haben Christi Sinn. Wenn man das so hört, liebe Gemeinde, und wenn da dann doch wenigstens hängenbleibt, daß es geistliche und natürliche Menschen gibt, dann könnte man schon auf den Gedanken kommen, daß wir vielleicht unsere Schwierigkeiten mit Pfingsten und diesen Versen von daher haben, daß wir halt keine geistlichen Menschen sind! Hätten wir von diesem Fest und diesen Paulusworten sonst nicht mehr verstanden? Der natürliche Mensch vernimmt ja - wie es hier heißt - nichts vom Geist Gottes. Der geistliche Mensch aber kann alles beurteilen. Ja, ob das der Grund ist, warum wir so wenig von diesen Gedanken verstehen, daß wir eben nicht geistlich genug sind? Aber wenden wir uns dem zu, was wir verstehen: "Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist." Für mich ist das der wichtigste Satz in diesen Versen. Und den kann man auch begreifen! Ja, man kann geradezu den ganzen guten Sinn von Pfingsten daran deutlich machen und das will ich jetzt versuchen: Der Geist aus Gott sagt uns, was uns von Gott geschenkt ist! Der Heilige Geist lehrt uns begreifen, was wir an und mit Gott haben. Und noch einmal anders ausgedrückt: Bei uns kann es Pfingsten werden, wenn wir verstehen, daß wir nicht in dieser Welt und ihren Dingen aufgehen, son- dern aus unserer Beziehung zu Gott. Dadurch nämlich werden wir geistliche Menschen. Nun ist das immer noch sehr wenig plastisch. Vorstellen kann man sich dazu nicht viel. Das soll jetzt besser werden: Wir denken uns einmal einen Menschen aus unseren Tagen...nicht besonders reich, aber auch nicht arm...einen Menschen wie wir. (Ja, dieser Mensch, das könnten geradezu wir sein!) Dieser Mensch hat sein Haus, seinen Garten, sein Auto, seine Arbeit... Sein Leben ist durch Besitz und Konto gesichert und von den äußeren Voraussetzungen her, schön und gut zu nennen. Es fehlt an nichts... Doch halt, es fehlt an fast nichts, nur an dem Wissen fehlt es, daß dieser Mensch alles, wirklich alles, was er ist und hat, seinem Gott verdankt. Dieses Wissen hat er nicht! Nun könnte man dazu meinen: Das ist doch nicht so schlimm. Und ich möchte das jetzt auch nicht als schlecht oder verwerflich bezeichnen. Aber ich möchte ganz nüchtern zeigen, was von daher in diesem Leben geschieht und an Fragen und Problemen aufkommt - und das ist eine ganze Menge: Zuerst einmal lebt dieser Mensch eben nicht so "sicher", wie es von außen her den Anschein hat. Sein Hab und Gut kann ja durch irgendwelche Umstände ausgehen und aufgezehrt werden. Er müß- te ja nur krank werden oder pflegebedürftig. Dadurch kann einer ja heute leicht von Haus und Hof und jeglichem Besitz kommen. Dieser Mensch lebt also in einer ständigen Angst um sein Leben, um seine Zukunft. Er versucht diese Angst zwar nach Kräften zu unterdrücken und zu verdrängen, des- wegen schlägt er auch so gern mit Nichtigkeiten und billiger Zerstreuung seine Zeit tot - daß nur ja diese Angst nicht wieder nach ihm greift und ihre Macht über ihn ausübt und ihn beherrscht... Aber es ist auf Dauer ein aussichtsloser Kampf. Das weiß er insgeheim. Überdies fehlt ihm auch der Sinn im Leben. Wenn er sich fragte, wofür er eigentlich da ist, dann müßte er gestehen: "Ich weiß es nicht." Er würde das nicht sagen, aber er müßte es, wenn er ehrlich wäre. Und ganz gewiß kommt das von dem anderen her: Daß er eben nicht weiß, daß er sein Leben und alles andere von Gott geschenkt bekommen hat. Denn in diesem Wissen läge ja auch der Sinn des Lebens beschlossen: Wenn Gott mir das Leben schenkt, dann hat er doch auch eine Absicht da- mit und ein Ziel! Dann ist eben einmal nicht alles aus, sondern in Gott bewahrt in Ewigkeit... Eine dritte Schwierigkeit dieses Menschen - um nur noch diese zu nennen - er kennt die Freude nicht, und nicht das leichte, unbeschwerte Glück. In alles, was ihm geschieht und was er genießt ist der bittere Wermut gemischt, daß es nicht von Dauer sein kann, daß es schließlich dem Vergehen, dem Zerfall, dem Tod anheimfallen wird. Seinem Haus wird es so gehen, all seinen Sachen, und sei- nem Leben selbst ja auch. Das ist wie ein dunkler Schatten hinter seinen äußerlich lichten Tagen. Soweit dieser Mensch. Hören wir jetzt von einem Zweiten. Ihn näher zu beschreiben, können wir uns sparen, denn er ist dem ersten sehr ähnlich, er könnte geradezu sein Zwilling sein, wenigstens was das betrifft, was unsere Augen von außen an ihm sehen. Aber jetzt wird es auch anders, wenn wir nämlich tiefer blicken: Der zweite Mensch hat, was Paulus so ausdrückt: "Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist." Er weiß also, daß sein Leben und alles aus Gottes Hand herkommt. Das bestimmt sein Leben. Das prägt ihn in seinem Denken, Reden und Handeln. Er ist ein dankbarer Mensch. Er sagt Gott das auch im Gebet - jeden Tag! Und von daher kommt dann auch die Kraft, die Ängste des Lebens, die auch er kennt, zu besiegen - eben nicht nur zu verdrängen. Er würde das so ausdrücken: "Zuletzt hat mein Gott mich in seiner Hand. Aus der bin ich schon hervorgegangen bei meiner Geburt und in die werde ich einmal fallen, wenn ich sterbe." Das nimmt die Angst. Das ist wirklicher Trost. Und einen Sinn sieht dieser Mensch auch in seinen Tagen: Dieses Leben und alle seine Gaben mit anderen zu teilen, in ihm die Aufgaben Gottes und den Plan zu entdecken und nach Kräften zu erfüllen. Und Freude, Glück, Zufriedenheit... Alles das ist auch da! Ja, er würde sich einen glücklichen, begnade- ten Menschen nennen! Und mehr als das, muß doch keiner werden! Oder? Liebe Gemeinde, wenn nun der Sinn der Paulusworte heute wäre: Uns die Frage zu stellen, welchem Menschen wir gleichen? Ja, ob er das nicht meint mit dem natürlichen Menschen und dem geistli- chen? Und ob nicht vielleicht darin aller Sinn von Pfingsten beschlossen ist, daß uns Gottes Geist zu solchen geistlichen Menschen macht? "Wir haben den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist." Wenn es heute auch nur damit anfinge bei uns, daß wir dies erkennen: Alles sind und haben wir aus Gott! Ich glaube, das würde ein herrliches, ein gesegnetes Pfingstfest für uns. Denn damit hätten wir die bes- ten Voraussetzungen für ein geistliches Leben, ein Leben ohne Angst, mit Sinn und Ziel und mit Glück und Zufriedenheit... Liebe Gemeinde, ich wünsche ihnen von Herzen ein solches Pfingsten! Ich wünsche ihnen, daß sie - wie an Weihnachten und Ostern - etwas sehen, sich vorstellen und erleben können: Den guten Geist Gottes, der sie erneuert und froh macht, der ihnen vor allem diese Gewißheit schenkt und erhält: Wir leben aus Gott und alles was unser Leben ausmacht, kommt und ist aus ihm. Frohe Pfingsten!