Predigt an Christi Himmelfahrt - 10.5.2018 Textlesung: Offb. 1, 4 - 8 Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen. Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige. Liebe Gemeinde! Wissen Sie, was dieses „Amen“ heißt, das wir hier gleich zweimal lesen? - „So soll es sein!“ - Aber ist das denn die Wahrheit? Soll es so sein? Wünschen wir uns das wirklich: Dass er, Jesus Christus, kommt mit den Wolken und ihn alle Augen sehen? Schon der Prophet Johannes weiß ja etwas davon, dass es nicht allen angenehm sein wird, wenn unser Herr wiederkommt: „...es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde.“ Wir denken dabei sicher an die Menschen, die schuld sind an Jesu Tod, eben die ihn „durchbohrt haben“. Andererseits: Können wir uns da freisprechen? Ist Jesus Christus nicht für alle Menschen gestorben? Hat er sich nicht auch unsere Schuld auf den Rücken geladen und ans Kreuz getragen? Hat er nicht alle „erlöst von den Sünden“? Sicher werden wir dazu ja sagen. Doch, so ist es! Damals auf Golgatha starb er für alle Menschen. Alle haben wir ihn mit durchbohrt durch die Nägel unserer Bosheit, die Spieße unseres verkehrten Lebens. Keiner ist ja ohne Fehl. Alle hätten wir Grund zum „Wehklagen um seinetwillen“! Nun wissen wir aber auch etwas von der Vergebung, die aus seinem Tod entsteht. So können wir uns sicher sagen: Wir müssen seine Wiederkunft nicht fürchten. Wer ihm vertraut, wer sein Opfer für die Sünde und Schuld seines Lebens annimmt, der darf ihn getrost erwarten. Er hat das Lösegeld bezahlt. Wir können ihm froh und voller Hoffnung entgegensehen. Wir könnten... Aber ich frage mich da noch etwas anderes, wenn ich hier zweimal lese: Amen...so soll es sein! Ganz abgesehen von allen Gedanken um Schuld und Vergebung, um Opfer und Erlösung... Würden wir uns wirklich freuen, wenn er bald käme? Erwarten wir unseren Herrn tatsächlich so sehnsüchtig, wie es hier den Anschein hat: Amen, so soll es sein! Das ist jetzt die Frage, wie gut, wie behaglich und komfortabel wir uns in dieser Welt eingerichtet haben. Und es ist die Frage, ob wir überhaupt noch glauben und damit rechnen, dass unser Herr wiederkommt und diese Welt ein Ende hat, das er uns setzt und nicht das Alter oder die Krankheit, und damit der persönliche Tod, der uns früher oder später einholt. Und nicht zuletzt ist das die Frage danach, wie ernst wir eigentlich das Bekenntnis unseres Glaubens nehmen, ob wir das bewusst oder gedankenlos mitsprechen, wenn es darin heißt: „...aufgefahren in den Himmel, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.“ Nun könnten wir ja sagen: Wir sprechen so manches mit in unserem Glaubensbekenntnis, im Vaterunser und in den Liedern des Gesangbuchs, die wir in unseren Kirchen singen. Wer wird das alles so genau nehmen und auf die Goldwaage legen? Außerdem: Haben nicht schon die ersten Christen nach Ostern und der Himmelfahrt unseres Herrn darauf gewartet, dass er „wiederkommt“? Ja, war es ihnen nicht so verheißen: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ (aus Schriftlesung: Apg. 1,3-4 (5-7) 8-11). Und ist er wiedergekommen? Hat er die Verheißung erfüllt? - Oder warten wir nicht immer noch - und das seit bald 2000 Jahren!? Sollen - und können - wir also an die Wiederkunft glauben? Hätten wir nicht mehr Grund zu sagen: Das wird nicht mehr geschehen? Aber der Reihe nach: Haben wir uns nicht wirklich sehr gut – vielleicht zu gut! - eingerichtet in dieser Welt und unserem Leben? Wo soll er denn herkommen, der Wunsch, dass Jesus wiedererscheint auf den Wolken des Himmels? Das wäre ja das vorzeitige Ende eines Lebenslaufs, der doch noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte dauern könnte - nach unserem Willen. Es ist ja doch nicht gar so schlecht und unerträglich, unser Leben…mit all dem Luxus und den vielen Annehmlichkeiten, die es uns schenkt. Ja, wenn einer von den Armen, den Hungernden gar, auf der anderen Seite des Globus, sich nach Christi Wiederkunft sehnte, das könnten wir verstehen. Aber bei uns, für uns? Apropos „verstehen“: Sicher kann man das gut verstehen, wenn wir nicht in dem Maß auf das Erscheinen Jesu Christi warten und hoffen, wie es andere tun, die doch ganz offensichtlich zu kurz gekommen sind, vom Schicksal nicht so begünstigt wie wir, die doch nur gewinnen könnten und nicht verlieren, wenn so plötzlich alle Geschichte an ihr Ende käme. - Aber, liebe Gemeinde, offenbart unser „Verständnis“ nicht auch eine falsche Sicht, die wir nicht „verstehen“ können, ja, nicht „verstehen“ dürfen!? Geht es denn bei Christi Wiederkunft nur um die weltlichen Güter, die wir dann „verlieren“? Ist das denn alles, dass wir vielleicht, wenn die Posaune erschallt, nackt und ohne unseren materiellen Besitz dastehen? War da nicht noch etwas anderes an unserem Christenglauben und in unseren Herzen, als unser Kreisen und Denken um Haus, Auto und Bankkonto? Haben wir es vergessen, dass wir an ein Leben nach dem Tod glauben? Haben wir vergessen, dass uns Christen etwa die Gerechtigkeit für alle Menschen immer ein wichtiges Anliegen war? Haben wir vergessen, dass uns die Werte Liebe, Glaube, Hoffnung, Treue, Geschwisterlichkeit als Christen in unser Stammbuch geschrieben sind von unserer Taufe an? Anders gesagt: Wir sprechen und singen doch im Glaubensbekenntnis, im Vaterunser und in den Liedern des Gesangbuchs nicht nur von Christi Wiederkunft, sondern auch vom „Ewigen Leben“, auf das wir zugehen. Wir bitten, dass „sein Reich komme und sein Wille geschehe“ und stimmen es aus voller Brust immer wieder gern an: „Er ist dein Licht, Seele, vergiss es ja nicht!“ (Eingangslied: EG 317,1-5) Aber haben wir es nicht längst vergessen und sind wir nicht dabei, mit den Gedanken um Christi Wiederkunft auch manche anderen Werte und Ziele abzutun, ja, leichthin wegzuwerfen? Aber jetzt zu der anderen Frage: Sollen - und können - wir nach bald 2000 Jahren - überhaupt noch an die Wiederkunft Christi glauben? Hätten wir nicht allen Grund zu sagen: Das wird wohl nicht mehr geschehen? Liebe Gemeinde, teilt die Hoffnung auf Christi Wiederkunft das nicht mit anderen Hoffnungen, die wir uns machen, dass wir doch auch unsere Zweifel haben, ob sie je noch eintreten? Wenn ich etwa hoffe, dass ich irgendwann eine Million im Lotto gewinne, dann lasse ich mich auf eine Wahrscheinlichkeit von Eins zu -zig Millionen ein! Und doch hoffe ich! Oder wenn wir an einer unheilbaren Krankheit leiden und doch täglich beten, Gott möge uns gesundmachen - ist das nicht auch Ausdruck einer Hoffnung, deren Chance auf Erfüllung gleich null ist? Und doch beten wir so! Außerdem - und das ist vielleicht das Wichtigste! - hat noch die geringste, unerfüllbarste Hoffnung eine Wirkung, die ganz entscheidend ist: Sie hält nämlich in uns den Gedanken wach, dass da noch etwas aussteht, dass wir mit diesem Leben in Luxus und Kurzweil, in dem wir an Dingen und Gütern weiß Gott keinen Mangel haben, doch noch auf etwas warten: Dass nämlich Christus wiederkommt, dass Gottes Reich anbricht, in dem Gerechtigkeit wohnt, dass all unsere Fragen beantwortet und unsere Zweifel dem Schauen weichen müssen. - Menschen die noch darauf hoffen, leben einfach anders als die, deren Wünsche und Erwartungen mit dem Bisschen Leben zwischen Geburt und Tod - in Saus und Braus und ohne ein Vergnügen auszulassen - schon erfüllt sind. Sie leben anders, sie handeln anders, sie beten anders und sie glauben anders. Liebe Gemeinde, lassen wir uns die Erwartung und die Hoffnung nicht nehmen! Amen. Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen... Ja, Amen. Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt... Es liegt viel daran, dass wir noch hoffen und darauf warten, dass Jesus Christus wiederkommt. Es ist damit verbunden, dass wir nicht zufrieden sind mit dem Leben, wie es ist - besonders wie es für Millionen anderer Menschen ist, die nicht einmal satt zu essen haben. Der Gedanke, dass noch etwas aussteht, noch nicht erfüllt ist, könnte uns anspornen, mehr als bisher auch deren Los und Schicksal vor Augen zu haben und mit denen unseren Überfluss zu teilen, die in dieser Welt wahrhaftig „zu kurz gekommen“ sind. Gottes Reich wird einmal beginnen - mitten in dieser Welt, für alle sichtbar und so, dass alle Gerechtigkeit und Liebe erfahren. Christus wird wiederkommen! Es wäre gut und stünde uns als seine Leute, die seinen Namen tragen, gut an, wenn er uns bei der Arbeit fände, seiner Sache schon hier und heute nach Kräften zu dienen. - AMEN! Ja, so soll es sein!