Predigt am Ostersonntag - 1.4.2018 Liebe Gemeinde! Bestimmt sind wir an diesem Ostermorgen auch hierhergekommen, ein wenig Osterfreude zu finden. Alle Lieder und Lesungen heute sprechen ja von ihr. Nur: Ob wir sie dann auch gleich fühlen können? Werden wir denn froh, nur weil uns heute Morgen einer zuruft: „Freuet euch!“ Wird unser Leben neu, bloß weil es heute heißt: „Der Herr ist auferstanden!“ Die Fröhlichkeit hat es schwer bei uns. Sie sucht einen Weg zu unserem Herzen. Sie kommt aber nicht durch: Da sind so viele trübe Gedanken aufgetürmt. Da liegen noch die Steine der Trauer und der Resignation vor den Gräbern unserer Hoffnungslosigkeit und Angst. Der Herr mag auferstanden sein - wir noch nicht. Er mag die Gruft verlassen haben - unsere Freude liegt noch unbewegt und kalt da. Wer erlöst sie? Wer ruft sie heraus aus der Starre und dem Dunkel unseres Herzens? Heute sind uns für die Predigt ein paar wunderschöne Verse verordnet. Ein Stück aus dem Alten Testament. Der Lobgesang der Hanna. Auch sie singt von Freude. Sie hatte Gott um ein Kind gebeten - und er hat es ihr geschenkt. Nun lobt sie Gott und dankt ihm voller Glück! Aber was sie singt, spricht nicht nur von Freude und Fröhlichkeit. Es zeigt auch, wie Freude in eine Seele kommt. Wie ihr Keim gelegt wird und sie wachsen kann. Und wie sie schließlich hervorbricht aus dem Gefängnis, in dem wir sie in unserem Inneren verschlossen haben. Hören wir auf den Lobgesang der Hanna. Und achten wir darauf, wie in ihm die Freude entsteht und groß wird. Textlesung: 1. Sam. 2, 1 - 2. 6 - 8a Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er hat die Erde darauf gesetzt. Haben Sie das gespürt: Wie hier die Freude zu tun hat mit dem, was war und was nun ist? Hanna singt so fröhlich, weil sie unfruchtbar war und nun Mutter geworden ist. Sie hat erlebt, dass böse Lästerzungen sie geschmäht haben - und jetzt müssen alle staunen. Sie musste sich schämen - es galt ja als eine Strafe Gottes damals, keine Kinder zu haben - nun kann sie den Kopf hoch tragen. Sie war wie tot gewesen in ihrer Schande - jetzt ist sie lebendig geworden, kann rühmen und jauchzen. Sie fühlte sich wie die Ärmste der Frauen - nun ist sie reich und gesegnet. Sie lag im Staub ihres Kummers - nun ist sie emporgehoben ans Licht und in die Sonne. Die Freude Hannas kommt aus der Erinnerung. Ihre Fröhlichkeit sieht, was gewesen - und was jetzt ist. Der Boden, auf dem hier ein frohes Herz wachsen kann, ist, dass ein Mensch sieht und wahrnimmt, was ihm geschenkt wurde, was aus seinen Befürchtungen geworden ist, wie seine Ängste guten Erfahrungen weichen mussten. - Wie steht das bei uns? Ob hier eine Spur zur Freude führt? Vielleicht gibt es da ja heute bei uns ganz persönliche Erlebnisse der letzten Zeit: Einer war lange krank und es geht jetzt wieder aufwärts. Eine musste durch Wochen tiefer Depression und jetzt kann sie wieder lächeln. Und noch einer hat sich Sorgen machen müssen, um die Gesundheit oder das Leben eines lieben Menschen, und nun ist doch wieder Hoffnung. Ganz gewiss sind viele heute Morgen hier, die ganz unten waren in den vergangenen Wochen und Monaten - aber sie wurden emporgehoben aus dem Dunkel, heraufgezogen ans Licht, befreit aus dumpfen Befürchtungen und Ängsten. - Das sehen, das wahrnehmen, könnte die Freude keimen lassen! Aber wir dürfen auch auf unser Leben insgesamt schauen. Müssen Sie nicht auch manchmal so denken: Warum eigentlich bin ich auf dieser Seite des Globus geboren worden? Hätte es nicht auch ganz anders sein können? Warum hatte ich diese Eltern, die mir die Kindheit bieten konnten, die ich hatte? Dass ich eine Schule besuchen durfte - welches Glück! Dass ich eine Ausbildung haben konnte - wie gut! Dass ich einen Arbeitsplatz habe, diesem Menschen begegnet bin, den ich liebe und der mit mir lebt, dass ich Kinder habe, Enkel, Freunde, gute Nachbarn...alles, alles Gründe zum Danken! Alles Gnade! Das könnte doch auch ganz anders sein. - Das erkennen, das nicht nur einen kurzen Gedanken lang in sich aufnehmen, nein, von daher zu leben, zu loben und zu danken...das wäre die Freude in unserem Herzen. Da würde sie wachsen, Früchte tragen, unser ganzes Leben durchziehen und verwandeln. Aber das Wichtigste steht noch aus: Da gibt es doch auch jene unter uns, die sich noch an eine Zeit in ihrem Leben erinnern können, da sie der Sache Gottes, dem Glauben an ihn und dem Vertrauen auf ihn nicht so nah waren wie heute. Gewiss: Ohne Zweifel sind wir auch heute nicht. Es gibt die Stunden, in denen uns alles dunkel erscheint und wir uns fragen, warum uns Gott das schickt, das auferlegt, er, den wir doch den lieben Gott nennen, den gütigen Vater seiner Menschen. Aber da müssen wir auch wieder die andere Seite sehen: Der wunderbare Augenblick, wenn nach einer durchwachten Nacht plötzlich wieder die Hoffnung da ist. Wenn wir eine Geborgenheit spüren nach den Tagen voller Hetze und Unruhe und wissen nicht woher. Dieses unvergleichliche Gefühl im Leben - und noch im schwersten Leben - bewahrt zu sein, beschützt und erlöst für die Ewigkeit. Ist das nicht ein unermessliches Geschenk, glauben zu dürfen!? Kennen wir nicht viele, die es nicht können. Wissen wir nicht, wie sie im Grunde daran leiden, selbst wo sie spotten und lästern? Aber es gibt unter uns auch die anderen, die in den Glauben der Christen schon ganz früh haben hineinwachsen dürfen. Sie werden es sich schwerer vorstellen können, wie das wäre, ohne das Geländer des Glaubens, an dem sie heute und schon allezeit gehen. Aber man kann es sich vorstellen! Schauen wir doch nur, wie viele Menschen - ganz in unserer Nähe - nicht beschenkt sind mit dem Vertrauen zu Gott, von dem wir schon seit unserer Kindheit leben und zehren. Wie muss das sein: Kein Ohr zu kennen, das mich in meinem Gebet hört. Kein Herz zu wissen, an das ich mich flüchten kann, wenn die Angst groß und mein Mut klein wird. Keine Aussicht haben auf ein „Drüben“, auf ein anderes, besseres Leben, in dem alles zur Vollendung kommt und meine Fragen Antwort finden. Keine Hoffnung haben, keinen Glauben. Nur das kalte Nichts vor Augen. Das sehen, das einen Moment denken und sich zu Herzen nehmen, müsste die Freude in uns fördern und befreien. Sind wir nicht alle zusammen und jeder auf seine eigene Weise begnadete, mit Geschenken Gottes überhäufte Leute. Kommen wir nicht alle her von einer Zeit oder einem Leben, in dem das nicht - noch nicht - so war? Gleichen wir also nicht der Hanna, die da singt, ja, singen muss: „Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.“ Ich wünsche uns, dass wir das aus einem reichen, fröhlichen Herzen aufnehmen und mitsprechen können. Dann haben wir die Osterfreude gefunden. Dann haben wir auch die Auferstehung Jesu Christi erfahren. Dann nämlich ist er auferstanden aus den Gräbern der Resignation, Mutlosigkeit und Angst zur österlichen Freude - nicht damals, sondern heute, nicht irgendwo, sondern mitten in uns! AMEN