Predigt am „Karfreitag“ - 30.3.2018 Liebe Gemeinde! Es ist nicht einfach am Karfreitag zu predigen. Da sind Gedanken vorgegeben, über die wir nachdenken sollen und nachdenken müssen, die wir aber gern vermeiden. Da geht es um Sünde und Schuld, um Schmerzen, Leid und Tod... Wer hört davon schon gern? Andererseits sind wir ja nun am Karfreitag in unsere Kirche gekommen. Ich kann das nicht anders verstehen, als dass wir uns also doch diesen dunklen, unangenehmen Gedanken aussetzen wollen. Wer heute „nur“ zum Abendmahl wollte, der hätte sicher bis zu einer anderen Gelegenheit gewartet. Hören wir also den Predigttext zu diesem Karfreitag. Er steht im Hebräerbrief im 9. Kapitel: Textlesung: Hebr. 9, 15. 26b - 28 Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen, sonst hätte er oft leiden müssen vom Anfang der Welt an. Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für alle Mal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil. Da sind wir ja nun bestätigt: Das war wirklich ein Karfreitagstext! Da war alles drin: Sünde, Opfer, Leiden, Tod... Alle die wenig angenehmen Gedanken. Aber es war auch noch etwas anderes zu hören - am Ende dieser Verse, das weist schon hinüber nach Ostern: Vom Wiederkommen Jesu und vom Heil... Aber der Reihe nach: Ob wir nicht einmal diese Verse durchgehen und uns auch auf die weniger schönen Dinge einlassen? Wir würden damit sozusagen eine Geschichte des Heils entwerfen, das Gott uns schenken möchte, und wir würden vielleicht seinem Erlösungsplan mit den Menschen auf die Spur kommen. Denn es sind sehr grundlegende, sehr große Worte, die wir eben gelesen haben. Sie sind allerdings auch sehr lehrhaft und wenig plastisch und praktisch. Ich möchte darum diese Heilsgeschichte der Menschheit in eine Geschichte der Erlösung eines Menschen verwandeln. Vielleicht beginnen da diese großen Worte deutlicher mit uns zu reden. Dieser Mensch, von dem ich jetzt spreche, könntest du sein....oder ich... Der Mensch, dessen Geschichte ich erzähle, ist noch sehr jung. 13 oder 14 vielleicht. Ja, lassen wir ihn demnächst konfirmiert werden. Er hat Glück gehabt, dieser junge Mensch. Schon die Mutter hat ihm in der Kindheit von Gott gesprochen. Die Feste der Kirche wurden auch zu Hause, in der Familie gestaltet und gefeiert und nicht nur als Tage zum Ausschlafen und Faulenzen begangen. Und an seinem Bett wurde abends gebetet. Damit hat er ein gewisses Urvertrauen eingepflanzt bekommen: Er weiß seitdem, dass eine gütige Macht über ihm ist, dass er behütet und geführt durchs Leben gehen darf. Gute Voraussetzungen also, die dieser junge Mensch mitbringt. Glück gehabt - wie gesagt - denn das ist heute selten. Unser junger Mensch weiß also in seinem Herzen, noch bevor ihm einer die Dinge des Glaubens für den Kopf erklärt hat, dass wir vom Vertrauen leben und leben können. Er hat erfahren, dass es nicht auf irgendwelche Leistungen ankommt, die er selbst erbringt. Er hat erlebt, dass er ohne jedes persönliche Verdienst geliebt wird, ernährt, beschützt und umsorgt. Seine Seele hat Gott kennengelernt als den Vater, bei dem wir geborgen sind, in dessen Nähe uns nichts fehlt und nichts geschehen kann. Welch einen großen Schatz bringt dieser junge Mensch schon mit in seinen Konfirmandenunterricht! Dort bekommt nun dieses noch ganz unausgeprägte Wissen um Gott und den Glauben seine Form und seine Ausprägung. Er begreift nun auch mit dem Kopf, was sein Herz schon immer gespürt hat. Er hört (wie wir es heute Morgen gehört haben!): Jesus Christus ist das Opfer für die Sünde, die Übertretungen der Menschen. An ihm sucht Gott heim, was wir an Frevel, an Bosheit und Schuld anrichten und auf uns laden. Es gibt für uns also nichts zu verdienen, nichts vorzuweisen, nichts, auf das wir pochen könnten, wenn wir im Gebet vor Gott treten, nichts, was irgendwelchen Lohn verdient hätte. Lohn gebührt allein Jesus Christus, der unschuldig für andere den Tod gelitten hat. Unser Vertrauen kann sich also nicht auf unser eigenes Handeln und Verdienen richten, sondern allein auf das, was Gott uns mit seinem Sohn geschenkt hat und uns im Glauben zurechnet. Aber es kommt so doch auch noch etwas neu zu dem, was der junge Mensch immer schon in seinem Inneren gewusst hat: Eben dass dieser Jesus Christus auch die Sünde vergibt, auch die Schuld aufhebt und die Strafe dafür, und dass dieser durch sein Opfer den Tod, für uns besiegt hat. Davon hat er in seiner Kindheit noch nichts geahnt. Denn die Kindheit ist ja eine noch recht „unschuldige“ Zeit. Jetzt aber muss er es hören, lernen und hoffentlich verstehen! Denn wenn der Mensch älter wird, wächst er hinaus aus der Unschuld der ersten Jahre. Die Versuchung kommt. Die Wünsche. Die Begierde nach Besitz, nach Macht und Geld. Der Neid, der Geiz, die Ichsucht... Jetzt mag im Herzen dieses jungen Menschen noch das Wissen hinzutreten: Selbst wo du Schuld auf dich lädst, selbst wo böse Taten und Gedanken von dir ausgehen, auch wenn du Gott und den Menschen mit deinem Reden und Handeln Kummer machst - es gibt Vergebung, du darfst immer wieder neu anfangen. Und es gibt Erlösung: Am Ende des Lebens - das Leben! Um Christi willen! Das alles „weiß“ jetzt unser junger Christ: Mit dem Vertrauen auf Gott, wie es schon in der Kindheit gewachsen ist, kann man leben. Mit dem Vertrauen auf Christus, den Sohn Gottes, kann man selbst in Schuld und Verfehlung neu beginnen. Dieses Vertrauen reicht über den Tod und das Sterben hinaus. Wenn Gott mich einmal fragt, worauf ich mich verlassen habe in der Zeit in dieser Welt, dann darf ich auf den Gekreuzigten weisen und sagen: Auf ihn allein. Und wenn er mich fragt, warum ich das Leben der Ewigkeit geschenkt haben möchte, dann soll ich sprechen: Um seinetwillen! Liebe Gemeinde am Karfreitag! Soweit ist unser junger Mensch jetzt. Bis dahin ist seine Geschichte des Glaubens heute gediehen. Weiter kann ich nicht erzählen. Weiter können wir nur vermuten und wünschen, hoffen und beten. Aber auch das kann und will ich ganz plastisch und praktisch tun. Vielleicht wird das Leben dieses jungen Menschen einen glücklichen, geraden Verlauf nehmen. Wünschen wir ihm dann, dass er nie vergisst, wer ihm alles gegeben hat, was er an guten Gaben mitbringt und wer ihm täglich neu alles schenkt, was er zum Leben nötig hat. Und hoffen wir für ihn, dass er nie übermütig wird, nie stolz und anmaßend und irgendwann meint, er könnte sein Leben selbst machen und was er hätte, wäre „verdient“ und nur der rechte „Lohn für seine Mühe“, sein Schaffen und Schuften. Und wünschen wir ihm schließlich auch das: Die Demut bei allem, was er redet, denkt und tut, dass er auch seine Schwächen einsehen, seine Fehler erkennen und seine Sünde vor Gott Schuld nennen kann. Denn so - und nur so - würde in seinem Leben erfüllt, was uns die Verse für diesen Karfreitag nahebringen wollten: „Christus ist einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.“ Hoffen und wünschen wir für unseren jungen Menschen, dass er nie vergisst, warum Jesus Christus in diese Welt kam. Hoffen und beten wir, dass er nicht aufhört, auf den zu warten, der wiederkommen wird, denen, die ihn nicht verlassen haben und das Vertrauen auf ihn allein nicht haben fahren lassen, das Heil und das Leben in Ewigkeit zu schenken. Liebe Gemeinde, hoffen, wünschen und beten wir aber auch für uns selbst, denn - wie gesagt - die Geschichte, die ich erzählt habe, war auch deine und meine. So will Gott uns erlösen: Durch das Opfer Jesu Christi am Kreuz will er die Sünde wegnehmen... Wie sehr wünsche ich uns, dass wir unser Vertrauen allein darauf setzen! Wie sehr hoffe ich, dass wir allein auf diesen Jesus Christus bauen und warten - bis er wiederkommt! AMEN