Predigt am „Gründonnerstag“ - 29.3.2018 Textlesung: 1. Kor. 10, 16 - 17 Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben. Liebe Gemeinde! In diesen zwei Versen geht es um die Gemeinschaft der Christen. Und in unserem Gottesdienst heute Abend auch. Und mehr als sonst! Denn heute werden nicht einige vor dem Abendmahl nach Hause gehen, sondern wir bleiben alle zusammen. Wir werden den Kelch segnen. Wir werden das Brot brechen. Wir werden deutlicher und hoffentlich beglückender als sonst erfahren, dass wir zusammengehören, dass wir die Gemeinschaft des Leibes Christi bilden, die hier besprochen wird: „So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ Wenn wir das einmal ganz nüchtern betrachten, machen wir diese Erfahrung heute nicht mehr so oft. Irgendwie ist diese Zeit ganz anders ausgerichtet. Die Menschen ziehen sich immer mehr zurück in die eigenen Vierwände, ins Private, in die kleine heile Welt zu Hause, in der Familie oder auch nur des eigenen Lebens. Man lebt individuell, Selbstversorgung ist angesagt, der Single-Haushalt liegt im Trend, um nur einmal drei Stichworte unserer modernen Zeit aufzunehmen. Jeder hat auch alles. Der Nachbar und die Nachbarschaft früherer Tage sind gar nicht mehr vonnöten. Nur: Ob das gut ist? Aber das muss ich ja gar nicht fragen. Wir wissen: Es ist nicht gut! Viele Menschen sind krank daran, dass sie keine Kontakte mehr nach außen haben. Der Tod der Beziehungen bringt auch den Tod der Lebensfreude und Erfüllung mit sich. Man kann es ganz einfach so sagen: Wer nur für sich lebt, der kann nicht mehr menschlich leben. Jeder braucht Wärme, Zuwendung, andere Menschen, für die er da sein kann und die für ihn da sind. Und schlimm, wenn einer das entbehren muss, weil er gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, unter die Leute zu gehen und am Leben der Mitmenschen Anteil zu nehmen. Oft ist die Gemeinschaft wohl auch durch Probleme in den Beziehungen ge- oder zerstört. Vielleicht hat es Streit gegeben. Vielleicht hat ein Missverständnis das Miteinander getrübt. Vielleicht schafft man auch einfach nicht den Anlauf, die Beziehung erstmals oder wieder aufzunehmen. Schließlich steht oft auch echte Schuld zwischen den Menschen. Und es mangelt auf der einen Seite an Reue und auf der anderen fehlt die Bereitschaft zu vergeben. Ich habe heute ganz bewusst als Lesung am Altar die Geschichte vom letzten Abendmahl Jesu ausgewählt. Da liegt eine Menge drin, was uns helfen könnte, die Gemeinschaft wieder zu gewinnen, zu fördern oder wieder herzustellen. Und dass wir daran interessiert sind, glaube ich fest. Denn wir sind heute in einen Gottesdienst unserer Gemeinde gekommen, in dem die Gemeinschaft des Abendmahls für alle gelten wird, die jetzt hier sind. Und wenn wir in unserem Dorf, wenigstens in unserer Umgebung wieder einmal einen Anstoß geben, wenn wir auch nur mit einem Menschen aus unserer Nähe die Gemeinschaft wieder suchen, das wäre wie ein Stein, der ins Wasser fällt und Kreise zieht. Es sind mindestens drei Dinge, die wir am letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern über die Gemeinschaft lernen können. Das erste ist dies: Jesus hätte ja nun wirklich andere Gedanken im Kopf haben können, so kurz vor seinem Tod, den er ja vor Augen hatte. Aber er will das Passahmahl halten! Er will die gute alte Tradition nicht abreißen lassen. Er will noch einmal mit seinen Jüngern zusammen sein, feiern und Gemeinschaft haben. Was uns daran aufgehen könnte? Dass es wichtig ist, die Traditionen festzuhalten, die ja auch uns vorgegeben sind. Sei es die Feier des Geburtstages, eines wichtigen frohen oder auch traurigen Ereignis' in unserem Leben oder seien es die Feste unserer Kirche. Alles das gibt ja Gelegenheiten, dass wir uns sehen, begegnen, dass die Beziehungen, die Freundschaften, die Bande zwischen uns gepflegt und fester werden. Und so ist es unser innerster Wunsch und unser Bedürfnis! Und bedenken wir dabei noch dies: Wenn die Tradition erst abgerissen ist, wenn wir erst aufhören, unseren Geburtstag zu einer Begegnung zu machen, dann kann das später keiner neu beleben. Oder denken wir an jene, die irgendwann damit begonnen haben, nicht einmal mehr an Weihnachten oder Ostern zur Kirche und zum Abendmahl zu gehen... Ist es erst eingerissen, dann führt kein Weg mehr zurück. Dann ist eben auch die Gemeinschaft, die mit diesen Ereignissen verbunden war, für immer verloren. Überlegen Sie nur einmal, an wie vielen Stellen - auch in Ihrer Familie - es so geworden ist!? Das zweite, was wir an der Abendmahlsgeschichte über die Gemeinschaft lernen könnten, ist das: Jesus setzt sich selbst mit einem Judas an einen Tisch! Er geht der Begegnung mit diesem Verräter nicht aus dem Weg. Er hält an der engsten Gemeinschaft fest, die damals (und heute) denkbar war: Er isst und trinkt mit einem, der ihn an den Galgen liefern wird, der schon die 30 Silberlinge dafür in der Tasche hat, mit einem also, der schuldig ist am Tod eines Menschen. Was möchte uns das sagen? Müsste es nicht möglich sein - wenn wir doch Christen heißen wollen - auch mit denen umzugehen, die an uns schuldig geworden sind? Vielleicht einer oder eine, die vor Jahren einmal ein Gerücht über uns in die Welt gesetzt haben, was wir ihnen bis heute nicht verziehen haben. Vielleicht auch solche, die sich einmal im Ton vergriffen oder etwas Unbedachtes getan haben. Und selbst wenn es um eine ausgewachsene Gemeinheit ginge - Jesus sitzt hier ja sogar mit einem Mörder am Tisch. Ob wir nicht einen Anfang machen? Ob wir nicht anbieten, dass wir uns wieder einmal zusammensetzen? Ob wir nicht die Hand reichen? Und wohlgemerkt: Es könnte ja auch umgekehrt sein! Vielleicht haben ja auch wir Schuld auf uns geladen? Vielleicht sind wir es ja auch, denen ein anderer vergeben müsste. Können wir erwarten, dass uns einer entgegenkommt, solange wir dazu bei anderen nicht bereit sind? (Wie heißt das im Vaterunser: Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern.) Und das führt uns noch zum dritten in dieser Geschichte des letzten Mahles Jesu: „Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ Judas ist noch nicht gegangen! Er sitzt immer noch dabei. Er hat auch hier noch Anteil - an der Vergebung, an der Gemeinschaft mit Jesus, an seinem Leib und Blut. Jesus schließt ihn nicht aus, solange er sich selbst nicht ausgeschlossen hat. Was zeigt uns das? Gleich zweierlei. Zuerst dies: Wir sollen auch niemanden aus unserer Gemeinschaft wegschicken. Die Gemeinschaft bedeutet Leben. Ist sie zerbrochen, dann greift der Tod nach uns. Wir sehen es an Judas, als er den Tisch Jesu verlässt. Kaum ein paar Stunden später vollzieht er mit eigener Hand, was kommen muss, wenn die Beziehung zu den Mitmenschen zerstört ist. Und dann: Auch für solche Menschen, wie Judas einer war, gibt Jesus sein Leben dahin. Er vergießt sein Blut - auch für sie. Er leidet - auch für solche. Er stirbt am Kreuz - für Gute und Böse. Vergessen wir das nicht! Jeder Mitmensch - auch einer, der uns ganz und gar nicht gefällt, auch der Schuldige und noch der größte Sünder - jeder Mitmensch ist durch Jesus Christus emporgehoben und wert geachtet, dass er sein Leben für ihn dahingibt. Es gibt also nicht wertvollere Menschen, die zu uns gehören und weniger wertvolle. Alle sind geadelt durch Christi Tod. Für alle hat er das Lösegeld bezahlt. Aller Menschen Schuldschein hängt am Kreuz. Wollen wir anderen jetzt die Schuld vorrechnen, die Jesus Christus ihnen vergeben hat? Solange sie sich nicht selbst der Gemeinschaft mit uns entziehen, gehören sie also zu uns und zu Jesus, denn auch wir gehören ja zu ihm. Die Gemeinschaft mit Jesus und untereinander ist eine wichtige Sache. Heute mehr denn je. Auch wenn man in dieser Zeit manchmal denken könnte, die Menschen lebten gern im Schneckenhaus und nur noch für sich. Aber so ist es nicht. Das spüren wir ja an uns selbst. Denn sicher hat uns das auch gerade heute Abend in die Kirche geführt, dass wir die Gemeinschaft suchen und erleben wollen. Ich wünsche uns, dass wir heute Abend erfahren, was wir suchen und nötig haben. Und ich wünsche uns, dass wir auch anderen Gemeinschaft gewähren und die Gemeinschaft dort, wo sie zerbrochen ist, neu aufnehmen. Denken wir an das Beispiel Jesu bei seinem letzten Mahl mit den Jüngern: Er hält an der Gemeinschaft fest! Er schenkt sie selbst einem Judas! Er gibt sich hin in den Tod - für Unwürdige und Verräter. Keiner ist ausgeschlossen. - Lernen wir von ihm. AMEN