Predigt zum Sonntag „Lätare“ - 11.3.2018 Textlesung: Phil. 1, 15 – 21 Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich warte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Liebe Gemeinde! Es wird Ihnen auch so gegangen sein, dass Sie den letzten Satz dieser Verse besonders gern gehört und aufgenommen haben. Warum? Weil er so bekannt ist. Und weil er so schön klingt. Obwohl... Der Inhalt gefällt uns gewiss nicht allen! Wer kann das denn ehrlich nachsprechen: „Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn?“ Aber lassen wir es einfach einmal stehen. Wenden wir uns dem zu, was Paulus uns sonst noch schreibt. Das gerät nämlich angesichts solcher bekannten, wohlklingenden Sätze leicht in den Hintergrund. Dort aber gehört es ganz und gar nicht hin! „Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft.“ Paulus lag also im Gefängnis. In Philippi, an deren Gemeinde er hier schreibt, gab es offenbar Christen, die das ausnutzten, um seine Mission und Verkündigung schlecht zu machen. Wahrscheinlich wollten sie ihren eigenen Einfluss vergrößern, während ihm die Hände gebunden waren. Gewiss war seine Gefangenschaft für sie auch ein Zeichen dafür, dass es mit seiner guten Beziehung zu Jesus Christus nicht mehr so weit her war. Jedenfalls reagiert der Apostel auf eine Weise, die wir nur beispielhaft nennen können: „Was tut's aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber.“ Kein bisschen aufgeregt, ohne Groll und Ärger und ganz bescheiden kann Paulus damit umgehen. Es geht doch nicht um ihn: Ob ihm das persönlich gefällt, ob es für oder gegen ihn und seine Mission spricht, ob es seinem Ruhm, seinem Ansehen dient... Wichtig ist allein, dass Jesus Christus verkündigt, seine Sache vorangetrieben und die Menschen mit seinem Evangelium bekannt gemacht werden. Ganz unwichtig ist dagegen, warum diese Leute gerade während seiner Gefangenschaft so verstärkt auftreten und was sie damit für sich selbst suchen: Ruhm, Ehre oder gar weltlichen Gewinn oder ob sie vielleicht doch wahrhaftig sind und wirklich die Sache Jesu voranbringen wollen? Eine große Gelassenheit spricht aus den Worten des Paulus. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen, nein, er freut sich gar noch am Treiben der Leute, die vielleicht doch seine Gegner sind! Hier wird es nun Zeit, dass wir die Worte des Apostels auf uns beziehen, dass wir fragen, ob wir hier sein Beispiel nachahmen wollen und was das denn eigentlich heißt, seinem Vorbild zu folgen. Ich denke da an viele Menschen, die ich kenne (und ich denke auch an mich selbst!), die immer wieder dadurch verunsichert werden, dass es innerhalb der christlichen Religion und innerhalb unserer evangelischen Konfession so viele unterschiedliche Auffassungen von dem gibt, was eine Christin, ein Christ glauben muss und was das Wichtigste ist und wo der Kern und die Mitte unseres Glaubens liegt. Die einen sagen, die Bekehrung ist entscheidend. Der Tag, die Stunde, der Moment, in dem ein Mensch Christus als seinen Herrn angenommen und öffentlich bekannt und dann sein Leben geändert hat. Dabei ist deutlich, dass die Taufe eines Menschen, womöglich als unmündiger Säugling, in ihrer Bedeutung weniger wichtig wird. Andere kommen nun genau von der anderen Seite her: Die Taufe ist alles! Wer getauft ist, kann nicht mehr aus der Liebe Gottes fallen und es braucht keine Bekehrung, um in die Nähe Gottes zu kommen! Dann gibt es auch Christen, die Fundamentalisten sind: Jedem Wort der Bibel kommt die gleiche Bedeutung zu! Jeder Vers wird buchstäblich verstanden und bei der Schöpfung der Welt zum Beispiel, ist es genauso gewesen, wie es im ersten Buch der Bibel geschrieben steht. Und das ist auch zeitlich so abgelaufen, wie es die Bibel lehrt, an sieben Schöpfungstagen. Dann gibt es wieder andere, die sagen: Es geht nicht um den Buchstaben, sondern um den Geist der Heiligen Schrift, denn „der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“, ein Wort, das wir sogar in der Bibel selbst lesen können (2.Kor.3,6b)! Noch komplizierter wird die Sache, wenn wir auf andere Religionen blicken und dabei unter vielen anderen nur einmal den Islam als Beispiel nehmen: Das bringt uns schon in Schwierigkeiten, wenn wir hören, dass ein einigermaßen strenggläubiger Muslim, wenn er sich im Koran ein wenig auskennt, uns Christen als Heiden bezeichnet, die letztlich religiös auf derselben Stufe stehen, wie Angehörige von Naturvölkern, die einen steinernen oder hölzernen Götzen anbeten oder den Mond. Und das hat ja dann auch im praktischen Zusammenleben der Religionen seine Auswirkungen, die für uns schwer erträglich sind: Ganz selbstverständlich verlangt der Islam von uns Christen Toleranz in Sachen Religionsausübung der Muslime bei uns: Die Erlaubnis zum Bau einer Moschee wird beantragt - und erteilt! Islamunterricht an den Schulen wird gefordert - und zugestanden. Aber was für ein Sturm der Entrüstung (und nicht nur das!) würde losbrechen, wenn wir Christen entsprechende Forderungen in der Türkei stellten oder gar in Saudi Arabien! Sie haben das jetzt schon erwartet: Hier würde Paulus von uns dieselbe Gelassenheit verlangen, die er damals gezeigt hat. Nicht aufregen! Ruhig bleiben! Auch ohne eine christliche Kirche in Istanbul oder Medina sind dort doch christliche Gemeinden entstanden. Und das Christentum findet seinen Weg zu den Herzen der Menschen - auch ohne Religionsunterricht an den Schulen. Und - erstaunlich genug! - dort wo es das Evangelium von Jesus Christus schwer hat, wo es unterdrückt wird, dort wird es oft umso aufmerksamer gehört und die Menschen hängen ihm umso stärker an! Und an dieser Stelle müssen wir endlich den Gedanken ansprechen, der immer im Hintergrund dieser Gelassenheit steht: Nicht Paulus hat es doch gemacht, dass seine Botschaft etwa in Philippi angenommen worden ist. Nicht wir können doch dafür sorgen, dass Christi Sache in der Welt (und vielleicht unter den Muslimen) ankommt. Genauso wenig werden Moscheen und Islamunterricht bei uns das Evangelium von Jesus Christus unterdrücken oder gar zum Schweigen bringen können! Warum? Weil er selbst, Jesus Christus, in seinem Evangelium zu den Menschen spricht und an ihnen wirkt und arbeitet, sie überzeugt und für seine Sache gewinnt. Aber auch wenn das nicht gelingt - und es gelingt durchaus nicht immer, ist das nicht unsere Verantwortung und nichts, worüber wir uns erregen oder woran wir verzweifeln müssten. Eines ist dabei aber klar: Wir dürfen und sollen dabei mithelfen, dass Menschen das Evangelium von Jesus Christus entdecken und für ihr Leben annehmen. Aber das werden wir auch, wenn die frohe Botschaft von diesem Herrn uns erreicht und überwunden hat. Und wenn nicht - dann wird uns seine Sache, genauso wie diese Predigt nicht interessieren. - Aber ich glaube, dann wären wir auch heute nicht hier im Haus dieses Herrn. Vielleicht können wir jetzt auch das mitsprechen, was Paulus weiter schreibt: „Ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird [...] durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich warte und hoffe.“ Wirklich: Das dürfen wir nicht vergessen und das müssen wir auch nicht in falsch verstandener Demut beiseiteschieben! Es geht in unserem Glauben nicht nur darum, dass wir christlich leben, in der Spur unseres Herrn gehen, sein Evangelium bezeugen und gelassen bleiben, wenn andere anders glauben. Es geht auch um unser „Heil“! Wir haben auch eine Zukunft, auf die wir uns wie Paulus freuen können und nach der wir Sehnsucht haben dürfen! Wir sollten das nicht zu gering schätzen, zumal es dabei hilft, dass wir bei allem, was uns geschieht und wovon unser Glaube bedrängt wird, gelassen bleiben können: Wir haben das ewige Heil vor Augen! Wir werden auferstehen, wie unser Herr auferstanden ist! Ich denke nicht, dass auch wir in unserer Zeit wie Paulus um des Glaubens Willen werden Leiden auf uns nehmen müssen. Aber selbst dann hätte das Leben, das uns in der Ewigkeit versprochen ist, tausendmal mehr Gewicht, als die kurze Trübsal und das Leid dieser Zeit. Und so Gott will, können wir mit Paulus dann sagen: „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“ AMEN