Predigt zum Sonntag „Estomihi“ - 11.2.2018 Liebe Gemeinde! Bevor ich jetzt den Predigttext für diesen Sonntag lese, bitte ich sie, sich nicht aufzuregen und nicht gleich abzuschalten. Es könnte nämlich sein, dass selbst in diesen harten Worten noch eine Hilfe liegt, eine neue Sicht unserer Sache mit Gott und der Keim einer anderen, angemesseneren Beziehung zu ihm. Textlesung: Amos 5, 21 - 24 Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Ich habe nicht zu viel versprochen. Das sind harte, deutliche Worte. Treffen sie uns? Ich meine nicht nur, ob sie uns ärgern. Ich meine, ob sie mit uns reden? Gewiss: Die Bilder, die der Prophet gebraucht, stammen aus einer anderen Zeit mit einem anderen Verhältnis zu Gott. Brandopfer bringen wir keine dar. Speisopfer und auch noch fette Dankopfer kennen wir nicht mehr. An die Stelle der Harfen ist die Orgel getreten. Und Geplärr...? Also ich weiß nicht, aber ich finde, wir singen ganz manierlich. Und schließlich gibt es bei unseren Versammlungen - so wie das jetzt ja eine ist - auch nichts zu riechen. Und doch, glaube ich, ist das ein Vorwurf Gottes an uns. Wie ist er gemeint? Ich denke, es geht heute um eine sehr grundlegende Sache - und gerade für uns evangelische Christen. Denn wie meinen wir denn immer, dass wir mit Gott umgehen könnten? Und wie ist denn unsere Beziehung zu Gott im Grunde angelegt? Drei Beispiele dazu - die sie hoffentlich auch nicht ärgern: - Da ist ein Mensch in seinem Leben an einen Punkt geraten, an dem alles so verfahren erscheint, dass er allein einfach nicht weiterkommt. (Wir wissen natürlich, dass er auch bis dahin nicht ohne die Hilfe und Bewahrung Gottes gewesen ist, aber er weiß es nicht.) Jetzt jedenfalls, wenn alle anderen Mittel versagen, erinnert er sich an Gott. Der muss jetzt die „Karre aus dem Dreck ziehen“ und dafür sorgen, dass es wieder läuft. Und wie geht das? Nun, der Mann wird Angebote machen: Vielleicht verspricht er, jetzt aber öfter mal in seine Kirche zu gehen? Vielleicht macht er eine größere Spende an ein Waisenhaus oder die Kindernothilfe. Oder er fängt an, morgens und abends zu beten. Jedenfalls, was herauskommt ist dies: Er opfert Gott etwas - oder will das wenigstens tun - um etwas bei ihm zu erreichen! Ein Geschäft wird also angeboten. Hier handelt einer mit Gott: Ich gebe dir dies, du gibst mir das. - Ein anderer Mensch hat einen Unfall gehabt. Er ist mit knapper Not dem Tod entronnen und der Schrecken sitzt ihm noch ein paar Tage in den Gliedern. Wir sehen ihn dann vielleicht am nächsten oder übernächsten Sonntag in seiner Kirche sitzen. Oder er beschließt, bei der Aktion „Passionszeit ohne...“ seiner Kirchengemeinde mitzumachen. Oder was er sonst noch tut. In jedem Fall aber denkt er sich: Gott hat mich bewahrt, also will ich ihm dafür etwas geben. - Derselbe Handel also wie vorhin, nur sozusagen umgekehrt: Hier will einer nichts mehr erreichen, hier hat er es schon bekommen und „dankt“ jetzt mit diesem oder jenem Opfer dafür. - Auch ein Geschäft. Auch ein Handel mit Gott. Gut, könnten wir sagen, aber dieser Mensch bringt wenigstens das noch fertigt. Wie viele nehmen die Hilfen und Bewahrungen Gottes danklos hin! Gewiss, das könnten wir sagen. Und es stimmt sicher! - Aber hier ist noch mein drittes Beispiel. Es ist uns ganz nah. Denn da sind wir selbst mit unseren Gedanken und unserer Meinung über Gott: Wer hat denn noch nicht gedacht, wenn ich von Gott etwas haben will, dann muss ich auch ein bisschen „investieren“? Wem kam so etwas noch nie in den Sinn - ehrlich!? Oder wer hat nach einer wunderbaren Wendung in seinem Leben, einer Heilung oder als er aus großer Gefahr gerettet wurde, noch nicht so gedacht: Jetzt bin ich aber auch verpflichtet, etwas zurückzuerstatten? Ja, war uns das nicht eigentlich ganz klar und selbstverständlich, dass es sich so gehört? - Und das soll nun falsch sein? Weil es ein Geschäft mit Gott ist. Weil Gott solche Opfer nicht mag und solchen Dank nicht riechen kann? Es hilft ja nun nichts. So - genauso - denken wir! Und wenn ich jetzt „wir“ sage, dann meine ich wir. Das ist keine bloße Floskel. Ja, auch ich bin nicht anders. Es scheint „menschlich“ so. Aber es ist eben nicht göttlich - und darum nicht richtig! „Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ Gott ist ein für alle Mal erhaben über unsere Versuche, ihn zu beeinflussen. Er braucht doch nicht unsere Spende an das Waisenhaus. Er ist doch nicht davon abhängig, dass wir unsere Kirche besuchen! Unser Gebet kann doch wohl nicht der Dank sein, dass er uns gerettet hat. Freiwillig sollen wir das tun, was Recht ist und gut. Er tut es doch auch frei - ohne Berechnung und ohne die geringste Absicht uns damit gefügig zu machen oder für sich einzunehmen. Hätte Gott das nötig, dass er uns bewahrt, um dann unseren Dank zu kriegen??? Wenn wir darüber einmal etwas nachdenken, dann spüren wir, wie unangemessen, ja, lächerlich das ist. Der große Gott, der Herr des Alls und der Schöpfung, der Ursprung und Vollender des Lebens - auch meines Lebens - sollte auf einen Handel mit mir eingehen? Er sollte mir mit seiner Hilfe und Bewahrung ein Geschäft vorschlagen, etwa so: Jetzt kommst du aber auch in meine Kirche, jetzt wirst du doch auch einmal mehr beten... „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ Gott traut uns zu, dass wir Recht und Gerechtigkeit tun, weil es gut ist so! Er ist frei in seinem Schenken und Behüten. Er will auch uns als freie Menschen haben. Es ist vielleicht - ein wenig poetisch ausgedrückt - so: Gott ist wie die Sonne, die über Bösen und Guten aufgeht. So singt ja auch ein Psalm. Er schenkt uns seine Strahlen. Er bescheint unser Leben und macht es hell. Wir können aber nun kein eigenes Licht zurückgeben. Es wäre immer nur der Widerschein seines Lichtes. Was wir aber können, ist dies: Von seinem Leuchten weitergeben. Sein helles Licht weiterstrahlen lassen unter den Leuten. Nicht als Opfer, nicht als Dank, nein, als selbstverständliche Tat von Menschen, die von Gottes großem Glanz getroffen sind. Frei - wie Gott uns bestrahlt. Voll Freude und Glück - wie es nun mal Gottes helles Licht in unserem Leben bewirkt. Und vielleicht spüren wir jetzt, dass wenigstens ein ganz kleiner Keim dieses Denkens doch schon in uns liegt. Haben wir nicht schon manchmal gedacht: Was bin ich doch so begnadet! Im Leben und im Sterben und noch nach dem Tod ist für mich gesorgt! Was mir auch immer geschieht, es kann mir nichts geschehen! Und wenn ich etwa in meinen Tagen an den Punkt komme, da alles aus scheint, vielleicht dient es mir dann dazu, das zu begreifen: Ich bin doch nicht von Gott verlassen! Ich werde vielmehr - auch ohne Angebot von Handel und Geschäft - erfahren, dass Gott jetzt, wie schon immer in meinem Leben, alles in seinen Händen hält. Und wenn ich einem Unfall entgangen bin, dann will Gott doch nicht den Dank des Augenblicks! Vielleicht weist er mich da vielmehr darauf hin, dass er schon lange - ja schon immer! - viel mehr von mir erwartet hat. Vielleicht merke ich jetzt, dass ich eigentlich nur stets sein Strahlen wort- und danklos hingenommen habe. Ja, sein Licht ist in meinem Dunkel völlig verschluckt worden, ohne dass irgend ein Widerschein nach draußen gedrungen wäre. Und schließlich möchte Gott wohl unsere falsche Meinung besiegen, wir müssten in ihn oder seine Sache investieren, um dann etwas herauszubekommen oder umgekehrt: Wenn wir nichts oder Böses herausbekommen, wäre das die Folge unserer unzureichenden Geschäftseinlage. Das ist doch einfach ein unmögliches Denken! Liebe Gemeinde, überprüfen wir unsere Gedanken und unser Handeln. Schauen wir, wo wir Gott unsere Opfer bringen oder anbieten. Und sehen wir, wo wir erst danken, wenn wir etwas erhalten haben. Gott will freie Menschen. Er will Leute, die aus lauter Freude über seine Güte das verschenken, was er ihnen so reichlich schenkt. Unser herkömmliches Denken ist von Gottes Wesen so weit entfernt, wie unser Dunkel von seinem Licht. Lasst uns umdenken, hell werden und einfach dankbar sein - ohne Hintergedanken! AMEN