Predigt zum 3. Sonntag nach Epiphanias - 21.1.2018 Textlesung: 2. Kön. 5, 1 - 19 (Auszug 2. Kön. 9-15.19a) Naaman kam mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien. Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so dass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. Elisa aber sprach: Zieh hin mit Frieden! Liebe Gemeinde! Zuerst habe ich auch gedacht: Was für eine Geschichte! Was hat die denn mit uns zu tun? Dann aber habe ich etwas in ihr entdeckt, das ist uns wirklich nicht fremd und gar nicht fern. Ich meine die Sache, die sich hier so ausdrückt: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Ich denke, sie verstehen noch nicht, was ich hier für nachdenkenswert halte. Darum erzähle ich ihnen von drei kleinen Vorfällen aus dem Leben. Der erste spielt in einem Büro: Der Chef eines kleinen Unternehmens kommt jeden Morgen pünktlich in seine Firma. Er parkt seinen Wagen auf dem für ihn reservierten Parkplatz, dann geht er - immer schon in Gedanken an die Aufgaben des Tages - am Pförtner vorbei und durchquert das Zimmer der Schreibkräfte. Dort lässt er kurz den Blick schweifen, nimmt wortlos das eine oder andere „Guten Morgen“ entgegen und betritt das Vorzimmer seines eigenen Büros. Dort wechselt er das erste Wort mit seiner Sekretärin. So vielleicht: „Morgen, Frau Nehrlich, was liegt heute terminlich an?“ Vor zwei Wochen nun, hat Frau Nehrlich sich ein Herz gefasst und ihren Chef einmal so angesprochen: „Es steht mir ja vielleicht nicht zu, aber ich arbeite jetzt so lange für sie, ich will es einfach einmal sagen...und nehmen sie es mir bitte nicht übel: Der Pförtner und die Schreibkräfte würden sich freuen, wenn der Chef der Firma ihnen am Morgen einen kleinen Gruß schenken würde!“ Der zweite Vorfall hat sich in einer Familie zugetragen: Da kommt die kleine Tochter am frühen Sonntagnachmittag in die Küche und bemerkt sofort das Lächeln auf dem Gesicht der Mutter. Gewiss, sie lächelt immer einmal - aber doch nicht unbedingt, wenn sie in der Küche den Abwasch macht. Also fragt die kleine Lena: „Mutti, warum lächelst du denn beim Spülen? Macht dir das so viel Spaß?“ Und die Mutter antwortet: „Ach, Lenchen, nein, es ist nicht das Spülen, das ist wie immer. Es ist...weil dein Papa heute nach dem Essen gesagt hat, es hätte ihm gut geschmeckt. Das macht mir Freude und das hat er lange nicht gesagt!“ Die dritte kleine Geschichte führt uns in eine Kirchengemeinde: Da kommt nach dem Gottesdienst am Ausgang der Kirche ein junger Mann zum Pfarrer, den der vor vielen Jahren konfirmiert hat, und meint: „Ich hatte als Konfirmand immer den Eindruck, die Predigt hätte überhaupt nichts mit mir zu tun. Deshalb war ich auch lange nicht hier. Heute habe ich meiner Oma eine Freude machen wollen und...also ich muss schon sagen, die Predigt heute hat mir etwas gegeben und hat mir gut getan. Ob das daran liegt, dass ich älter und reifer geworden bin? Jedenfalls werden sie mich jetzt öfter hier sehen, glaube ich!“ Liebe Gemeinde, ich könnte mir denken, sie fragen sich jetzt, was das mit der Heilung des aussätzigen Naaman zu tun hat? Und ich gebe zu, mit der Heilung selbst nicht so viel! Oder doch? Immerhin: Hätte er nicht auf seine Diener gehört, die ihm sagten, er solle doch diese kleine Anweisung des Elisa erfüllen, sich im Jordan zu waschen, er wäre wohl nicht gesund geworden! Ja, und das ist es eben: Eine so geringe Sache, siebenmal in einen Fluss zu steigen, auf der einen Seite - und rein werden, den Makel und das Leiden des Aussatz' los sein, auf der anderen Seite. Dazu denke ich, dass wir es oft, aus ganz fragwürdigen Gründen, genauso halten, aus Gründen, die wohl keiner so recht verstehen kann - auch wir selbst nicht: Aber warum zeigen wir der Welt um uns her nicht hin und wieder ein Lächeln? Warum nur haben wir immer diese miesepetrige Art an uns, dass wir immer nur das Schlechteste erwarten und uns nicht freuen können, dass wir nicht sehen wollen, was wir haben und fertigbringen und wie gut es uns geht? Wieso nehmen wir nicht diesen vielleicht schweren Gang ins Haus schräg gegenüber auf uns, dass wir dem Nachbarn die Hand hinstrecken und endlich Frieden machen und diesen im Grunde so lächerlichen Streit begraben? Und warum halten wir an so manchen Gewohnheiten fest, die doch eigentlich längst überholt und sinnlos geworden sind, statt dass wir einmal etwas Neues wagen und womöglich wunderbare Erfahrungen damit machen? Warum ziehen wir uns immer mehr in unsere Vierwände zurück und geben der Gemeinschaft früherer Zeiten keine Chance mehr bei uns? Wissen oder ahnen wir nicht, wie froh uns das machen würde, wieder einmal mit Freunden zusammensitzen, die Beziehung zu den Verwandten aufleben zu lassen, den Nachbarn auch zur Fernsehzeit die Tür zu öffnen und vielleicht das Herz? Und zu den drei Geschichtchen von vorhin: Was würde das denn den Chef kosten, wenn er den Pförtner und die Schreibkräfte mit einem freundlichen „Guten Morgen“ begrüßte? Und wäre das gar zu viel verlangt, wenn der Mann seiner Frau nicht nur zum Muttertag einmal ein Dankeschön oder ein Lob gönnte? Und der junge Mann und so viele junge Männer und Frauen, die einmal konfirmiert worden sind: Was opfert man da eigentlich, wenn man für Gottes Wort und die Gemeinde, der man doch angehört, ab und zu eine Stunde am Sonntagmorgen Zeit findet? Und immer steht auf der anderen Seite etwas viel Größeres! Vielleicht - wie bei Naaman - die Gesundheit, vielleicht sogar ein Stück Heilwerden? In vielen Fällen aber Freude, Frieden, ein wenig Glück für andere und einen selbst, etwas Liebe und Zuneigung und immer Gemeinschaft und das Erlebnis, nicht allein zu sein, Nachbarn zu haben, Leute, die zu mir gehören, denen ich wichtig bin und die mich brauchen. Liebe Gemeinde, ist das alles nichts? Ist es nicht wirklich wichtiger als unsere jahrelange gedankenlose Übung, unsere schlechten Angewohnheiten, unsere Trägheit auch und unser viel zu rasches Aufgeben? Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Wie gut, dass Naaman sich überzeugen lässt! Er tut das, was ihm doch als eigentlich viel zu gering erschienen ist - und er erlebt die Überraschung: Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. Ich bin ganz sicher, der Chef, wenn er beginnt, seine Angestellten freundlich zu grüßen, wird auch für sich selbst etwas Schönes und Wichtiges erfahren! Immer kommt ja zu uns wie ein Widerschein zurück, was wir an Gutem und an Höflichkeit nach außen verstrahlen. Und die Frau, deren Mühen um das Essen und so vieles mehr in der Familie endlich beachtet und auch im Danken angemessen gewürdigt werden, wird ihre Arbeit sicher fröhlicher und lieber tun - davon haben alle etwas. Und auch hier ist der Einsatz doch lächerlich klein und die Freude für alle riesengroß. Und schließlich wird auch der junge Mann erfahren, dass der Gewinn an guten Gedanken, an Hilfe für das Leben, an Trost und Wegweisung aus Gottes Wort in keinem Verhältnis zu dem Stündchen stehen, das er am Sonntagmorgen dann und wann seinem Schlafbedürfnis abtrotzt. Vielleicht ist es ja wirklich nicht zu hoch gegriffen, wenn ich sage: Sogar Gesundung könnte hier entstehen! Ein Mensch, der mit seinen Mitmenschen in Harmonie und Frieden leben kann, ein Mensch, der Liebe und Zuwendung gibt und empfängt, ein Mensch, der mit Gott im Reinen ist und von ihm sein Leben bestimmen lässt, der hat wahrhaftig ein großes Stück davon gefunden, was ihn heil und gesund werden lässt! Bei Naaman war Heilung schon mit einem ganz geringen Aufwand zu haben. Ich glaube fest, auch für uns genügten oft ganz kleine Mühen, um gesunder, glücklicher, zufriedener und fröhlicher zu werden. Wo sind unsere kleinen Aufgaben, die uns auf den Weg zur Heilung bringen? Wo sollten wir uns endlich einmal überwinden, dass wir eine Schwelle überschreiten, die doch gar nicht so hoch ist? Welche Gewohnheit bindet uns noch bis heute, dass wir nicht weiter kommen und keinen rechten Sinn und Inhalt in unseren Tagen finden? - Wollen wir nicht einmal darüber nachdenken? Da stieg Naaman ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. AMEN