Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias - 7.1.2018 Textlesung: 1. Kor. 1, 26 - 31 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichtemache, was etwas ist, damit sich kein Mensch vor Gott rühme. Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22-23): „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!“ Wie hören sie das, liebe Gemeinde? Erst einmal möchten wir ja widersprechen! „Nicht viele Weise, Mächtige, Angesehene sind berufen“, heißt es hier. Ist das wirklich so? Wer hat denn das Sagen in der Welt? Nicht doch die „Weisen“, oder die sich dafür halten? Nicht doch die „Mächtigen“ - auch wenn sie ihre Macht oft genug nicht durch Wahl übertragen bekommen, sondern durch Gewalt an sich gerissen haben. Nicht doch die „Angesehenen“ - wenn dieses Ansehen auch häufig nur darauf beruht, wie sie blenden und lügen können. Und wie gebärden sich diese Leute, die oft nur Brutalität und ihre Fähigkeit über Leichen zu gehen, nach oben gebracht haben! Sie können Krieg, Vertreibung oder Folter diktieren. Sie haben es in der Hand, ob es Bomben regnet und Tausende von unschuldigen Menschen geopfert werden. Und sie setzen sich dann wie Ehrenmänner an Verhandlungstische und keiner wird ihnen ins Gesicht schreien, was sie eigentlich sind: Mörder und Gewalttäter, Geißeln ihres Volkes und aller wirklich friedliebenden Menschen! Gut - könnten wir sagen - da behauptet sich auf dieser Erde noch eine Weile das Alte, Überholte, das vor der Welt gilt, aber nicht vor Gott. Aber wie lange dauert diese Weile schon! Und wie lange soll sie noch dauern?! Wird nicht unsere Sehnsucht von Jahr zu Jahr größer, je länger wir leben, dass es einmal wahr werde: Dass eine Mutter Theresa nicht nur den vergleichsweise unbedeutenden Friedensnobelpreis gewinnt, sondern ihre Lebensart und ihr Umgang mit Menschen sich in den Regierungen der Länder und der Gemeinschaft der Völker durchsetzt? Dass ein Albert Schweitzer kein Einzelkämpfer in Sachen Nächstenliebe und Barmherzigkeit bleibt? Dass es in dieser Welt endlich überall Frieden gibt und sich die Gerechtigkeit rund um diesen Globus ausbreitet? Aber wir sehnen uns ja auch in unserem kleinen, persönlichen Leben danach, dass sich einmal etwas ändert: Vielleicht, dass auf eine schwere Zeit großer körperlicher und seelischer Anspannung jetzt doch wieder eine Weile des Glücks und der Freude folgt? Vielleicht auch, dass sich ein paar Träume noch erfüllen mögen. Oder dass auch nur einer einmal anerkennt, was wir schon seit Jahren mehr im Hintergrund für die Mitmenschen tun? - Ach, es sind ja - gemessen an den Problemen der großen Welt - bescheidene Wünsche, die wir für uns persönlich haben! Aber auch da - auch was unser Leben und unsere Erfahrungen angeht, scheint es doch eher so zu sein: Gott hat das Angesehene auserwählt. Er gibt dem Starken. Es haben immer die Recht, die ihre mehr oder weniger klugen Ideen nur laut genug vertreten können. Gott ist auf der Seite derer, die mit ihrem Geld Einfluss ausüben und die Macht ihrer Beziehungen ausspielen. Und er lässt es zu, dass sie sich selbst rühmen. - Und wir? Die wir schwach sind, die wir versuchen, den geraden Weg zu gehen, die nicht so gut reden können und nie groß herauskommen. Wo bleiben wir? „Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen...“ Wirklich: Wir können es nicht glauben! Liebe Gemeinde, Sie merken das jetzt sicher, wie sehr unsere Überlegungen und diese Predigt doch in eine bestimmte Richtung gehen: Hoffnungslos das alles. Das riecht nach Resignation. Wenn auch das Wort Gottes nicht mehr Mut und Anstoß zum Besseren geben kann! Wie lässt sich die Predigt jetzt noch retten? Führt doch noch ein Weg zu tröstenden, erbaulichen Gedanken? Wir haben bisher nur über das geredet, was uns der Kopf sagt, unsere Augen, unsere Ohren, unser Verstand. Wir sehen, dass sich die Rücksichtslosen behaupten. Wir hören, dass der mit dem meisten Geld und den richtigen Beziehungen das Geschäft macht. Wir denken und stellen darum fest: Dass Gott die Schwachen erwählt und den Törichten recht gibt und die Verachteten liebt...ist nur eine fromme Hoffnung. - Reden wir jetzt von unserem Herzen und von unserer Erfahrung! Wie war denn das - und da spreche ich jetzt alle an, die in den letzten Jahren einen lieben Menschen verloren haben - wie war denn das: Haben Sie, als Sie in der Nacht an seinem Bett gewacht haben, auch nur einen Augenblick mit dem Kopf darüber sinniert, ob das denn „weise“ wäre vor der Welt und den Menschen, ob man das denn tun müsse, ob man das eigentlich von Ihnen verlangen könnte oder gar, ob da irgendetwas herausspringt, wenn man da sitzt und einem Sterbenden die Hand hält und die Stirn kühlt? Oder haben Sie sich da überlegt, wie ungerecht es doch in der Welt zugeht und dass Sie sich doch auch lieber mit etwas Schönerem beschäftigen würden als mit einem ausgehenden Leben? Ja, war Ihnen in dieser letzten Zeit je irgendwann danach, über das mit dem Kopf nachzusinnen, was Ihnen da abverlangt und auferlegt war? - Sie haben es getan. Sie wussten: Das ist jetzt meine Aufgabe. Sie haben gespürt: Hier ist mein Platz, hierhin hat mich die Liebe...hierher hat mich Gott gestellt. Und nicht nur das! Sie haben es gern getan! So schwer das auch war, so oft Sie sicher auch gedacht haben, ich kann nicht mehr und wäre es doch vorbei...Sie hätten es nicht lassen wollen, lassen können... Und noch etwas, vielleicht das wichtigste: Sie haben in diesen schweren Stunden gefühlt, dass hier Gott ist, in diesen Zeiten der Pflege und Aufwartung für ein verlöschendes Leben. Und dieser Gott sucht sich in diesen Zeiten so schwache, geringe und gar nicht dafür qualifizierte Leute wie uns aus. Und mit und durch uns tut er dann die kleinen, geringen Dinge an so einem ausgehenden Leben, die aber für diese leidenden Menschen alles bedeuten, die ganze Welt und das Leben selbst! Vielleicht bringt uns das auf die Spur, wie das nun doch zusammengeht: Unser Kopf mit den Augen und Ohren und unser Verstand und was wir an den Großen, Mächtigen, Einflussreichen sehen und erleben - und auf der anderen Seite unser Herz, unsere Erfahrungen, die wir im Kleinen, im persönlichen Leben machen? Jawohl, die Großen, die Reichen, die mit der Macht im Bund sind, scheinen in dieser Welt und mit ihr machen zu können, was sie wollen. Da ist nicht dran zu rütteln. Das müssen wir erkennen und hinnehmen. Gott lässt es zu! Und wir fragen und klagen: Warum - und wie lange noch! Aber in dieser Welt, in unserem Leben gibt es auch die Erfahrung einer anderen Wahrheit: Mit schwachen, kleinen, geringen Leuten, wie wir welche sind, tut Gott seine Taten an den Menschen: Er tröstet, er hilft, er lässt seine Liebe erfahren, er zeigt, dass er treu ist und niemanden fallen lässt. Ich meine sogar, hier geschehen die wirklich weltbewegenden Dinge, hier wird entschieden, ob diese Welt noch zu retten ist und ob sich in ihr doch einmal der Frieden, die Gerechtigkeit und die Menschlichkeit durchsetzen! Hören wir jetzt - vor diesem Hintergrund - noch einmal diese Worte: „Seht auf eure Berufung! Nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen, sondern was töricht ist, was schwach ist, was gering und verachtet ist, das hat Gott erwählt...“ Gewiss bleibt das anmaßende Treiben der Großen und Mächtigen dieser Erde. Sie werden weiter - so lange Gott es ihnen erlaubt - ihren Vorteil suchen, ihre verderblichen Taten tun und ihre bösen Spuren hinterlassen, wenn sie von der Bühne abtreten. Berufen aber sind sie nicht! Geduldet sind sie - wir wissen nicht warum. Wir aber sind die Auserwählten, im Kleinen, dort, wo uns Gott hingestellt hat, seine Taten zu wirken, seine Worte zu sagen, seinen Trost weiterzugeben, seine Kraft weiterzuschenken... Und wir - anders als die Machthaber und „großen Hansen“ dieser Welt - werden dabei spüren dürfen: Gott ist mit uns. In unserer Schwäche ist seine Kraft verborgen. Durch unsere kleine Geste wirkt er große, weltbewegende Dinge! Und nur durch uns wird auch das letzte wahr, was hier angesprochen ist: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!“ Wir werden erfahren, dass Gott selbst in unseren kleinen Taten am Werk ist! Wir werden spüren, wie uns das trotz allem Schweren, was wir erleben, still und zufrieden macht. Ja, so etwas wie Glück wird uns erfüllen. Und wir werden - selbst in einem Tun, das viel von uns verlangt - Gott loben und rühmen können. Noch einmal: Wir sind die Auserwählten, im Kleinen, dort, wo uns Gott hingestellt hat, seine Taten zu wirken, seine Worte zu sagen, seinen Trost weiterzugeben, seine Kraft weiterzuschenken. AMEN