Predigt am 3.12.2017 - 1. Sonntag im Advent Textlesung: Offb. 5, 1 - 14 Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln. Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen? Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen. Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen. Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel. Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande. Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden. Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend; die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Und die vier Gestalten sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an. Liebe Gemeinde, wir müssen jetzt nichts vorgeben, was doch nicht so ist. Das sind ganz und gar fremde Bilder, geheimnisvolle Vorgänge, die uns ganz unwirklich vorkommen. Da gibt es einige seltsame Zahlen mit rätselhaftem Sinn, der uns verschlossen bleibt: Sieben Siegel, vier Gestalten, vierundzwanzig Älteste, vieltausendmal tausend Engel. Was soll das alles bedeuten? Ich musste diese prophetische Vision auch dreimal lesen, bis ich überhaupt einen Gedanken gefunden habe, über den ich sprechen könnte. Und ich gebe dabei offen zu: Ich weiß nicht, ob es der wichtigste, der entscheidende Gedanke in diesen Versen ist! Für mich ist diese Vision eine Huldigung an Jesus Christus! Denn - das ist schon deutlich - von ihm ist die Rede in verschiedenen Bildern und Bezeichnungen: Der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, das Lamm, das geschlachtet ist... Und besonders am Ende dieser Verse verdichtet sich alles zu einem großen Lobpreis auf Gott und auf ihn, Jesus Christus: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Aber worüber ließe sich da jetzt sprechen? Nun, mir hat das schon zu denken gegeben, wenn ich hier lese: Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Hier stimmen alle Menschen, alle Wesen im Himmel, auf und unter der Erde, ja, die gesamte Schöpfung ein in das große Rühmen. Man hört ja fast im Hintergrund den anderen bekannten Lobvers aus dem Philipperbrief (2,5-11): Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Und - sie müssen schon entschuldigen - aber jetzt will ich den Gedanken sagen, der mir über diesen prophetischen Worten gekommen ist: Wie klein, ja, wie winzig und armselig ist doch dagegen unser Lob, unser Rühmen und Preisen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus! Und selbst wenn wir all die Taten, die Werke unserer Hände, mit denen wir Gott in unserem Leben verherrlichen, bekennen und zeigen, dass wir zu ihm gehören noch zu den Worten unseres Lobpreises hinzufügen - wie bleibt das so gering gegen das Singen, Jubeln und Huldigen, das aus den Bildern dieser Vision zu Gott und dem Lamm Christus emporsteigt. - Man wird sehr still und demütig, wenn man einmal vergleicht. Meinen sie nicht auch, dass uns dieser Gedanke einmal beschäftigen sollte!? Ich denke, keine und keiner von uns wird nun sagen: Aber wir loben Gott doch auch hier im Gottesdienst und seinen Sohn Jesus Christus verherrlichen wir im Glaubensbekenntnis etwa und in unseren Liedern. Wir spüren das: Das ist zu wenig! Es reicht ja nicht entfernt heran an das, was hier gemeint ist und an Lob und Preis geschieht: Das Lamm ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob... Nein, wir bleiben hier weit zurück. Unser Rühmen ist arm. Unser Jubel sehr verhalten. Unser Dank findet selten Worte und zeigt schon gar keine Begeisterung. - Aber warum ist das so? Haben wir nichts zu preisen? Fehlt es an Gründen zum Loben und Danken? - Ich glaube nicht. Abgestumpft sind wir. Alles Schöne, Wertvolle unseres Lebens ist selbstverständlich geworden. Wir haben uns daran gewöhnt, dass es uns gut geht, Gott uns täglich unzählige Gaben schenkt und darunter manche, die wir vielleicht einmal ersehnt und flehentlich erbeten haben und doch nie, einmal zu besitzen glaubten. Aber ganz konkret gesprochen: Die gesund geworden ist, hat vergessen, dass sie krank war. Wer heute sein Auskommen hat, weiß nichts mehr von der Zeit, in der es ihm schlechter ging. Dem heute leicht und froh zumute ist, erinnert sich nicht mehr an die Jahre der seelischen Not und Depression. Hier mag jede und jeder fortsetzen, was ihre, was seine Sache ist. Alle werden wir dem recht geben müssen, der sagt: Wir nehmen Gottes Güte viel zu selbstverständlich hin. Wir achten zu wenig, was uns durch Jesus Christus geschenkt ist. Lob und Dank, schon gar Jubel und Huldigung vernimmt man bei uns so gut wie gar nicht. - Was können wir tun? Ich habe einmal gelesen: „Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung.“ Ich finde, das ist ein gutes, ein treffendes Wort. Vielleicht müssten wir es heute so umschreiben: „Wenn wir loskommen wollen von unserem in uns verschlossenen und undankbaren Wesen, das nicht mehr rühmen und loben kann, dann müssen wir uns erinnern!“ Und warum? Weil wir das doch auch in uns als Mangel empfinden, weil wir doch schon lange ahnen, ja, vielleicht wissen, dass es so nicht sein soll, nicht sein darf...weil es einfach unangemessen ist! Es passt ewig nicht zu Gottes verschwenderischer Güte, und zu der Liebe Jesu Christi zu uns, passt es auch nicht. Darum erinnern wir uns: Die Älteren unter uns mögen da vielleicht an die Jahre ihres Lebens denken, in denen sie sich niemals hätten vorstellen können, dass sie einmal in den späten Jahren so gut versorgt sein, so schön wohnen und noch so viele Möglichkeiten haben würden. Wie sind denn noch Ihre Eltern alt geworden? Wie mussten sie doch noch hart und lang arbeiten. Was hatten sie an Entspannung, Zerstreuung und Gelegenheiten, einmal aus dem Ort hinaus zu kommen? Und die in den mittleren Jahren dürften sich jetzt einmal vor Augen stellen, welches Glück es doch bedeutet, keinen Krieg erlebt haben zu müssen, vielmehr nur Frieden und Wohlstand, Arbeit zu haben, die uns ernährt und selbst, wo wir nicht mehr arbeiten können oder dürfen, doch nichts entbehren zu müssen, was wirklich zum Leben nötig ist. Es gab bei uns und es gibt für viele Menschen auf der Welt andere Zeiten und schlechtere Bedingungen. Und die Jungen könnten sich trotz mancher innerer Widerstände einmal dem Gedanken nähern, dass es auch nicht selbstverständlich ist, in die Schule oder die Lehre gehen zu können und bei allen Ängsten, die uns heute angesichts der Zukunft beschleichen, doch sicher sein zu dürfen, dass alle in unserem reichen Land ihr Auskommen und ihre Lebenschancen haben werden. Aber es gibt auch manches, an das wir uns erinnern müssen, das betrifft uns alle - gerade uns Christinnen und Christen - gleichermaßen: Was wäre unser Leben denn, ohne dieses Wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen? Eine Irrfahrt wäre es! Eine Kette von Zufällen, in der wir stünden und uns ausrechnen könnten, wie unsere Chancen stehen: Noch erfülltes Leben zu haben oder nur noch Leid und Last und die Einsamkeit am Ende... Wir aber sind geborgen! Wir kennen Jesus Christus! Wir gehören zu den Erlösten, den Befreiten aus dem Verhängnis von Sünde und Strafe, von Schuld und Tod. Und erinnern wir uns auch an alle Erfahrungen, die wir schon mit diesem Glauben haben machen dürfen: Wie wir vor der Operation so gebangt und gebetet haben - wie wir dann erwachten und langsam die Hoffnung wieder wuchs und wie es wirklich jeden Tag aufwärts ging mit uns und wir wieder heimkehren konnten, um zu leben! Oder denken wir an die vielen Gelegenheiten, bei denen wir so genau wussten, da hat jetzt ein anderer seine Hand über mich gehalten, da hat Gott mich hindurchgeführt, da hat er mich beschützt und wieder zurechtgebracht. Und schließlich wissen wir doch auch, wer Ursprung all der Liebe ist, die uns umgibt! Dass wir selbst lieben können. Dass wir Liebe empfangen dürfen und nicht nur Menschen sind, die gebraucht werden und ihre Aufgabe zu erfüllen haben. Dass wir auch Stunden kennen, in denen uns die Liebe das Herz warm macht und uns mit ihrer Freude einhüllt. Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! - Hätten wir nicht wirklich viel Anlass einzustimmen? Vielleicht denken wir ja immer noch in unserem Herzen: Aber ich empfinde doch so, ich weiß doch auch, dass alle guten Gaben von Gott kommen und ich glaube doch auch, dass ich Jesus Christus mein Leben hier und ewig verdanke! - Liebe Gemeinde, das muss hinaus! Davon müssen wir reden! Ich scheue mich nicht zu sagen: Gott will das hören! Unser Herr freut sich daran, wenn wir ihn loben und rühmen! Aber es ist auch schon beglückend, das Rechte, das Richtige und Angemessene zu tun - und eben nicht nur im Herzen zu haben. Und - nicht zuletzt - verändert es auch unser Verhältnis zu unserem Gott und zu den Mitmenschen: Meine Freude über Gott macht auch Gott Freude! Wenn ich das weiß, dann kommt eben diese Freude auch wieder zu mir zurück! Und wenn mein Mitmensch an mir sieht und hört, dass ich Gott lobe und nicht alles mir selbst zuschreibe und damit eigentlich mich selbst rühme, dann wird sich sein Blick anders auf Gott richten und er wird auch mich anders ansehen. Von Gott wird er mehr erwarten, erhoffen - und erhalten. Und mich, der ich über mich selbst auf Gott hinweise, wird er gewiss mehr achten, mehr schätzen, mehr lieben... Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Möge von heute an auch unser Loben und Preisen, unser Rühmen und Danken dabei sein! AMEN