Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis - 29.10.2017 Textlesung: 1. Mose 8, 18 - 22 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Liebe Gemeinde, hören Sie das auch so...ja, als spräche hier ein sehr resignierter und enttäuschter Gott? „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Man möchte hinzufügen: „Es hat ja doch alles keinen Zweck! Die Menschen sind nun mal böse und sie bleiben es, da kann ich nichts mehr machen!“ Und fast möchte man dem Gott, der hier spricht, noch diese Worte in den Mund legen: „Eigentlich reut es mich ja, dass ich die Menschen geschaffen habe. Ich werde wohl nie Freude an ihnen haben.“ Und wenn wir an dieser Stelle weiterdenken, dann kommen wir unweigerlich zu der Frage: Ist es seit der Zeit der Sintflut besser geworden mit den Menschen? Und wenn wir schließlich diesen Gedanken konsequent bis zum Ende verfolgen, dann werden wir das auch uns selbst fragen müssen: Ist es mit uns besser geworden - und ganz persönlich ausgedrückt: Hat Gott wohl an uns, an mir, Freude? So ganz angenehm sind uns diese Fragen nicht. Wir gehen ja immer davon aus, dass wir eigentlich doch ganz rechtschaffene Leute sind. Besonders, wenn wir uns mit diesem und jenem vergleichen. Und da suchen wir uns schon die Richtigen aus, gegen die wir dann doch noch ganz gut abstechen, nicht wahr? Wollen wir heute nicht einmal ganz ehrlich sein, ohne Ausflüchte und ohne Beschönigung? Es hört ja jetzt kein anderer, wie wir denken und wie wir - ehrlicherweise - zu diesen Fragen stehen und wie unsere Antwort lauten müsste und - eben ehrlich! - lauten muss. Das ist schon ein harter Vorwurf: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Es fällt mir nicht leicht, da einmal mit mir selbst den Anfang zu machen, wenn ich dazu etwas sagen soll. Andererseits werde ich schon bei mir beginnen müssen: Mir ist da in den Sinn gekommen, wie gern ich anderen doch zuerst und meist etwas Schlechtes unterstelle. Wenn einer etwa zu einem Termin zu spät kommt - dann könnte es wohl passieren, dass ich sage: „Das passt zu ihm, der ist einfach unzuverlässig!“ Warum nur sage ich nicht: „Es ist ihm sicher etwas Unvorhergesehenes dazwischen gekommen, womit er nicht hat rechnen können!? Der ist sonst nicht so!“ Oder wenn ich von den Menschen etwas erwarte: Warum gehe ich denn nur immer davon aus, dass ich nicht zufrieden sein werde mit dem, was die Mitmenschen zu bieten haben? Warum traue ich niemandem etwas zu - außer mir, versteht sich? Ich könnte doch auch einmal still sein, solange wenigstens, bis ich vor Augen habe, was die anderen wirklich fertigbringen. Aber nein, ich weiß es immer schon vorher! Und nicht zuletzt muss ich bekennen, dass ich auch schlecht sehe, oder besser: Dass ich nur das sehe, was mich bestätigt und was - wie könnte es anders sein - mir nicht gefällt und worüber ich mich aufregen oder ärgern kann! Und da bin ich dann sehr scharfsichtig! Das kann eine winzige Kleinigkeit sein - ich werde sie entdecken und sie wird mir wie durch eine Lupe groß vor Augen stehen! Merkwürdig aber, dass ich die vielen erfreulichen Dinge, das Schöne nicht wahrnehme und alles, wo hinein meine Nächsten vielleicht all ihr Können, ihre Liebe und ihren Willen, mich zu erfreuen, gelegt haben. Und wie geht es anderen? Ist das nicht auch in Ihnen, von dem einen Mal, bei dem ein Mitmensch unzuverlässig war, gleich auf seinen Charakter zu schließen und darauf, „wie der doch immer ist“? Und sind Ihre Erwartungen anderen gegenüber nicht auch zunächst einmal gering und kam noch nie so etwas über Ihre Lippen: „Was kann denn von dem / von der schon kommen?“ Und wie steht es mit Ihren Augen? Blicken die nicht auch sehr scharf auf jedes kleine Ärgernis und den winzigen Schönheitsfehler, den guten Willen, die große Arbeit und das liebevolle Bemühen der anderen aber sehen sie gar nicht mehr? (Wem ist denn aufgefallen, wie schön unser Altar heute aussieht? - Wohl aber haben wir gemerkt, dass heute nur Lieder angeschlagen sind, die sich nicht so schön singen!) Doch, da scheint etwas dran zu sein: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Und wenn wir nun schon dabei sind, wollen wir auch noch das ansprechen: Etwas Schlechtes über einen Mitmenschen zu sagen, fällt uns auch leichter, als ihn einmal zu loben, seine nette Art herauszustreichen oder zu erwähnen, wo er uns schon geholfen hat. Und wenn eine oder einer - wie wir meinen - unverdientes Glück genießen darf, dann ist unsere Mitfreude darüber doch eher verhalten. Wenn es ihm allerdings so ergeht, wie es ihm unserer Ansicht nach gebührt, dann... Und nicht zuletzt haben wir auch damit unsere Schwierigkeiten, was Luthers Erklärungen zu den 10 Geboten fordern: „...Gutes von ihm reden, alles zum Besten kehren, ihm helfen bessern und fördern, ihm dienstlich sein...“ Dagegen hat es uns schon manches Mal doch so ein bisschen Spaß gemacht, wenn ein Mitmensch Pech hatte, einmal nicht alles gerade lief, er hereingefallen ist... Liebe Gemeinde, wenn wir bis hierher mitgedacht haben, und vielleicht in unserem Herzen auch mitgegangen sind und bejahen konnten, was ich da für uns alle so offen ausgesprochen habe, dann dürfen wir uns jetzt doch auch über das Wort Gottes freuen, das er uns - bei aller Resignation und Traurigkeit über unsere allzu menschliche Art - doch auch zusagt: „Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Ich höre da eine ganz wunderbare Verheißung! Und ich glaube, wir können diese Verheißung überhaupt erst jetzt so richtig begreifen und vor allem würdigen! Jetzt, nachdem wir über unser „Wesen von Jugend an“ gehört, uns Besserung vorgenommen haben und vielleicht ein wenig in uns gegangen sind. Gott will uns dafür nicht strafen! Er gibt uns neue Chancen, einen Neubeginn, jeden Tag! Und wenn wir auch immer negativ und griesgrämig waren, uns noch niemals mit einem anderen haben ehrlich freuen können, so kann es doch heute noch anders werden! Und hätten wir bis zu diesem Tag immer nur das Schlechteste erwartet, die gute Arbeit und das redliche Bemühen anderer immer übersehen, so ist unserem Leben heute doch ein neuer Anfang gesetzt. Wir sind nicht festgelegt auf unsere Art, wie sie immer war. Gott erkennt wohl unser Wesen, aber er nagelt uns darauf nicht fest. Wir dürfen aufatmen, anders werden und unsere alte Art hinter uns lassen, wie eine Wohnung, die uns zu eng und zu finster geworden ist. Wir müssen es nur ehrlich wollen. Gott hilft uns dabei, abzustreifen, was wir im Grunde unseres Herzens doch selbst nicht an uns mögen und was nicht zu Christen, zu erlösten Menschen passt: Das Aufbauschen von Kleinigkeiten, das Ausblenden des Schönen und Guten, die Missgunst, das ewige Nörgeln und Mäkeln, das Neiden gegenüber dem Glück anderer, das hämische Freuen, wenn schief geht, was mein Mitmensch sich so gedacht hat... Gott hilft uns, dass wir uns ändern können. Dies ist seine Hilfe, sein Vorschuss an uns, wir müssen nur zugreifen: „Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.“ Gott wird uns keine Steine in den Weg legen, wenn wir uns ehrlich wandeln wollen. Er wird uns fördern, er gibt festen Grund unseren Schritten, Sicherheit unserem Willen, Halt und Nahrung für Leib und Seele: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Wir dürfen mit unserem Leben säen und ernten, wir haben Zeit und Möglichkeiten, wir sollen unser Auskommen haben, Gott wird uns nicht drängen oder bedrohen. Es liegt ganz allein an uns, wie wir unser Wesen gestalten. Wir sind frei, dies zu tun oder jenes, frei, Menschen zu werden, wie Gott sie gemeint hat, frei, unseren Mitmenschen ein Nächster zu sein, ihre Sache zu fördern, zu bessern, zu helfen, dass sie froh werden und Liebe erfahren... Liebe Gemeinde, das alles wird nicht nur der Freude unserer Mitmenschen dienen, sondern auch der Freude Gottes und nicht zuletzt unserer eigenen! „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Ja, so ist es. Aber es muss nicht so bleiben. – Gott sei Dank dafür! AMEN