Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis - 8.10.2017 Liebe Gemeinde! Heute ist etwas im wahrsten Sinn „Grund-legendes“ dran! Es geht um den Glauben. Und wir wollen uns von der etwas theatralischen Geschichte, die uns leicht ablenken kann, nicht den Blick darauf verstellen lassen. Textlesung: Mk. 9, 17 - 26 Einer aber aus der Menge antwortete: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten's nicht. Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Wirklich: Neben der Geschichte selbst erfahren wir hier eine ganze Menge über den „Glauben“ der Christen. Wie er sein soll und wie er nicht sein darf. Aber der Reihe nach: „Wenn du etwa kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!“ So sagt der Vater des kranken Jungen. „Wenn du etwas kannst...“ Ich musste dabei an das Verhältnis so vieler Menschen heute zu ihrer Kirche denken. Da ist das oft genauso: Wenn du etwas kannst, liebe Kirche, dann will ich deine Dienste gern in Anspruch nehmen! Und eine schöne Hochzeit gestalten, das kannst du! Das geht ans Gemüt, wenn das Gotteshaus so hübsch geschmückt ist, wenn die Orgel so herrlich braust, wenn der Pfarrer so ergreifend spricht... Und eine Beerdigung ausrichten, das kannst du auch: Ein feierlicher Rahmen, eine angemessene Würdigung, Fürbitte und christliches Gedenken für unsere Verstorbenen... Und sonst noch ein paar Dinge, die kannst du, liebe Kirche. Die Konfirmation, die Goldene Hochzeit, die Andacht beim Vereinsjubiläum... Aber so übers Jahr...am Ende noch jeden Sonntag...da kannst du wenig oder nichts! Da trauen wir dir nichts zu. Da brauchen wir dich nicht! Und an die Sache mit dem Gebet musste ich denken. „Wenn du etwas kannst...“, mein Gebet, dann werde ich mich auf dich verlassen! Und wenn die Not da ist, dann kannst du etwas! Dann schreie ich und hoffe, dass mir Gott hilft. Dann rufe ich wieder einmal zu ihm und verlange von meinem Schöpfer, dass er mich herausreißt! Dann erinnere ich mich vielleicht sogar an einen Liedvers aus der Konfirmandenzeit... Auch in der Angst kannst du etwas, mein Gebet: Wenn mir ins Gedächtnis kommt: „...und ob schon wanderte im finstern Tal...“, oder wenn ich mich dann wie ein Kind an ein Wort klammere: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst...“, auch mit dem Tod vor Augen: „Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben!“ Aber sonst, liebes Gebet, sonst kannst du nichts! Tagelang, manchmal wochen-, monate-, jahrelang...kannst du nichts. Da baue ich auf andere Dinge. Da ist mir das Wort noch des fragwürdigsten Zeitgenossen wichtiger als du und verlässlicher auch! Da habe ich alles Mögliche im Sinn, nur nicht am Morgen die Hände zu falten, um Gottes Segen zu erbitten und nicht am Abend, ihm für die empfangene Güte zu danken. „Wenn du etwas kannst...“ Noch in vielen anderen Bereichen wird so gedacht und gesprochen. Auch zwischen Menschen gibt es diese zweifelnde Anfrage, dieses Misstrauen: Wie oft müssen wir beweisen, wer wir sind, was wir können und was wir „bringen“, wie man heute sagt. Immer liegt es an uns zu zeigen, was in uns steckt. Immer müssen wir sozusagen unseren Ausweis ziehen und unter Beweis stellen, dass wir etwas können. Nun, wir haben es schon gespürt: Bei Jesus sind solche Fragen an der falschen Adresse! Seine Antwort reicht die Anfrage zurück: „Wenn du kannst...“ - „alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Also, lieber Mensch, so fragt Jesus, glaubst du, dass ich etwas vermag? – Liebe Gemeinde, wenn wir es jetzt einmal für einen Augenblick wie Jesus machen, dass wir die Fragen auch zurückgeben wie er? Dann käme das heraus: Ihr sagt, wenn du etwas kannst, liebe Kirche... Fragt euch doch einmal: Was traut ihr eurer Kirche eigentlich zu - eben nicht nur bei Trauung, Taufe und Beerdigung, Konfirmation oder Goldener Hochzeit - sondern das ganze Jahr über? Was gebt ihr auf das Wort, das am Altar und auf der Kanzel verkündigt wird? Wie steht's mit der Sache Christi, wo sie nicht nur unsere Feste verziert, sondern harte Mahnung bedeutet, Forderung und Anklage sogar? Was ist der Trost wert, den sie euch sagen möchte, wieviel der Sinn, von dem sie euch redet? Vielleicht „kann“ die Kirche ja wirklich bei vielen Menschen unserer Tage nur so wenig, weil wir ihr keine Chance geben, keine Möglichkeit, unser Leben zu verwandeln, zu verändern...zu heilen... Und bei unserem „Gebet“ - ist es da nicht ganz genauso? Lassen wir uns von Jesus zurückfragen und fragen wir uns jetzt: Wieviel Zutrauen bringen wir zu unserem Gebet auf - in ganz normalen Zeiten? Nicht wenn Not und Angst und Tod uns bedrängen! Nein, mitten im Alltag, bei unserer Arbeit, in unseren Beziehungen, in unserer freien Zeit... Welche Bedeutung hat da unser Beten? Welche Rolle lassen wir es noch spielen? Überhaupt eine? Und was „kann“ unser Gebet vielleicht, was könnte es, wenn wir es nur einsetzten - jeden Tag, wenigstens morgens und abends! Der tragende Halt unseres ganzen Lebens könnte es werden! Jeden Tag neu ins Licht der Hoffnung tauchen! Geborgen sein. Eine tiefe, gelassene Freude verbreiten, die ausstrahlt und andere Menschen ansteckt - bei all den bitteren Stunden, denen wir täglich begegnen! Liebe könnte das Gebet wecken - selbst zu ganz schwierigen Menschen! Und vor allem: Jede Menge Taten könnten uns daraus fließen an den Freunden und selbst an denen, die wir nicht leiden mögen! Denn Beter wissen, dass Gott die Dinge in der Hand hat, die wir ihm anvertrauen. Nur: Eben vertrauen müssen wir unserem Gebet und dem, der uns zu beten gelehrt und geboten hat. Einsetzen müssen wir unser Gebet, täglich! Üben müssen wir uns darin. Nur dann wird es zu etwas taugen! - Und so ist es eben auch mit dem Glauben! Unser Glaube „kann“ genau so viel oder so wenig, wie wir ihm zutrauen. (Und er trägt auch etwa in Notzeiten nur so viel, wie wir ihn in guten Tagen „gepflegt“ haben!) Was ich bei der Geschichte, die wir anfangs gehört haben, noch so bemerkenswert und tröstlich finde: Der Vater bekommt, worum er gebeten hatte. Trotzdem es mit seinem Glauben ja nicht sehr weit her war. Er kann nicht sehr groß gewesen sein, dieser Glaube. „Wenn du etwas kannst“, hatte er gesagt, und nachdem ihm Jesus gezeigt hat, worauf es ankommt, bringt er schließlich nur das heraus: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Aber hören wir doch: Schon der Versuch ist genug. Wer sich ehrlich bemüht, sein Vertrauen in Jesus zu setzen, erhält Hilfe. Der Herr der Christen ist kein kalter Rechner, der nur dem richtigen, starken, unerschütterlichen Glauben sein Erbarmen zuteilt. Schon ein Fünkchen Vertrauen - und er schenkt Heilung. Schon ein bisschen Hoffnung - und er erfüllt die Bitte. „Wenn du etwas kannst?“ - „Alle Dinge sind möglich, dem der glaubt!“ - „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ - Und Jesus hilft. Er macht das Kind gesund. Immer geht das genauso! Fragen wir die Kirche ruhig, was sie sonst noch kann, außer Hochzeit, Taufe, Konfirmation und Bestattung. Trauen wir ihr etwas zu, auch am Sonntag, auch übers Jahr, wenn sie die frohe Botschaft der Liebe Gottes weitersagt und bezeugt und so viele meinen, sie müssten in dieser Zeit immer nur schlafen. Wenn wir der Kirche nur die kleinste Chance einräumen, unser Herz zu erreichen, dann kann sie uns den Weg durchs Leben weisen, zur großen Hilfe werden, Sinn schenken, Antworten auf manche Fragen. Schon der kleinste Versuch wird nicht ohne Wirkung bleiben - wenn er ehrlich ist! Denn unsere Kirche kann mehr, wenn wir sie lassen! Und fragen wir auch unser Gebet, was es noch kann, nicht nur wenn es uns dreckig geht und wir ganz unten sind. Geben wir ihm Raum und vor allen jeden Tag eine Zeit, dass es zu Gott dringen kann, wirksam werden und seine Kraft entfalten kann. Denken wir daran: Schon ein bisschen mehr Aufmerksamkeit auf das, was der Glaube der Christen bedeutet, schon ein wenig mehr Zutrauen in seine Macht, und er wird uns verwandeln, jeden Tag reicher machen und uns selbst dankbarer und getroster. Es wird ja gar nicht von uns erwartet, dass wir als die großen Glaubenshelden anfangen! Aber wenigstens so: „Herr, hilf meinem Unglauben!“ Schon solcher Glaube kann mehr, als wir dachten! Schon er empfängt größere Gaben, als wir je für möglich gehalten haben! AMEN