Predigt zum Karfreitag - 14.4.2017 Liebe Gemeinde! Wenn wir jetzt die Geschichte des Karfreitags hören, dann lassen sie uns - soweit wir das können - einmal auf die Menschen in der Nähe des Kreuzes unseres Herrn achten. Ist schon die Kreuzigung selbst grausam und erschütternd, dann ist es das Verhalten der meisten Menschen um den Gekreuzigten herum doch auch. Vielleicht geht uns dann heute neu auf, wie schrecklich dieser Tod am Kreuz doch war und was unser Herr für uns auf sich genommen hat. Textlesung: Lk. 23, 33 - 49 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles. Wir wollen jetzt einmal die Menschen unter dem Kreuz anschauen und auf das hören, was sie sagen: Da sind zuallererst die Soldaten, die sich nicht lange aufhalten, die Jesus vielmehr ohne Aufhebens die Nägel durch die Hände und Füße treiben. Die Kälte und Härte ihrer Herzen geht soweit, dass sie unter den Augen des Gekreuzigten um seine armselige Habe würfeln. Noch ehe Jesus die Augen geschlossen hat, muss er erfahren, dass er schon so gut wie tot geachtet wird: Seine Kleider wird er nicht mehr brauchen. Man kann das Los um sein Obergewand werfen. Und das Volk? Es „steht da und sieht zu“. Niemand schreit auf, niemand wehklagt und weint, keiner versucht gar die Soldaten von ihrem Vorhaben abzubringen. Wo sind die Hosianna-Rufer von vor ein paar Tagen? Wo sind die Unzähligen, denen Jesus die Gesundheit und gar das Leben wiedergeschenkt, wo die Menschen, denen er mit der Predigt von Gottes Liebe ein Ziel und einen Sinn für ihr Leben gegeben hat? Und da sind die jüdischen Oberen: Sie haben es erreicht. Der, den sie zu ihrem Feind erklärt haben, hängt am Holz. Jetzt können sie spotten: „Bist du der Christus, dann steig' herab vom Kreuz! Andern hat er geholfen und sich selber kann er nicht helfen.“ - Sie ahnen ja nicht, dass er auch für ihre Schuld dort hängt. Die Finsternis, die jetzt über das Land kommt, lag schon lange über ihren Seelen. Zur Rechten und zur Linken haben sie die beiden Übeltäter gekreuzigt. Obgleich nur ein paar Meter zwischen den Kreuzen liegen, an denen sie sterben werden, liegen doch Welten zwischen dem, was sie sagen: Der eine lästert Jesus, will ihn versuchen, doch noch seine Macht auszuspielen, an die er freilich nicht glaubt. Der andere erkennt seine Schuld, begreift, dass er wegen seiner eigenen bösen Taten dort hängt, weiß auch um die Unschuld Jesu und findet Worte der Reue und der Bitte: „Wir hängen hier zurecht, dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ Und: „Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und schließlich ist da der Hauptmann. Ein Römer und ein Heide. Und trotzdem preist er Gott und sagt über Jesus: „Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen.“ Wieder einmal - wie so oft in der Geschichte Jesu in dieser Welt - ist es einer, der kein Verhältnis zu Gott hat, der begreift, wer Jesus eigentlich ist und was sein Tod bedeutet. So viele Menschen wie hier unter dem Kreuz stehen, so unterschiedlich ist ihr Verhalten und ihr Verhältnis zu dem, der daran stirbt. Und so ist es bis heute. Lassen wir uns einmal fragen, wem wir gleichen, wenn wir heute diesen Jesus von Nazareth am Kreuz hängen sehen? Sind wir heute - am Todestag unseres Herrn - stark genug - auch für schmerzhafte Fragen? Da sind die Soldaten. - Sind wir wohl auch stumpf geworden wie sie? Geht uns das Geschick dieses - und anderer Menschen - nicht mehr nah? Was ist mit unseren empfindlichen Sinnen geworden im Laufe unseres Lebens? Wie steht es um unser mitfühlendes Herz? Haben wir uns an das Leid gewöhnt, schreckt uns der Schmerz der Menschen nicht mehr auf - bei all dem Elend und allen Nachrichten des Grauens, die tagtäglich auf uns einstürmen? - Aber dürfen wir abstumpfen gegen das Unrecht und die Ungerechtigkeit? Müssen wir nicht - als Christen - empfindsam bleiben, wenn die Flüchtlinge vertrieben, die Kriegsopfer getötet werden und die hungernden Kinder weinen? Da ist das Volk. - Gleichgültig und ohne Anteilnahme sind sie. Sie gaffen und schweigen, so als ginge sie das gar nichts an, was hier geschieht. - Sind wir auch so? Fällt uns auch nichts mehr aufs Gemüt, solange es nicht ganz nah kommt, unsere eigene Familie betrifft, unsere Angehörigen, unsere Kinder oder uns selbst? Andererseits wissen wir doch, es darf uns nicht kalt lassen, wie es dem Nachbarn geht. Wir sind „Christen“ - und wenn das nicht bloß ein Wort ist, dann sind wir Geschwister, weltweit eine Familie, mit dem einen Vater im Himmel. Und der da am Kreuz endet - ist unser Bruder! Und wir wissen: Er stirbt da für uns, „damit wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt“. Da sind die jüdischen Oberen. - Sie spielen die Rolle der Spötter. Ist das auch unsere Rolle? Haben wir nicht schon manchmal gedacht, warum Gott nur diesen Weg geht, diesen Weg der Schwäche und der Ohnmacht. Wenn das wirklich der Sohn Gottes war, warum dann Leiden und Blut, nicht Gewalt und Herrschaft, warum Schmerzen und Tod, nicht eiserne Faust und das Regiment der Stärke? War uns das nicht auch schon immer die Frage? Und sind wir nicht gar so weit gegangen, ihn zu höhnen: Wenn du der Christus bist, dann hilf mir jetzt! Oder es hat bei uns so geklungen: Wenn du mich jetzt hier herausholst, Gott, dann will ich an dich glauben! - Haben wir denn gar nicht verstanden, warum dieser den unteren Weg ging, warum er nur in Leid und Tod enden konnte, warum die Liebe nicht anders konnte und bis heute kann, als das Leid, den Hass und den Tod ertragen - um sie zu überwinden? - Vielleicht sind uns auch die beiden Übeltäter näher als wir bis heute wussten? Nur: welchem von beiden gleichen wir? Dem Lästerer, der nicht zur Reue fähig ist, der immer noch nicht merkt, dass dieser eine für alle - auch für ihn - die Schulden trägt, abträgt und ihn befreit vor Gott. Oder sind wir auf der anderen Seite, da, wo der zweite in sich geht und erkennt: Dieser ist unschuldig. Ich aber bin schuldig. Dieser leidet meine Strafe. Dieser stirbt für mich. Ich bin frei, darf leben... „Herr, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Dieser „Übeltäter“ ist gerecht geworden vor Gott. Seine Reue macht, dass er die Vergebung geschenkt bekommt. Der Tod Jesu erwirkt für ihn das Leben. Und da ist zuletzt noch der Hauptmann - nicht die schlechteste Figur unter dem Kreuz, wahrhaftig nicht! Er, der sicher bis zu diesem Tag nichts mit Jesus und dem Gott, den er verkündigte, zu tun hatte, lässt sich überwinden von dem, was er sieht und hört. Ja, so überwältigt wird er vom Geschehen, dass er nur noch stammeln kann, loben kann, den Gott preisen muss, den er doch gar nicht kennt: „Wahrhaftig, das ist ein großer Mensch gewesen!“ Ich wünsche uns heute, dass wir uns, wenn ich jetzt die Worte des Evangeliums ein zweites Mal lese, unter das Kreuz stellen lassen in unseren Gefühlen und Gedanken. Achten wir dann darauf, wem wir am ähnlichsten sind und wie die Botschaft, die uns diese Worte ausrichten, bei uns ankommt. Aber seien wir ehrlich dabei: 2. Textlesung: Lk. 23, 33 - 49 Das ist die Wahrheit der Geschichte von Golgatha: Für uns stirbt dieser eine am Kreuz. Wir sind jetzt unsere Schulden los. Wir dürfen heute vor Gott neu anfangen mit einem Leben in der Beziehung zu ihm, dem Vater. Nichts mehr muss uns belasten. Unser Bruder Christus hat für uns bezahlt. Wir sind frei. Gott sei gelobt in Ewigkeit!