Predigt zum 3. So. n. Epiphanias - 22.1.2017 Textlesung: Jh. 4, 46 - 54 Und Jesus kam abermals nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Und es war ein Mann im Dienst des Königs; dessen Sohn lag krank in Kapernaum. Dieser hörte, dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, und ging hin zu ihm und bat ihn, herabzukommen und seinem Sohn zu helfen; denn der war todkrank. Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Der Mann sprach zu ihm: Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin. Und während er hinabging, begegneten ihm seine Knechte und sagten: Dein Kind lebt. Da erforschte er von ihnen die Stunde, in der es besser mit ihm geworden war. Und sie antworteten ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. Da merkte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause. Das ist nun das zweite Zeichen, das Jesus tat, als er aus Judäa nach Galiläa kam. Liebe Gemeinde! Vorstellen kann man sich so etwas ja: Da finden Sie vielleicht in der Wochenmitte eine große Anzeige in Ihrer Tageszeitung, einen Aushang im Schaukasten oder einen Anschlag an der Kirchentür: „Am nächsten Sonntag kommt der bekannte Wunderheiler X in die Kirche von .......... (eigene Kirche eintragen!). Er wird an den Kranken und Behinderten der Gemeinde Zeichen und wunderbare Heilungen vollbringen. Mehr müsste da nicht stehen. Sie können sich denken, was da am nächsten Sonntag hier los wäre. Die Menschen würden sich dicht an dicht drängen und es wären viele darunter, die seit Jahren den Weg zur Kirche nicht mehr gefunden haben. Aber es ist schon so: Wir alle sind begierig auf Zeichen. Jeder von uns wartet doch auf sein ganz persönliches Wunder, gar nicht einmal nur die unter uns mit Krankheiten und Gebrechen: Da ist einer, der in der Nerv tötenden Langeweile seines Lebens verzweifelt Sinn und Erfüllung sucht. Da gibt's das Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat und sich sehnlich wünscht, es möchte noch einmal die alte Liebe aufflammen und noch einmal etwas in Bewegung kommen in ihrer Beziehung. Und da bin noch ich selbst mit meiner vielleicht verrückten Hoffnung, die ..... Plätze dieser Kirche könnten einmal Sonntag für Sonntag alle besetzt sein. Harren wir nicht alle auf ein Wunder? Sicher! Wir sagen's ja auch hie und da: Mir kann nur noch ein Wunder helfen! Oder: Wenn nicht ein Wunder geschieht, dann... Auf der anderen Seite: Wir sind auch schon ziemlich ernüchtert: Es geschieht ja doch nicht. Zurzeit Jesu, da gab's sowas noch, aber heute? Der Meister konnte Zeichen tun, damals. Und wir lesen ja auch davon in den Evangelien. Aber da fällt uns jetzt vielleicht etwas auf: Die Sache mit der Heilung des Knaben, von der wir vorhin gehört haben, ist für uns überhaupt nicht zweifelhaft. Wir denken und sagen: Das war ja doch Jesus. Der hatte solche Kräfte. Da regt sich in uns gar nicht die Frage: Kann ich das glauben? War das wirklich so? - Das war so! Jesus lebte ja noch, der Sohn Gottes ging noch über diese Erde und wirkte diese Zeichen. - Und heute? Ist Jesus tot? Wenn es so wäre, dann müssten wir verstehen, dass es heutzutage keine Wunder mehr gibt. Dann könnte allerdings auch die christliche Gemeinde einpacken, die ihn als den lebendigen Herrn verehrt. Also: Gibt's heute noch Wunder? Lebt Jesus? Vielleicht ist unser Bild von ihm ja auch schief? War er der große Wundermann, der Zeichentäter? Die Geschichte heute gibt Auskunft: Der Vater muss schon zu Jesus hingehen und ihn bitten. Fast gewinnen wir den Eindruck, der Herr tut das Wunder gar nicht gern, denn er rügt den Bittsteller: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, werdet ihr nicht glauben! - Glauben - darum scheint es ihm zu gehen und nicht um die Sensation oder um die Anerkennung, dass er etwas vermag. Warum kann er dem Mann hier doch helfen? Wohl deshalb - wir lesen: „Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin.“ Es war auf einmal Glaube da. Der Vater des Kranken traute diesem Jesus etwas zu. Und hinterher erst wird sein Sohn gesund, das ist wichtig: Der Glaube empfängt das Wunder! Und nicht das Wunder schafft den Glauben! Wenn wir diese Wundererzählung nun ganz ernst nähmen, bedeutete das: Dein Glaube an diesen Jesus wird auch Wunder empfangen. Du wirst sehen, wenn du glaubst und du erfährst dann, dass Jesus lebt. Aber darf man diese Geschichte wirklich so ernst nehmen? Soll man das sogar? Da kam einmal ein Mann zu einem Pfarrer. Die Gestalt, die da vor der Pfarrhaustür stand, war erbärmlich. Ein Mensch, abgerissen, zerlumpt, ohne Hoffnung, am Ende. Der Pfarrer ließ ihn ein und hörte folgenden Bericht. Der Mann war Alkoholiker, lange schon arbeitslos, die Frau war ihm weggelaufen. Nun hatte er kein Geld mehr, die Möbel waren weggepfändet und aus seiner Wohnung war er rausgeworfen worden. Er wusste nicht weiter. Zwar war er kein frommer Mensch - den Pfarrer kannte er nicht mal mit Namen - doch er hatte in seiner Not den Weg zu ihm gefunden. Wie gesagt, er hoffte nichts mehr. Vielleicht bewegte ihn deshalb so, was ihm der Pfarrer erzählte: Von dem Mann aus Nazareth, dem Freund der Hoffnungslosen, dem Fürsprecher der Schuldbeladenen, dem Genossen der Leidenden. Wie's genau kam, kann wohl keiner sagen. Jedenfalls setzt dieser Mensch in seiner Not auf Jesus und er kommt weg vom Alkohol, trinkt nicht einen Tropfen Wein mehr, den er früher flaschenweise konsumiert hat. Er findet wieder Arbeit, kann seine Schulden bezahlen, kann sich wieder eine Wohnung leisten und Möbel kaufen. Einmal, viel später - er hatte ein gutes Verhältnis zur Kirche gewonnen - fragt er seinen Pfarrer: „Eins beschäftigt mich immer wieder. Sie wissen ja, ich traue diesem Jesus eine Menge zu, aber die Sache mit den Wundern, die kann ich einfach nicht glauben. Nehmen Sie doch mal die Geschichte von der Hochzeit zu Kana, Herr Pfarrer: Ganz ehrlich, können Sie das glauben, dass er da Wasser in Wein verwandelt hat?“ Der Pfarrer denkt einen Augenblick nach und meint dann: „Ich weiß nicht, ob Jesus damals wirklich Wasser zu Wein werden ließ, ich weiß aber, dass er bei Ihnen aus Wein eine neue Wohnung, Möbel und ein anderes Leben gemacht hat.“ Die Geschichte - sie ist übrigens nicht erfunden - kann uns zweierlei deutlich machen: Der Glaube, so klein und erbärmlich er auch anfängt, wird mit Wundern beschenkt. Und umgekehrt: Bringst du kein Vertrauen auf, so wirst du kein Zeichen sehen. Und dann: Die Wunder geschehen heute, unter uns, jeden Tag, an dir und mir. - Wo können wir sie entdecken? Du hast Schuld auf dich geladen. Nicht irgendein Kavaliersdelikt. Eine handfeste Gemeinheit. Einer hat durch dich großen Schaden erlitten. Man schneidet ihn, tut ihm Unrecht - wegen dir! Du möchtest es wieder gut machen, aber wie? Wird der, den du geschädigt hast, deine Entschuldigung annehmen? Wie sollst du ihm überhaupt unter die Augen treten? Dann wird offen darüber geredet: Bitte vergib mir! Und das Unerwartete passiert: Die dargebotene Hand wird ergriffen, das befreiende Wort gesprochen: „Das soll uns nicht trennen, es ist gut, ich verzeihe dir.“ - Ich nenne das Wunder. Zwei wollen zusammen bleiben. Aus der Menge der Menschen wählen sie sich diesen einen zum Partner. Der soll's sein. Kein anderer. Der ist für mich bestimmt, dem vertraue ich mich an, dem will ich gehören ... ein ganzes Leben lang ... für immer. Man mag so nüchtern darüber denken, wie man will, es bleibt eine Sache zum Erstaunen, besonders für die beiden, die da Ja zueinander sagen. - Ich nenne das Wunder. Oder auch dies: In einer Zeit, in der alles auf Profit aus ist, auf Gewinn an Geld und Besitz, gibt es doch auch noch den echten Verzicht: Ich will nicht immer mehr und mehr haben, sondern sehen, dass ich weggebe, was mir entbehrlich ist. Mein Nächster - er mag auf der anderen Seite des Globus wohnen, aber er muss darben - darum braucht er meine Hilfe. Mein Überschuss kann für ihn Leben bedeuten. Da mögen ringsherum alle auf die Sicherheit ihres Sparbuchs setzen - einer schenkt weg, was er reichlich hat. - Ich nenne das Wunder. Wir sollten das nicht vorschnell abtun, etwa so: Das ist doch etwas ganz anderes als die Heilung damals oder die Verwandlung von Wasser in Wein! Ist die Vergebung, die uns wieder frei atmen lässt, nicht genauso wunderbar? Und kann die Liebe, die wir erleben, uns nicht genauso verwandeln? Und die echte Selbstlosigkeit, ist sie nicht genauso selten? - Warum dann nicht auch dabei von Wundern reden? Und woher kommt das alles? Steht nicht der Geist Jesu dahinter, wenn ein Mensch einem anderen verzeiht? Wer lehrt uns denn die Vergebung? Und von wo stammt die Liebe, die sich einem anderen ganz in die Hand gibt? Wer hat uns denn die Liebe vorgelebt, die bis ins Leiden und den Tod reicht? Und wer könnte sich selbst vergessen und hätte es nicht bei ihm gesehen und hätte nicht von ihm die Geborgenheit, die ihn auf die Sicherheit dieser Welt pfeifen lässt? Gibt's noch Wunder? Lebt Jesus? Trau' sie ihm zu. Glaube sie ihm - und du wirst sehen! Wenn er seine Wunder an dir tut, wirst du nicht derselbe bleiben und hast die Antwort auf deine Fragen! AMEN