Predigt zum Reformationsfest - 31.10./6.11.2016 Wir lassen uns einstimmen auf diese Predigt durch Worte aus dem Römerbrief: Textlesung: Röm. 3, 21 - 28 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus. Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. Liebe Gemeinde! Evangelische Christen gedenken heute der Reformation. Martin Luther hat die frohe Botschaft von der Gnade Gottes über uns Menschen in der Heiligen Schrift wiederentdeckt. Er hat uns den freien Blick zum Vater im Himmel gelehrt. Ihm verdanken wir, dass wir etwas von der Vergebung wissen, von der Liebe Gottes und von der Aussicht des Ewigen Lebens. Was jahrhundertelang unter einem Wust von Gesetz und knechtischem Dienen verschüttet gewesen war, unser Reformator hat es dem Staub der Jahrhunderte und dem Vergessen entrissen. Ein Grund zu großer Dankbarkeit! Ein Grund zur Freude: Wir sind Gottes geliebte Kinder. Er will uns - um Jesu Christi willen - ein erfülltes und gesegnetes Leben schenken - in dieser und einmal in einer anderen Welt. - Soweit in aller Kürze der innerste Kern der guten Botschaft Gottes, die uns Martin Luther neu ausgerichtet hat. Irgendwie wissen wir ja auch davon. Vielleicht ist das ja in unserer Konfirmandenzeit hängengeblieben: Luther hat uns das Evangelium wiedergeschenkt. Vielleicht erinnern wir uns ja noch an unsere Schulzeit und die Gottesdienste, die damals noch am Reformationsfest stattgefunden haben: Von Gnade und Barmherzigkeit Gottes war da die Rede und dass die Evangelischen nicht dem Gesetz dienen, sondern einem lebendigen Herrn. Vielleicht sind wir sogar bis heute ganz bewusst „evangelisch“ und begreifen auch in unserem Kopf, was es heißt, wenn wir von der „Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben - ohne des Gesetzes Werke“ reden. Wie gesagt: Wir wissen etwas von diesen Dingen. Wir haben ganz bestimmte Vorstellungen und Gedanken dazu. Unser Kopf „begreift“ etwas... Nur: Unser Herz bleibt leer und wird nicht wärmer davon und schlägt nicht höher, wenn wir darüber sprechen. Ich will's so sagen: Uns fehlt die Freude an der „frohen“ Botschaft. Uns geht die Begeisterung ab, die unzählige Christen in der Zeit Martin Luthers angesteckt, ja, überwältigt hat. Es ist uns, wenn wir ehrlich sind, im Grunde ein Rätsel, wie die Reformation vor 500 Jahren Herzen und Menschen und ganze Staaten verändern und umkrempeln konnte. - Und das ist ja nicht nur in religiösen Dingen so. Uns mangelt es doch heute überhaupt an der Freude! Wir sind - bei allem Luxus, der uns umgibt und allem Wohlstand, den wir genießen dürfen – oft recht griesgrämige, freudlose Zeitgenossen. Und so ist das nicht erst bei den älteren Menschen, denen etwa das Leben schlimm mitgespielt hat, die von Trauer oder Krankheit bedrückt sind; das ist schon bei den ganz jungen Leuten so, bei Kindern und Jugendlichen. Neulich habe ich vom Ergebnis einer Befragung in einer 7. Schulklasse gehört, „worüber sich die jungen Menschen besonders freuen?“, war die Frage. „Ich kann mich an gar nichts mehr freuen“, war bei über 50 Prozent der Klasse das traurige Ergebnis. Ich finde, wir müssten am Tag der „frohen“ Botschaft etwas für die Freude tun! Ich glaube, es wäre kein rechtes Reformationsfest, wenn wir mit den gleichen grämlichen und trüben Gedanken von hier weggingen, mit denen wir gekommen sind. Wir wollen etwas für die Freude tun! Jetzt, heute - in diesem Gottesdienst! Dazu gleich etwas, das Mut macht: Unsere Ausgangsposition ist gut! Da ist gerade in diesen Tagen – in denen in der Welt so viel Hass, Terror und Krieg in der Welt herrschen - eine große, unübersehbare Sehnsucht bei den Menschen. Ein Sehnen nach Freude, nach Glück, nach Geborgenheit, einem Stück heiler Welt und etwas erfülltem Leben. Die romantischen Filme der 50-er und 60-er Jahre haben im Fernsehen Hochkonjunktur! Die Leute sind es leid nur immer die Zerrissenheit, den Krieg, die ungelösten Probleme und die finsteren Zukunftsaussichten vor Augen geführt zu bekommen. Die Deutschen Schlager erleben im Radio und selbst in der Disko einen gewaltigen Boom. Ich denke, auch damit versuchen sich die Menschen in eine andere, vermeintlich bessere Zeit zurückzuversetzen. Die Volksmusik, die Herzbuben, Florian Silbereisen oder Helene Fischer füllen die größten Hallen, wenn sie auftreten. Am politischen Tagesgeschehen dagegen wächst die Verdrossenheit. Demonstrationen für den Frieden bei den jährlichen Ostermärschen bringen immer weniger Menschen auf die Beine. „Das bringt ja sowieso nichts“, ist die viel geäußerte Meinung. - Ich will das jetzt nicht besprechen oder gar bewerten; es ist sicher manches auch sehr bedenklich daran! Nur: Es ist so! Und ich lese daraus eine große, unbezwingbare Sehnsucht nach etwas Glück, etwas Frieden und etwas Freude. Die Voraussetzungen für die „frohe“ Botschaft sind also gut! Aber wie zieht nun die Freude wirklich ein bei uns? Wie wird aus unserem Sehnen das richtige, pralle, erfüllte Leben? Was verwandelt unsere finsteren, trüben Mienen in fröhliche, strahlende Gesichter? Liebe Gemeinde, ich kann hier keine Wunder vollbringen. Das kann Gott allein. Und selbst Gott braucht dazu Leute, die sich zur Freude verändern wollen, die sich anstecken lassen wollen vom fröhlichen Gesicht und der neuen, positiven Lebenseinstellung. Er will ja freie Menschen! Aber ich will drei Gedanken äußern und dazu drei Vorschläge machen, die uns - wenn wir das wollen - sicher auf dem Weg zur Freude ein gutes Stück voranbringen. Der erste Gedanke ist der „Vergleich“: Wir vergleichen ja gern und oft. Was habe ich, was haben andere. Wer hat es zu mehr gebracht als ich, wer ist immer ein armer Schlucker geblieben? Was kann ich, und wie gut sind meine Mitmenschen? - Gern schauen wir einander so an und messen uns und sehen, wie wir dann am Ende dastehen. Aber meistens geht das so aus: Wir nehmen nur wahr, was uns ins vorgefasste Bild passt: Der Fritz hat mehr mitbekommen! Warum kann ich mir nicht das leisten, was der Nachbar kann? Warum geht es der Familie im Haus gegenüber nur so gut? Mit dieser Sicht wird dann vergiftet, was wir haben und können und fertigbringen. Mit dieser Sicht nennen wir dann auch Gott ungerecht und parteiisch: „Warum nur hat er allen meinen Mitmenschen mehr zugeteilt als mir?“ Ein ganz einfacher Rat dazu: Vergleichen wir uns doch einmal mit dem Menschen ganz in unserer Nähe, der in den letzten Monaten einen Schicksalsschlag nach dem anderen erleidet! Nehmen wir doch einmal Maß an den Hungerleidern, die es auch in unserem Land gibt oder gar an den Ärmsten der Armen in der 3. Welt. Und denken wir einen Augenblick an die Menschen, die wir kennen, die zurzeit im Krankenhaus liegen und was sie mitmachen müssen. Neulich hat mir eine Frau bei einem Besuch im Krankenhaus gesagt: „Herr/Frau ………, was geht es mir doch noch so gut, wenn ich all die Armut allein auf dieser Station sehe!“ - Ein bisschen mehr Dankbarkeit ist der erste Schritt auf dem Weg zur Freude! Der zweite Gedanke: Im einem Gespräch vor Tagen haben wir uns darüber unterhalten, wie eigentlich die Großverdiener in Politik und Wirtschaft ihr Geld ausgeben können, das sie doch in oft so reichem Maß verdienen? - Keiner wusste dazu etwas Genaues, ich auch nicht. Aber uns ist dabei aufgegangen, dass etwa ein Mensch aus dem zerbombten Aleppo oder einer aus dem bettelarmen Albanien ganz gewiss auch bei uns fragen würde: „Wie geben die bloß ihr vieles Geld aus?“ Und sie würden ganz gewiss unseren vergleichsweise bescheidenen Wohlstand als das Paradies auf Erden ansehen. Was uns daran klarwerden könnte, ist dies: „Man gewöhnt sich an alles“, was man hat und genießen darf. Und das geht sehr schnell! Haus, Auto, Boot, Urlaub, Alterssicherung - das ist halt so. Nichts Besonderes. Manchmal merken wir dann aber doch, dass alles gar nicht so selbstverständlich ist. Dann weisen wir - fast entschuldigend darauf hin, „dass es uns aber auch einmal schlecht ging in unserem Leben, damals vor Jahren...“ Mein Vorschlag dazu: Wieder einmal hinsehen! Nüchtern und sachlich hinsehen! Wie begnadet sind wir doch, wie reich, wie gesegnet! Und der dritte Gedanke, der wichtigste vielleicht an diesem Tag: Wir sind doch Christen! Über alles hinaus, was wir haben und können, besitzen und in dieser Welt darstellen dürfen, kennen wir Gott. Wir wissen, dass er uns liebt. Über alle Dinge und Talente hinaus, hat er uns „seine Kinder“ genannt und uns nicht nur dieses, sondern ein ewiges Leben versprochen. Wir werden nie aus seiner guten Hand fallen. Wir sind bei ihm geborgen, wohin uns der Lebensweg auch immer führt. In der Angst ist er bei uns. Im Gebet lässt er sich hineinrufen in unsere Not und unsere Zweifel. In seinem Wort spricht er uns an und traut uns zu, ihn und die Mitmenschen zu lieben und mit dieser Liebe etwas auszurichten gegen die Not anderer, gegen Hunger, Verzweiflung und Einsamkeit der Menschen. Wie hoch achtet uns Gott! Mein Rat hierzu ist: Auch das wieder einmal sehen und erkennen und daran begreifen, wie begnadet wir sind. Wie gesagt: Wunder kann ich mit dieser Predigt nicht vollbringen. Aber bitten kann ich Sie und bitten will ich Sie: Liebe Gemeinde, wenn Sie sich auch schon lang und in diesen Zeiten immer mehr nach der Freude sehnen, dann vergleichen Sie sich und ihr Leben doch einmal mit dem Elend, das bei uns und in dieser Welt vielerorts herrscht. Und sehen Sie genau hin, wenn Sie dann ihr eigenes Leben prüfen und beurteilen. Beachten Sie auch all die guten Gaben und den Segen, in dem Sie leben dürfen! Und schließlich nehmen Sie auch das Größte und Schönste und Wichtigste wahr: Sie kennen Gott! Sie wissen von seiner Liebe. Sie gehen auf ein ewiges Leben zu! Wie viele Gründe für die Freude! AMEN