Predigt zum Sonntag „Exaudi“ - 8.5.2016 Textlesung: Eph. 3, 14 - 21 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi er- kennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Liebe Gemeinde! Mir ist bei diesen Versen besonders das Bild in Erinnerung geblieben, das uns gleich der erste Satz vor Augen malt: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater...“ Ich sehe das direkt vor mir: Da kniet einer vor Gottes Altar und übt Fürbitte, spricht für andere, fleht für sie, dass der Vater im Himmel sie stark macht, ihnen Glauben und Vertrauen schenkt, dass sie den Heiligen Geist empfangen und erkennen, worauf es ankommt - wie es hier heißt, dass sie die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe des Leben begreifen. Ich finde, das ist ein schönes Bild; noch schöner ist die Sache, die hinter diesem Bild steht: Zuerst, dass da einer für andere eintritt und bittet und dann, wie er das tut: Demütig, mit gesenktem Haupt und gebeugten Knien. - Ob wir daran etwas lernen können? Ob es uns gelingt, dem Vorbild des Paulus nachzufolgen? Wofür treten wir bei unserem himmlischen Vater ein? Was ist uns ein Herzensanliegen, so groß, dass wir Gott um seine Hilfe bitten, ihn im Gebet angehen und anflehen könnten? Wir wollen da ganz ehrlich sein: Es ist meine Gesundheit, die mich im Gebet zuerst beschäftigt. Es ist mein Leid, das Gott von mir nehmen soll. Es ist die Freude, das Glück für mich, um das ich ihn bitte. Und dann? Dann kommt längere Zeit gar nichts. Dann fallen mir meine Angehörigen ein, meine Töch- ter und Söhne, meine Eltern, mein Ehegatte..., je nach dem. Aber prüfen wir uns schon hier: Wann haben wir zuletzt für unser Kind gebetet, dass es den rechten Weg findet, dass ihm, wenn es etwa Konfirmand ist, auch die ,,Breite und Tiefe“ eines Lebens mit Christus aufgeht und in ihm die ,,Höhe und Länge“ und vor allem die Mitte einer erfüllten Zeit in dieser Welt findet? Und wann war zuletzt unser Ehepartner Gegenstand unseres Gesprächs mit Gott? Dass wir ihm, dem Vater aller Menschen, die Sorgen unseres Mannes oder unserer Frau genannt hätten, all die Nöte, von denen wir doch wissen, wie sehr der Mensch an unserer Seite darunter leidet? Und unsere Eltern? Können Sie sich noch erinnern - wenn Sie noch Eltern haben dürfen - wann Sie deren Anliegen zuletzt vor Gott gebracht haben? Die Einsamkeit etwa, die Gebrechen des Älterwerdens, vielleicht auch die Starre des Geistes, mit dem sie es sich und ihrer Umgebung oft so schwer machen und uns so hart, sie zu lieben? Gewiss, wir können sagen: Aber diese Menschen können doch selbst beten. Und wir könnten wohl hinzufügen: Wenn sie selbst ihre Sache vor Gott bringen, nützt es doch sicher auch mehr. Gott will doch, dass sich seine Kinder persönlich an ihn wenden. Das ist beides richtig. Aber - und das ist das Entscheidende - auf der anderen Seite wissen wir, dass viele von diesen Menschen, die uns nah und lieb sind, selbst nicht (mehr) beten, es nicht können, nicht wollen, den rechten Anfang nicht finden... Also sind wir vielleicht die einzigen, die Gott von ihrem Leid erzählen, die ihre Not vor ihm ausbreiten und um Hilfe bitten können. Wenn wir es nicht tun, dann - tut es niemand! Und gewiss, wir denken auch zu Recht, dass ein Gebet der Menschen persönlich, um deren Anliegen es doch geht, bei Gott mehr zuwege bringt. Wenn sie doch aber vor dem himmlischen Vater längst stumm geworden sind? Wenn sie den Mund und das Herz vor ihm nicht mehr öffnen? Wer soll sich denn dann vor Gott für sie stark machen, wer soll für sie eintreten, ja, wer soll denn ihr Stellvertreter vor ihm sein, wenn nicht wir? - Wir haben die Menschen, von denen hier die Rede ist, doch lieb! Sie sind unsere Angehörigen, unsere Allernächsten, unsere Kinder, unsere Ehegatten, unsere Mutter oder unser Vater... Aber die Fürbitte des Paulus reicht ja noch viel weiter: Nicht einmal für Verwandte spricht er sein Ge- bet, er bittet für Angehörige in einem viel weiteren Sinn: Für die Kinder des einen Vaters aller Men- schen. - Wie geht es uns damit? Nehmen wir doch unsere Gedanken von eben noch einmal auf und füh- ren wir sie zu Ende: Fällt es uns doch schon schwer genug, auch nur an unsere Liebsten zu denken, wenn wir beten, wie oft und wie intensiv haben wir für die Wohlfahrt, das Glück oder auch den Glau- ben von fremden Leuten gebetet? Tun wir das nicht nur noch bei der gemeinsamen Fürbitte in unseren Gottesdiensten? Eine alte gehbehinderte Frau aus der Gemeinde fällt mir ein, die hat einmal gesagt: ,,Wenigstens beten kann ich ja noch, und ich bete sehr viel, nicht nur für meine Familie, auch für die Politiker und die Ver- antwortlichen in unserer Gesellschaft. Die brauchen auch Gottes Hilfe und seinen Segen.“ Sie hat ja so Recht. Und ich glaube auch, dass sie dieses Gebet wirklich übt. Aber ich glaube nicht, dass solche Für- bitte ansonsten noch sehr weit verbreitet ist. Und ich glaube überdies, dass dieser Mangel der Grund dafür ist, dass sich im Denken und Handeln der Politiker und der anderen Großen dieser Welt so wenig von Gottes Geist und Segen zeigt. Allen Ernstes: Ich glaube fest, würde mehr für diese Menschen gebe- tet, sie würden mehr von Gott beraten und geführt werden. Denn unser Beten für sie wird gehört. Und die Fürbitte vieler erreicht auch viel. Das Gebet ist eine Macht und je mehr auf sie vertrauen, umso mehr wird sie bewirken. Aber da ist noch dieses zweite: ,,Ich beuge meine Knie vor dem Vater...“ Wieviel Nachdruck bekommt doch dieses Gebet durch die Haltung, in der es gesprochen wird! Wie inständig ist doch diese Bitte: Der Kopf demütig auf der Brust, der ganze Mensch, der da bittet, unten im Staub der Erde, auf den Knien... Nein, ich will Sie jetzt nicht auch noch zu dieser Haltung auffordern. Wir müssen nicht knien und wir dürfen ja auch frei aufschauen zu unserem Vater. Aber etwas von diesem Geist, in dem hier gebetet wird, wünsche ich uns auch: Dass wir so konzentriert beten lernen, so drängend, mit so viel Nachdruck auch und so viel Hartnäckigkeit. Einer, der sich auf die Knie herablässt, der will es unbedingt erreichen, worum er bittet. Einer, der sich selbst demütigen und klein machen kann, der hat nur ein Ziel: dass Gott hört und ihm erfüllt, worum er betet. Mir kam dazu noch ein Gedanke - mehr am Rande: Für wie viele Dinge dieser Welt sind wir doch be- reit, einen ,,Kniefall“ zu machen! Die vielen Güter und Gegenstände des Wohlstands und Luxus“, die wir heute haben müssen, das Auto, das Boot, die Videoanlage. Mancher muss sich für diese Sachen buchstäblich beugen, den Rücken krumm machen in Arbeit und Geldverdienen, nur um diese Dinge dann zeigen und vorweisen zu können vor den Nachbarn. Und wie viele demütigen sich dabei!? Neh- men Überstunden und große Plackerei auf sich, um mithalten zu können beim Wettbewerb, der auch in unseren Gemeinden, in Städten und Dörfern lange ausgebrochen ist: „Was kann ich mir leisten? Wer hat das größere Haus? Wer fährt den dickeren Wagen? Wer fliegt im Urlaub am weitesten?“ Vor so manchen Götzen gehen wir heute auf die Knie und legen uns in den Staub. - Wem gelingt im Gebet der Kniefall vor Gott, der demütig gebeten sein will - auch für die Mitmenschen? Liebe Gemeinde, ich wünsche uns, dass wir unser Gebet für die Mitmenschen neu aufnehmen, wo wir es nicht mehr üben. Ich wünsche uns, dass wir es verstärken, wo wir schon für andere beten. Ich wün- sche uns die rechte Demut dazu, die Haltung, die sogar auf die Knie gehen kann vor dem großen Gott. Wir wollen damit anfangen, dass wir die Worte des Paulus noch einmal hören und in Gedanken mit- sprechen: 2. Textlesung: Eph. 3, 14 - 21 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi er- kennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.