Predigt zum Sonntag „Judika“ - 13.3.2016 Textlesung: Hebr. 5, 7 - 9 Und er hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Trä- nen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und als er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden. Liebe Gemeinde, nein, das bekommen wir nicht im Nu zusammen! Woran denken wir denn, wenn wir das hören: „...Bitten, Flehen, lautes Schreien, Tränen...“ Da sehen wir vielleicht unseren Herrn im nächtlichen Garten Gethsemane auf dem Boden kauern, hören sein angstvolles Rufen: „Vater, wenn's möglich ist, dann lass diesen Kelch an mir vorbeigehen!“ Wir sehen Jesus und die Soldaten des Pilatus, wie sie ihn die Straße nach Golgatha hinauftreiben, die Striemen der Peitschenhiebe, die sie ihm beibringen... Und schließlich sehen wir das Kreuz, an das sie ihn schlagen, wie das Blut fließt und er langsam ausgeht, wie ein Verbrecher...und wir möchten's gar nicht sehen, möchten seine Schreie nicht hören...zu grausam das alles, schrecklich und brutal...und er hatte doch keine Schuld. Und jetzt heißt es - nur einen Satz weiter: „...und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt!“ Ja, wo denn, wie denn? Hat man ihn denn nicht übel umgebracht, ihm Leiden und Schmerzen zugefügt, ihn schändlich zugerichtet, ohne Erbarmen? Wo hat Gott ihn denn erhört? Warum ruft Jesus denn: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Wenn Gott hier bei ihm war, dann hat es nicht einmal Jesus selbst gefühlt! - Noch einmal: Wir kriegen das nicht zusammen. Hier geht ein Bruch durch diese Worte! Wir sehen nur Jesu Leid, hören seine Schreie aus Schmerz und Not. Von Gott und seinem Beistand spüren wir nichts. Und ich will diesen Bruch, der durch diese Worte geht, jetzt auch nicht zukleistern, nicht rasch zu- schmieren mit einem theologischen Gedanken...vielleicht diesem: Als hätte Jesus diese Worte der Ver- lassenheit doch sagen müssen, weil sich in ihnen ja die Schrift erfüllte, als hätte er doch aber nicht wirklich gelitten, nicht so große Schmerzen gehabt... Ich kann das nicht sagen - und auch nicht denken. Ich darf das auch nicht, denn daran hängt unser Glaube: Dieser hat die tiefste Verlorenheit dort am Kreuz erlebt, nicht ein Quäntchen Qual hat Gott ihm geschenkt, in diesen Stunden am Holz ist sein Va- ter für ihn weltenfern. - Lassen wir das einmal stehen. „So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt.“ Gehorsam - was muss das für ein Wert sein, wenn es darum ging! Leiden, Schmerz, Tränen, Not, äußerste Verlassen- heit, nur um zu lernen, gehorsam zu sein? Das ist eine bittere Lektion! Ich musste da an eine andere Geschichte denken, sie gehört auch zu denen, die heute, am Sonntag Judi- ka, gepredigt werden sollen: Die Sache mit Abraham, der seinen eigenen Sohn schlachten soll: Er hat ihn schon wie ein Opferlamm auf den Altar gelegt; die Hand mit dem Messer ist schon erhoben... Da erst, im letzten Augenblick hält ihn die Stimme Gottes zurück: „Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott gehorsam bist und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.“(Gen.22,1-19) Ist das nicht dasselbe? Genauso hart und grausam? Und wieder geht es um Gehorsam. Und wieder ist es so wichtig, zu gehorchen - wichtiger als der Schmerz eines Vaters, als seine Not, den einzigen Sohn zu opfern, als sein Leid, seine Tränen... Gehor- sam sein gegenüber Gott - wie viel scheint daran zu liegen, dass wir's lernen zu gehorchen! Liebe Gemeinde, ich spüre jetzt, wie eng verwandt dieser Gehorsam mit dem Glauben ist! Und ich ent- decke die gemeinsame Verwandtschaft des Gehorsams und des Glaubens mit einem dritten: dem Ver- trauen! Und wirklich: Immer könnten wir auch Vertrauen einsetzen, wo wir von Gehorsam hören: „So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Vertrauen gelernt.“ Und bei Abraham: „...nun weiß ich, dass du Gott vertraust und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwil- len.“ - Führt uns das weiter? Ich denke schon! - Wenn es nun überhaupt die Lektion wäre, die wir in unserem Leben in dieser Welt zu lernen haben, dass wir Gott gegen allen Augenschein, gegen alles, was andere Menschen von ihm meinen und reden und gegen alle Erfahrung, die wir selbst machen müssen und die nicht für einen güti- gen Gott, einen lieben Vater im Himmel spricht - dass wir ihm dennoch gehorsam sein, ihm glauben, ihm vertrauen sollen!? Ist uns das nicht schon oft, mindestens aber einige Male im Leben so ergangen: Irgendetwas stand auf der Kippe. „Wenn das nicht mehr wird“, so haben wir bei uns gesagt, „dann ist es aus, dann weiß ich nicht mehr weiter und will auch nicht mehr!“ Wir haben uns sehr allein gefühlt, ohnmächtig, ausgelie- fert und haben gespürt, wir können nichts mehr machen - jetzt hat ein anderer alles in seinen Händen. Vielleicht haben wir gebetet, vielleicht gehofft, gewiss aber haben wir gebangt! - Wie ist es ausgegan- gen? Nicht immer so, wie wir uns das gewünscht hätten, aber doch gut! Ich glaube, sonst wären wir heute nicht hier. Denn in solchen Zeiten des Lebens steht immer auch auf dem Spiel, dass wir unseren Glauben verlieren, unser Vertrauen... Was könnten wir daraus lernen? Was haben wir gelernt? Zunächst das: Wir greifen zu kurz, wenn wir sagen: Aber Gott hat Jesus doch damals nicht erhört! Ge- wiss musste er durch Leid und Tod - das war sein Auftrag, das war, was er für uns tun wollte! Aber er ist am Ende durch den Tod hindurchgegangen ins Leben! Nicht der Tod, nicht Kreuz und Tränen waren das Ende, sondern die Herrlichkeit bei seinem Vater! Und genauso greifen wir zu kurz, wenn wir sagen: Gott hat mich nicht vor der schlimmen Stunde be- wahrt, damals. Er hat dieses Unglück geschehen lassen. Er hat zugelassen, dass ich diese Krankheit be- kommen habe, diese Behinderung oder was sonst unser ganz persönliches Geschick sein mag. - Gott hat uns damit nicht allein gelassen! Wir sind hindurchgekommen mit seiner Kraft und Hilfe! Es gab doch Leben für uns - nach dem Leid! Und genau hier - in den Erfahrungen die wir machen durften - und die Jesus - gemacht hat, liegt der Grund, warum Gott das von uns haben will: Gehorsam, Glauben, Vertrauen! Ja, auch für Jesus war das eine Erfahrung, die er nicht nur einmal geschenkt bekam: Gott ist da, er hilft, wenn wir nichts mehr tun können. Denken wir an die vielen Menschen, die er heil gemacht hat und ge- sund. Immer wieder sagt er's ihnen: Gott hat dich geheilt, geh, danke und opfere ihm! Oder denken wir an die Stunde ganz kurz vor seinem Tod im Garten Gethsemane: Ein Engel Gottes stärkt ihn, wo er nur noch zagen und weinen kann. Aus diesen Erfahrungen sollte Jesus gehorsam werden, seinem Vater ver- trauen lernen. Und wir? Denken wir an die vielen Male in unserem Leben, da wir schon meinten, wir wären am Ende. Erinnern wir uns, wie es ausgegangen ist: Da kam doch wieder ein Morgen, an dem wir die Sonne ge- sehen haben und mit ihr ging neue Hoffnung auf. Nach dem Unglück gab es doch wieder gute Zeiten. Selbst wenn uns die Krankheit, die Behinderung nie mehr verlassen hat, so können wir doch leben mit ihr, Freude empfinden, lachen, trotz einiger Einschränkungen und mancher Beschwerden. Auch für uns gilt nun: Das ist geschehen, damit wir Gehorsam lernen, Glauben und Vertrauen! Liebe Gemeinde, auch ich weiß nicht, warum Gott uns oft nicht vor dem Bösen bewahrt, warum er uns nicht schützt, dass wir am Unglück, an der Krankheit, an Trauer und Leid vorbeikommen. Aber ich weiß, dass er uns nicht allein lässt, wenn wir drin sind in den schweren Tagen, drin sind im Leiden und dem, wovor wir lange gebangt haben. Er ist dann - auch wo wir ihn nicht spüren können - ganz nah und er führt uns auch hindurch. Wir haben es alle schon erleben dürfen! Manche von uns nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und hier liegt der Grund, warum Gott das von uns verlangt: Gehorsam! Wir haben Erfahrungen mit den bösen Tagen, dem Schweren, mit Schmerz und Kummer gemacht. Und wir haben Gottes Kraft darin erlebt - und dass er uns auch wieder andere Zeiten geschenkt hat. Jetzt wissen wir, dass es in und nach dem Leid weitergeht mit Gott, mit seiner Kraft und Hilfe. So ist das auch bei Jesus gewesen. Deshalb heißt es hier: „Jesus hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt.“ Liebe Gemeinde, selbst von seinem Sohn hat Gott das verlangt: Gehorsam, Glauben, Vertrauen... Vielleicht lüftet sich uns ja dieses Geheimnis doch ein wenig, warum Gott Gehorsam und Vertrauen von uns haben will, wenn wir nun noch diesen Gedanken betrachten: „Jesus ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt.“ Und wirklich: Steht hier nicht auch die Ehre des großen Gottes auf dem Spiel, wenn wir ihm nicht abnehmen, obgleich wir doch alle schon erlebt haben, dass er uns nicht fallen lässt, dass er uns durch alles Leid, alle Not, allen Kummer und selbst durch den Tod führen wird? Es ist schon so: Gott ehren, heißt allemal auch ihm gehorchen, ihm glauben und vertrauen - was immer das Schicksal uns auferlegt! Vergessen wir nicht: Jesu Gehorsam und sein Vertrauen sind am Ende nicht enttäuscht worden. Gott wird auch uns nicht enttäuschen. Unsere Erfahrungen und Gottes Ehre stehen uns dafür ein. AMEN