Predigt zum Sonntag „Okuli“ - 28.2.2016 Textlesung: Eph. 5, 1 - 8 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns ge- liebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts. Liebe Gemeinde! Wenn wir uns von diesen Worten ansprechen lassen wollen, werden wir sicher an einer Stelle des Tex- tes stutzig: „...wie es sich für die Heiligen gehört“, heißt es da. Sind wir damit gemeint? Vielleicht denken wir: Da sind doch sicher die Geistlichen angesprochen oder die Vorsteher der Gemeinde in Ephesus. Aber es ist anders. Paulus spricht an vielen Stellen seiner Briefe von allen Christen als Heili- gen. Aber können wir dazu wirklich ja sagen, dass wir Heilige sind? - Eine Pfarrerin führte in ihrem Konfirmandenunterricht einen Film vor. Der Film hieß: Sind sie ein Hei- liger? - In diesem Film werden verschiedene Menschen von einem Reporter ganz unvermittelt befragt, ob sie von sich sagen würden, dass sie eine Heilige, ein Heiliger sind? Das ist eine sehr merkwürdige Frage, nicht wahr. Und viele von den so Befragten hat auch entsprechend reagiert: Manche waren er- staunt und haben die Frage abgetan: „Da müssen sie einen Pfarrer fragen oder eine Nonne, ich bin nur ein ganz kleines Kirchenlicht.“ Andere waren belustigt: „Klar bin ich ein Heiliger, ich sehe doch auch schon aus wie Franz von Assisi, nur mit den Tieren sprechen kann ich noch nicht!“ Einige waren auch ärgerlich: „Wollen sie mich veräppeln? Mit so Sachen macht man keine Scherze!“ Vielleicht überlegen sie jetzt auch einmal, was sie antworten würden, wenn einmal einer Ihnen diese Frage ohne Vorwarnung stellen sollte: Sind Sie eine Heilige, ein Heiliger? Unser Organist spielt uns in der Zeit eine Strophe des Liedes, das wir nach der Predigt singen wollen. Pause: EG 621 Orgelspiel Noch einmal: Sind sie eine Heilige, ein Heiliger? - Ich glaube, Sie hätten sicher ähnlich reagiert, wie die Menschen, die der Film damals zeigte. Erstaunt, belustigt, ärgerlich... Hören Sie, wie es im Film weiterging: Am Ende kommt der Reporter an eine junge Frau: „Sind sie eine Heilige?“ Und sie antwor- tet ohne Umschweife und ohne davon verärgert oder belustigt zu sein, vielmehr ganz ernst, ganz über- zeugt und überzeugend: „Ja, ich bin eine Heilige. Für mich hat Gott seinen Sohn Jesus Christus ans Kreuz schlagen lassen. Für mich hat er das Liebste geopfert, was er hatte. Um mich zu retten, mich von Sünde und Schuld zu erlösen, hat er Leid und Tod auf sich genommen. Ja, ich bin Gott heilig! Ja, da- rum bin ich eine Heilige!“ Aber das war noch nicht ganz der Schluss des Films. Nachdem sie diese kla- ren Worte gesagt hat, wendet sich die junge Frau direkt an den Reporter, der die Frage gestellt hat und sagt ihm: „Und Sie sind auch ein Heiliger!“ Die Konfirmanden, denen die Pfarrerin den Film gezeigt hat, waren beeindruckt, besonders von den Worten der jungen Frau, und es gab in der Konfirmandenstunde noch eine lebhafte Diskussion. Liebe Gemeinde, wie wirken diese Worte der jungen Frau auf Sie? Man kann sie als sehr dick aufgetra- gen betrachten. Man kann sagen, wer redet denn so geschwollen daher. Irgendwie ist das nicht die Art, wie wir sprechen würden und was wir parat hätten, wenn uns einer mit dieser Frage auf den Lippen das Mikrofon vorhielte. Das alles stimmt sicher. Aber man kann trotzdem darüber nachsinnen und wird dann sagen müssen: Sie hat recht, die junge Frau. Wir sind Heilige! Wie gesagt, unter den Konfirmanden, die den Film gesehen haben, wurde noch lebhaft diskutiert. Sie waren sehr berührt von dem, was sie gehört hatten. Und ich denke, dass wir an diesem kurzen Film viel davon verstehen können von dem, was Gottes Heilsgeschichte mit den Menschen ausmacht und was der Grund unseres Glaubens als Christen ist. Ich bin überdies ganz sicher, dass die Worte der jungen Frau genau das ansprechen, was auch hinter den Worten des Paulus steht, wenn er uns ermahnt, uns so zu verhalten, wie es sich für die Heiligen gehört. Aber bevor wir dahin kommen, noch ein paar Worte dazu, warum wir heilig sind: Wenn wir die Schöpfung betrachten und das Leben darin, dann müssen wir es doch erkennen: Wie un- ermesslich groß ist das Universum, das Gott geschaffen hat! Wie gewaltig die Zeitspanne, die Gott sei- ner Welt gab, bevor er an Menschen dachte. Wie groß ist das Heer der Wesen, die Gottes Hand ge- macht hat - und gerade uns Menschen hat er als sein Gegenüber ausgesucht. Und man darf, ja, man muss das auch einmal ganz naiv persönlich nehmen: Wir, du und ich, dürfen dazugehören, dürfen „schön menschlich Antlitz haben“ wie es ein Dichter ausdrückt. Wir sind gewürdigt, Menschen zu sein, ein Bewusstsein von uns selbst und ein Wissen von Gott zu haben. Uns hat er aus der Sterblichkeit her- ausgehoben, dass wir seine Ebenbilder und Freunde, seine Kinder und Erben sein sollen. Wahrhaftig: Heilig sind wir! Emporgezogen aus dem Staub. Hoch geachtet, „gekrönt mit Gnade und Barmherzig- keit“, wie es der Psalmbeter ausdrückt. Aber wohlgemerkt: Nicht aus uns selbst, Gottes Güte ist es! Heilig sind wir - allein durch ihn! Ich glaube, dass wir von diesen Gedanken her nun besser verstehen, was Paulus uns sagen will: „Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein... Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an...“ Und: „...nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.“ Ich denke, dass wir von daher, dass wir Gott heilig sind, so manches einfach nicht mehr tun können. Es muss uns vor diesem Hintergrund einfach der Mut und der Wille ausgehen, wenn wir kleinkariert und neidisch unserem Nächsten nichts gönnen, wenn wir bei al- lem, was wir schon geschenkt bekommen haben, noch immer mehr und mehr wollen, in Gier und Raf- fen ohne Ende, wenn wir daherreden, wie es Gottes Kindern nicht gebührt und dabei unserem Namen, bei dem Gott uns genannt hat, Schande machen. Und wahrhaftig: Wir müssten Licht sein, hell und so, dass sich andere Menschen an uns wärmen können in all dem Dunkel und all der Kälte dieser Welt. - Aber, liebe Gemeinde, so sind wir nicht, wenn wir uns nur ehrlich betrachten. Das kommt für mich von daher, dass wir immer noch und immer wieder davon ausgehen, dass wir kleine, endliche Menschen sind, die in ihrem bisschen Leben halt mitnehmen und haben müssen, was nur zu kriegen ist. Und das liegt daran, dass wir viel zu gering von uns denken: „Ich bin doch nur ein schwacher, erbärmlicher Mensch, der nicht so über sich hinauswachsen kann, dass er Gott gefällt und ihm etwas an ihm liegt.“ Und das liegt nicht zuletzt eben daran, dass wir nicht sehen wollen, wie hoch Gott uns achtet und wie wichtig wir ihm sind. Darum noch einmal: Wir sind Heilige! Wir sind dem großen Gott heilig! Auserwählt aus allem, was er geschaffen hat. Von ihm mit Sprache begabt, dass wir sein Wort hören und ihm antworten können. Von ihm zu seinem freien Gegenüber gemacht, dass wir - einzig unter allen Wesen - das tun und lassen kön- nen, was wir wollen. Von ihm wert geachtet, dass er uns durch Jesus Christus ruft, ihn, seinen Sohn für uns in Leiden und Sterben schickt, vom Herrn der Welt gewürdigt einer großen, grenzenlosen, ewigen Liebe, die wir im tiefsten Grund nicht verstehen und die doch da ist! Heilige sind wir! Wir sind nicht die kleinen, vielleicht elenden Menschen ohne Zukunft und ohne Bedeutung, zu denen wir uns gemacht haben oder von anderen haben machen lassen. Wir dürfen unseren Kopf heben. Wir müssen nicht mehr vor uns sehen, immer nur auf das bisschen Weg, das - wie wir meinen - noch vor uns liegt. Wir sollen einmal durch die Tür hindurchgehen und eintreten in Gottes ewiges Haus. Heilig sind wir! Das ist das erste, aus dem sich das andere ergibt: Denn nun können wir auch Licht sein, hell sein, Wär- me verstrahlen, das schändliche Reden und Handeln lassen, die rechten Dingen tun, gut sein... Liebe Gemeinde, es ist auch hier so, wie wir es von anderen Glaubensdingen her kennen: Gottes Liebe läuft unserer voraus! Wir können glauben, weil Gott uns den Glauben schenkt. Wir müssen uns nicht verkrampft und voll frommem Eifer darum mühen, heilig oder doch wenigstens einigermaßen recht in Gottes Augen zu werden. - Wir sind es schon! Ihr seid mir heilig, sagt Gott! Jetzt können wir mit einem Leben antworten, das dem entspricht. Wir wollen jedem, der uns fragt, ob wir Heilige sind, sagen: Ja, wir sind heilig! Und auch denen, die uns nicht fragen, wollen wir es mit unserem Leben zeigen: Heilige sind wir. Und lasst uns, wenn wir unseren Mitmenschen begegnen - wenigstens in unseren Gedanken - hinzufügen: Auch du bist Gott heilig, wie ich es ihm bin! Dann nämlich werden wir auch mit ihm so umgehen, wie es dem entspricht, dass auch er für Gott heilig ist. AMEN