Predigt zum „Letzt. Sonntag nach Epiphanias“ - 17.1.2016 Textlesung: 2. Kor. 4, 6 - 10 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in uns- re Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwäng- liche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Liebe Gemeinde! Von wem redet Paulus? „Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist ban- ge, aber wir verzagen nicht.“ Kann man das von uns sagen: Sie werden angegriffen, aber es macht ihnen nichts aus. Sie werden um ihrer Treue und ihres Glaubens ausgelacht, aber sie bleiben standhaft. Sie müssen durch Trauer, Not und Kummer, aber nichts kann sie unterkriegen? Wir kennen das doch ganz anders: Da ist das mitleidige Lächeln des Nachbarn, wenn er uns zur Kirche gehen sieht, zuletzt vielleicht vor ein paar Minuten. Da ist das Kopfschütteln des Mitmenschen, wenn wir den Glauben der Christen zur Sprache bringen. Da gibt es die Zeitgenossen, die ihre Freude daran haben, wenn sie uns als fromme Spinner abtun können - vielleicht, weil sie besser reden gelernt haben als wir. Ärgert uns das nicht je- des Mal wieder? Fühlen wir uns nicht manchmal deshalb ziemlich mies. Wir hatten gedacht, dem geben wir aber diesmal die richtige Auskunft, wenn er uns wieder so anschaut. Er aber hat das letzte Wort behalten. Wir hatten uns alles so schön zurechtgelegt... Unser Gesprächspartner hatte doch wieder die besseren Argumente. Da fragen wir uns dann schon, warum kriegen wir nicht die Kraft, dass wir in Streitgesprächen siegen? Warum kommt uns im entscheidenden Moment immer nicht der Gedanke, der den Spötter schachmatt setzt? Warum lässt man uns nicht wenigstens in Ruhe? Jawohl, es ärgert uns manches - jeden Tag! Ein Christ sein, ist oft nicht leicht. Hin und wieder denken wir: Wäre es nicht besser, wir wüssten nichts von Jesus und seiner Sache? Und dann: Von wegen Treue und Glauben... Wer von uns hat noch keine Zeit gehabt, in der ihm die Zweifel kamen? Wir müssen doch nur die Nachrichten hören oder die Zeitung lesen. Wenn wir noch nicht ganz stumpf geworden sind, dann lässt uns das nicht kalt: Jede Minute stirbt ein Kind in der Welt an Hunger. 60 Millionen Menschen rings um die Erde haben ihre Heimat verlassen müssen und sind als Flüchtlinge unterwegs, gehen einer ungewissen Zukunft entgegen, schlafen auf ihrer Flucht unter freiem Himmel und besitzen oft nur noch, was sie auf dem Leib tragen. Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Überflutungen oder Tornados machen ganze Landstriche unbewohnbar. Ein Erdrutsch radiert ein Dorf oder einen ganzen Stadtteil von der Landkarte. Fragen wir da nicht: Wo ist Gott bei alledem? Und kann uns nicht so manches, was wir täglich selbst erfahren, auch zu diesen Fragen führen - zu die- sen Zweifeln? Hat uns das nicht den Glauben schwer gemacht, als wir dieses Unglück erlebt haben? Haben wir nicht auch gedacht: Warum, Gott, warum schickst du mir das..., wenn es dich gibt? Und schließlich - die Trauer: Fühlen wir nicht bei jedem Abschied von einem lieben Menschen wieder den eisigen Hauch des Todes? Und setzt er uns nicht immer wieder zu, drückt uns das Herz ab, zwingt uns die Tränen in die Augen, beweist an uns seine furchtbare Macht? Derselbe Tod, den Jesus doch ein für alle Mal besiegt hat...haben soll. O ja, wir sind von allen Seiten bedrängt, wir ängsten uns, wir zweifeln und wir leiden! Aber ob wir wirklich auch standhalten, ob wir uns im Leid bewähren, ob wir in Trauer stark sind??? Wer kann das von sich behaupten? Darum noch einmal: Von wem redet Paulus? Ja, und dann lesen wir noch: „Gott hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Er- kenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.“ Wie soll denn das gehen? Wie kann denn durch uns arme, schwache Christen auch nur einer für Jesus gewonnen werden? Sind wir nicht oft genug eher abschreckende Beispiele für das, was der Glaube an Gott bewirkt? Was müssen denn die Leute über das Christentum denken, wenn sie uns ansehen, unsere Ängste spüren, unsere Zweifel hö- ren, unser Warum...? Und wir ärgern uns ja nicht einmal nur daran, dass wir so schwach und klein sind und als Christen eine so traurige Figur machen. Es beschäftigt uns auch der Gedanke: Wie überzeugend wäre es doch für unsere gottlosen Mitmenschen, wenn wir das rechte Wort zur rechten Zeit hätten, bes- ser reden könnten, stärker wären im Leid und standhafter angesichts des Todes. Mit einem Wort: Wir wünschen uns mehr Kraft und Macht Christi, um die Leute zu ihm führen zu können. Was sagt Paulus?: ,,Wir haben aber solchen Schatz in irdenen Gefäßen...“ Was für ein passendes Bild! Wirklich: Unser Glaube, unsere Treue zum Herrn der Christen ist in unserem Inneren verborgen - wie in einem Gefäß. Und wirklich: Es ist ein „irdenes“ Gefäß, aus Ton, aus „Erde“ gemacht . Auch ist es von außen armselig anzuschauen. Da glänzt nichts, da blinkt und prunkt nichts. Wie Recht hat der Apostel! Aber es geht ja weiter: „...in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes - und nicht von uns“! Liebe Gemeinde, spüren sie, wie tröstlich das ist? Das soll so sein, dass wir so arm sind, so schwach, so hilflos manchmal. Gott will uns nicht als Über-Menschen, schon gar nicht als Über-Christen! Wir be- greifen das vielleicht noch nicht ganz, aber: Er will, dass wir dem Spötter im Redestreit unterliegen; er will, dass wir oft nicht die richtigen Antworten finden; er will, dass uns die Trauer zu Boden zieht, klein und verzagt macht! Gott will es so! Auch bei uns Christen - gerade bei uns! Warum? ,,Auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes - und nicht von uns!“ Damit Gott wirken kann und nicht wir. Und dass Gott selten den Weg der Stärke geht, wissen wir spätestens, seit sein Sohn über diese Erde ging: Von der Futterkrippe zum Kreuz führte sein Weg. Ohnmächtig, arm und hilflos war dieser Jesus - genauso wie wir uns oft fühlen. Aber durch seine Ohnmacht und Schwäche kommt Gott zum Ziel. Und wir dürfen uns seitdem darauf verlassen: Auch wenn uns im entscheidenden Moment die rechten Worte fehlen - Gott kann doch (vielleicht gerade dann) das Herz unseres Gegenübers rühren. Auch wenn er über uns spottet und lacht - Gott kann ihn doch nachdenklich machen. Auch wenn uns Tod und Kum- mer schier verzweifeln lassen - Gott kann doch zu den Menschen reden, die über unsere Trauer und Verzweiflung den Kopf schütteln. Ja, er will durch unser Versagen sprechen. Er will unsere Schwäche zu seiner Stärke gebrauchen! Gerade wo wir hilflos sind, kommt Gottes Stunde. Schwierig diese Gedanken! Aber wir wissen ja: Gottes Wege sind anders als unsere und seine Gedan- ken höher als die unsrigen! - Können wir sie wirklich nicht verstehen? Denken wir doch einmal da wei- ter: Was wäre denn, wenn wir stärker wären, wir Christen? Nehmen wir an, das Gefäß unseres Glau- bens blitzte und gleißte nur so. In der größten Not könnten wir noch ein Lied pfeifen. Aufrecht, ohne Tränen stünden wir an den Gräbern. Vor unseren Worten verstummte jeder Spott über die Sache der Kirche und des Glaubens.- Wie würde das wirken, bei suchenden Menschen, hinter deren äußerer Mas- ke sich ja oft genug Angst und Fragen verstecken. Müssten sie nicht denken: Wenn Christen solche Glaubenshelden sind, wie unerreichbar ist dieser Glaube für mich! Ja, müssten sie nicht geradezu ver- zweifeln - an uns - weil wir ihnen in unserer trotzigen Kraft so fern sind und so himmelhoch über ihnen stehen. Und noch in eine andere Richtung lohnt sich ein Gedanke: Wie würden wir selbst das wohl vertragen, wenn wir stärker wären? Immer das richtige Wort...die andern wissen nichts mehr zu erwidern...immer fröhlich, immer ein Lächeln, was wir auch tragen müssen...die Trauer um unsere Lieben stecken wir weg wie nichts...niemals ein Zweifel, nichts erschüttert uns...ein Christ aus dem Bilderbuch Gottes...? ,,Bilderbuch Gottes???“ - ,,Auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes - und nicht von uns!“ Ich würde hochmütig, wenn ich ein solcher Bilderbuch-Christ wäre. Ich müsste herabsehen auf all die klei- nen Christenleutchen, die sich so abmühen, die jeder Wind umbläst, jeder Zweifel schüttelt, jede Not anficht. Ich würde wohl vergessen, dass es nicht meine Kraft ist, sondern die Kraft Gottes, die alles be- wirkt, lenkt und führt. Ich würde wohl stolz werden - auf mich! In „irdenen“ Gefäßen ist unser Glaube aufgehoben. Er soll niemand blenden, niemandem so in die Augen stechen, dass er den eigenen Weg zu und mit Gott nicht mehr sehen kann. Seine Kraft gibt uns die rechten Worte - und die müssen nicht immer starke Worte sein! Seine Kraft will in unserem Glauben wirksam werden - und oft bedient sich Gott auch unserer Zweifel und unseres Haders. Seine Kraft ist auch in unserer Schwäche da, in unserer Trauer mächtig - und er tut mit ihr sein Werk an den Menschen. Unsere Ohnmacht und unsere Schwä- che sollten uns geradezu der Beweis dafür sein, dass Gott und seine Kraft in uns wirken! Gott will uns nun einmal als „irdene“ Gefäße gebrauchen. Aber er kommt durch unsere Armseligkeit zu seinem Ziel! Sein Wille setzt sich durch - in aller menschlichen Schwäche! Wir sehen es an unserem Herrn Jesus Christus. AMEN