Predigt zum „3. Sonntag nach Epiphanias“ Textlesung: Röm. 1, 14 - 17 Ich bin ein Schuldner der Griechen und der Nichtgriechen, der Weisen und der Nichtweisen; darum, soviel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen. Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: „Der Gerechte wird aus Glauben le- ben.“ Liebe Gemeinde! Über diesen Versen kann man schon ein wenig traurig werden! Warum? Nun, wie weit sind wir Chris- ten in diesen Tagen doch davon entfernt, dass wir so schreiben, reden oder doch wenigstens das aus- strahlen könnten, was Paulus hier schreibt: Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, Sie sind mir jetzt bitte nicht böse, wenn ich von „wir“ und von „uns“ spreche. Aber „die da draußen“, die selten oder nie zum Gottesdienst kommen, die hören es ja sowieso nicht - es sei denn, sie erzählen ihnen nachher von dieser Predigt. Aber von Zeit zu Zeit darf eine Predigt ja auch einmal mahnend und ernst sein, nicht wahr. - Aber ist es nicht wirklich so: Wir Menschen dieser Tage sind überwiegend damit beschäftigt, unser Le- ben zu „machen“, unsere Arbeit zu erledigen, unsere Freizeit zu gestalten, unser Haus zu bestellen, die Kinder großzuziehen, den Urlaub zu planen und was dergleichen noch so alles ist. Ich glaube, Jesus hätte überhaupt nichts dagegen gehabt, dass wir uns einen guten Beruf suchen, dass wir dann Freude an unserer Arbeit haben und ein Stück weit darin aufgehen, ein Häuschen bauen, unsere Freizeit genießen und den Urlaub... Vielleicht hätte er sogar verstanden, wenn wir bei den heutigen Arbeitsbedingungen am Sonntag hin und wieder ausschlafen wollen, wenn wir uns mit einer Lebensversicherung unser Alter absichern und uns hie und da eine besondere Freude gönnen. Aber ich möchte bezweifeln, dass vor ihm bestehen könnte, wenn wir nicht auch ein gehöriges Maß an Zeit, Kraft und Geld für seine Sache aufwenden, und seine Sache das ist die Gemeinde, seine Kirche, das Leben in der tätigen Nächstenliebe, das Teilen aller Güter und Gaben, die er uns schenkt... Aber was muss ich das denn erklären!? Jeder von uns weiß es doch, was Jesu Sicht ist, was er von uns haben will und mit Fug und Recht von uns verlangen kann. Und jede und jeder von uns kennt die Stun- den oder auch nur Augenblicke, in denen uns das wieder einmal ganz klar wird, wie sehr wir doch von einem Leben entfernt sind, das sich wirklich „christlich“ nennen dürfte und wie sehr die Art, wie wir leben, verwechselbar ist mit der Lebensart von Menschen, die Gott nicht kennen. Ja, das war es wohl, was mich traurig gemacht hat, als ich die Verse des heutigen Predigttextes las: Da gerät einer ins Schwärmen: Das Evangeliums ist eine Kraft Gottes, die alle selig macht! Da hat sich ein anderer das „Evangelium“, die frohe, befreiende Botschaft von Gottes Liebe, sehr viel kosten lassen! Er ist in gro- ßes Leid gegangen, ja, sogar in den Tod, den schändlichsten Tod am Holz des Kreuzes. Er tat das, da- mit wir gerecht werden vor Gott, mit ihm ins Reine kommen, um für das geradezustehen, was wir an Bösem tun und einander und Gott immer wieder und manchmal ein Leben lang schuldig bleiben. Und es ist ja doch so: Wir sind eifrig damit befasst, unsere 60 oder 80 Jahre möglichst kurzweilig zu gestalten, sorgenfrei zu verleben, luxuriös auszustatten, meist ohne uns um höhere Gedanken zu sche- ren. Aber er sagt es uns doch ganz klar und unmissverständlich: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! Alle anderen Wege führen zum Tod. Und: Schmal ist der Weg und eng die Pforte, die zum Le- ben führen. Die immer nur auf der breiten Straße ziehen, werden seine Zukunft nicht sehen. - Und wir...wir hören weg. Wir kümmern uns selten darum. Wir sind immer so mit uns befasst und den Erfordernissen und Umständen unseres äußeren Lebens. Für solche Gedanken haben wir wenig Zeit. Und auch das, was wir hier sonst noch lesen, spricht sehr wohl mit uns: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht...“, sagt Paulus. Wir dagegen schämen uns oft genug! Denn bei vielen Menschen ist es die reine Scham, wenn sie nicht zum Gottesdienst gehen oder um alles, was Kirche und Gemeinde heißt, einen großen Bogen machen. Es könnte einer sagen: „Was, du gehst zum Gottesdienst? Du fährst auf einer Gemeindefahrt mit? Du nimmst am Bibelkreis teil?“ - Wie oft mag wohl die Scham schon verhindert haben, dass ein Mensch den guten Weg findet, das Evangelium für sich entdeckt und damit das Leben? Aber genug der Klage. Was entgeht den Menschen denn, wenn sie die frohe Botschaft nicht annehmen, oder wenn sie nicht „selig werden“, wie es Paulus ausdrückt? Das ist die gute Nachricht für uns: Durch Jesus Christus bekommen wir...die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt... geschenkt. Aber was ist das, weni- ger hochtrabend formuliert? Ich habe es vorhin schon anders gesagt: Wir kommen mit Gott ins Reine. Vielleicht können wir's auch so erklären: Das Gefühl, nicht in Ordnung zu sein, fällt von uns ab. Oder so: Wir können aufhören, uns ständig selbst zu rechtfertigen - mit unseren Reden zum Beispiel. Wenn wir sagen: Ich bin zwar kein großer Kirchgänger, aber meinen Glauben habe ich! Oder wenn wir immer auf unsere viele Arbeit wei- sen: Sie dient oft genug ja auch nur dazu, die Gedanken nicht in uns aufsteigen und zu mächtig werden zu lassen, dass uns vielleicht doch etwas fehlt, dass eine große Leere in uns ist und wir eigentlich gar nicht wissen, was denn der Sinn sein soll von all unserem Schaffen und Schuften. „Gerecht sein vor Gott“, das heißt: Eine große Ruhe kehrt bei uns ein. Wir wissen auf einmal, was wichtig ist und was nicht. Wir spüren, was unserem Leben in einem höheren Sinne dient und was nicht. Wir kennen den Weg, wir sehen ein Ziel, wir können das tun, was uns diesem Ziel näher bringt. Aber auch dieses ande- re Wort ist ja missverständlich: „selig werden“... Wir denken da immer gleich an den Tod und das Le- ben danach. Das ist aber gar nicht nur gemeint. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Selig werden, das beginnt allemal schon hier und jetzt! Das ist wie wenn ich auf eine Hochzeitsfeier eingeladen bin. Schon lange davor freue ich mich doch darauf. Schon Wochen vorher lebe ich auf diese Feier hin und irgendwie auch schon von ihr: Wie wird das schön werden! Was werden wir gute, fröhliche Stunden haben. Wie glücklich werden wir sein und wie gelöst. Genau so frei und glücklich kann ein Mensch leben, der weiß, dass er mit Gott im Reinen ist, dass er um Christi willen all die Schuld, all die Irrungen und falschen Wege seines Lebens hinter sich hat und vor sich nur noch Gottes Liebe, sein Ja zu sich und endlich ein Ewiges Leben. Liebe Gemeinde, doch: zuerst war ich traurig, als ich diesen schönen Predigttext für heute gelesen habe. Und sie werden mir jetzt recht geben: Es ist traurig, wenn die Menschen immer wieder und immer weiter nur für dieses kleine Leben sorgen, das aus Arbeit, Freizeit, Essen, Schlafen und ein bisschen Kurzweil besteht. Es ist damit, wie Martin Luther es in ein gutes Bild fasst: Sie könnten eine Herrlichkeit haben und begnügen sich mit einer Bettelsuppe. Lassen wir uns das heute wieder einmal sagen und nahegehen, was Paulus hier aus vollem, fröhlichen Herzen spricht: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.“ Schenke uns Gott, dass uns dieses Wort in unserem Herzen erreicht und ver- ändert. AMEN