Predigt zum "Pfingstsonntag" - 8.6.2003 Textlesung: Jh. 14, 23 - 27 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Na- men, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Liebe Gemeinde an Pfingsten! Dies ist der Sonntag des "Heiligen Geistes" - aber be-geistert sind wir nicht gerade! Im Gegenteil. Mir ist das in den vergangenen Tagen besonders aufgefallen - wahrscheinlich weil ich mehr als sonst darauf geachtet habe - wie mutlos und resigniert viele Menschen heute doch sind. Und nicht Menschen irgendwo in unserem Land, sondern hier bei uns, in unseren Dörfern! Ja...wir sind es selbst. Das hat sicher viele Gründe. Einer hat mit dem zu tun, was nach Meinung vieler Menschen nicht auf die Kanzel gehört: Der Politik. Es kann schon entmutigen, wenn wir immer wieder die Verspre- chen vor der Wahl hören und danach bis zum St.-Nimmerleins-Tag auf die Einlösung warten müs- sen. Es kann schon zornig machen, wenn in Berlin gewirtschaftet wird, wie es sich keine Hausfrau zu wirtschaften leisten könnte. Und es macht mürbe und traurig, sehen zu müssen, wie der stetig steigende Geldbedarf unseres Staates immer wieder gerade bei den kleinen Leuten und den Schwächsten der Gesellschaft gedeckt werden soll. Aber - es wird wirklich besser sein - schweigen wir davon. Wenden wir uns einem anderen Grund für unsere Resignation zu: Dem, was wir erleben. Ich denke dabei an unsere persönlichen Erfahrungen. Was uns täglich so widerfährt, was wir sehen und hören, was uns seit einiger Zeit nicht schlafen und nicht zur Ruhe kommen läßt, was uns viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte schon belastet und sorgt. Und ich will ein paar Beispiel deutlich benen- nen: Daß es gestern zu diesem unerfreulichen Wortwechsel in unserer Familie gekommen ist. Daß unser Kind oder unser Enkel krank oder behindert ist. Daß wir vielleicht gar keine Kinder oder En- kel haben, unsere Lebenswünsche also an dieser Stelle unerfüllt geblieben sind. Daß wir nicht si- cher sein können, daß wir unseren Arbeitsplatz behalten werden. Daß unsere Rente einmal nicht reichen wird und wir von unseren Kindern unterstützt werden müssen. - Und ich müßte diese Reihe noch lange fortsetzen, bis auch nur eine Befürchtung und Sorge von jeder und jedem hier genannt worden wäre. Aber wir wollen uns alle mit unseren Gedanken und Ängsten, unseren Lasten und Nöten hier aufgenommen fühlen. - Aber was machen wir jetzt damit? Wie werden wir das los oder wenigstens: Wie wird uns ein bißchen leichter angesichts unserer bösen Erwartungen und dunklen Erfahrungen? Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht, sagt Jesus. "Leicht gesagt", möchten wir hinzu- fügen. Denn so schnell tröstet das nicht. So rasch nimmt uns keiner den Sorgenstein von der Seele! Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren, sagt Jesus. Ob das mehr ist, als ein Wort? Ob es dem Heiligen Geist gelingen wird, all die trüben Gedanken aus unseren Herzen und Köpfen zu vertreiben? Sie, liebe Gemeinde, dürfen jetzt bitte nicht denken: Nun, der/die (PfarrerIn, LektorIn, PrädikantIn) muß ja jetzt wohl den Heiligen Geist ins Spiel bringen. Es ist ja schließlich Pfingsten. Ich muß nicht. Ich will. Denn es ist nun einmal so: Wie auch ich alles das sehe und empfinde, wie auch ich böse Äußerungen höre, deprimierende Erfahrungen mache und manchmal alles am liebsten hin- schmeißen würde, so erlebe ich doch auch das andere, das ganz andere, was ich nicht mit Men- schengeist und -willen zusammenbringen kann. Vielmehr sehe ich da oder ahne ich doch wenigs- tens, daß Gottes Geist sehr wohl wirkt und mächtig ist in dieser Welt, unter den Menschen, ganz in meiner Nähe - und in ihrer Nähe auch! Und davon will ich jetzt erzählen: Ich mußte da an die vielen Situationen denken, wo ich ganz unten war, sehr niedergeschlagen und bedrückt. Wie oft kam dann der Anruf, der mich wieder erfreut hat, wie oft hat dann gerade jemand an der Haustür geläutet, der mich aufheitern konnte, wie oft trat dann das Ereignis ein, die Wen- dung einer mich belastenden Sache, mit der ich nie im Leben gerechnet hätte. - Sie haben so etwas noch nie erlebt? Dann werden sie mir aber wenigstens darin zustimmen: Wie oft hat die Zeit solche Wunden schon geheilt! Manchmal vergeht ja nur eine Nacht mit einem guten Schlaf - und die Welt und die Dinge, die uns schwer auflagen, sehen ganz anders aus, wie verwandelt. Ich glaube fest, da ist Gottes guter, heiliger Geist am Werk! Ja, mir scheint das manchmal so, als sage er zu mir: "Du hast jetzt eine so schwere Zeit gehabt, du sollst auch wieder einmal eine gute Stunde haben, einen Erfolg, eine Freude. Und die Menschen, die mir das bescheren, die kommen mir gerade so wie Bo- ten des Heiligen Geistes vor! Aber ich will ja nicht nur von mir reden. Neulich hat mir eine Frau aus unserer Gemeinde gestan- den: Sie hätte das früher nie für möglich gehalten, daß "Kirche", daß "Gemeinde" so viel Freude und Erfüllung schenken kann! All die netten Menschen, denen sie (auf der Familienfreizeit, im Bi- belkreis, im Frauenabend...) schon begegnet ist, hätte sie ja ohne die Gemeinde nie kennengelernt! Nicht auszudenken wäre das doch! Was diese Frau gemeint hat, könnten wir auch für andere sagen, für viele andere: Nicht auszuden- ken, wenn es unseren (Seniorennachmittag, Bibelstunde usw.) nicht gäbe! Wie viele wunderbare Stunden sind das doch in so vielen Jahren gewesen, in denen sich Menschen immer wieder getrof- fen haben, miteinander gesprochen, gesungen und gelacht haben. Wieviel Einsamkeit wurde da be- siegt. Wieviel Gemeinschaft empfunden und genossen. Wieviele gute Anstöße hat es auch für unse- ren Glauben als Christen gegeben! Oder der Frauenabend: Sicher ist das in jedem Winter wieder auch eine Überwindung, gerade am Anfang im November, den Weg ins Gemeindehaus zu machen, bei manchmal trübem, kaltem Wet- ter, sich aus der warmen Stube, vom Fernseher und dem gerade doch einmal so schönen Programm loszueisen, um den Frauenkreis zu besuchen. Aber wird das dann nicht auch belohnt mit schönen, wesentlichen Abenden? Was ist doch manchmal für ein Gelächter und Hallo in diesen Stunden! Wie vergehen uns manche Abende doch wie im Flug und wieviel nehmen wir an Fröhlichkeit und Entspannung und nicht zuletzt auch an geistlicher Nahrung für unseren inneren Menschen mit nach Hause! Könnten uns das der Krimi am Dienstag oder die Stars der Volksmusik am Donnerstag wirklich aufwiegen? Und gewiß nicht zuletzt möchte ich da noch unseren Singkreis (Kirchenchor) ansprechen: Wieviel Spaß macht uns diese Arbeit doch! Wie gut tut das Leib und Seele zu singen, der Musik und ja auch der Verkündigung durch die gesungenen Worte zu dienen oder auch der Freude in der Ge- meinschaft miteinander! Ja, bei alledem bin ich überzeugt davon, daß hier Gottes Geist wirksam ist, uns antreibt und führt, anstößt und manchmal auch unsere Widerstände bricht. Was mich da so sicher macht, ist die Tatsa- che, daß es Menschen ohne Gott so ganz offensichtlich nur sehr selten hinbekommen, daß eine Gemeinschaft über längere Zeit beieinander bleibt, und einer dem anderen dient, ohne daß Pflicht und Bezahlung, besondere Ehre, Aufstieg oder sonstige Belohnung im Spiel ist. Das schafft nur Gottes guter Geist: Menschen, die so verschieden sind, zueinander zu führen. Menschen, die ja auch zu Hause zu tun hätten, in ihr Gemeindehaus oder ihre Kirche zu bringen. Menschen, die an- sonsten die Beine hochlegen und nach einem schweren Tag abschalten könnten, zu einem Dienst an anderen oder der Teilnahme an einem Kreis zu bewegen. - Das macht der Heilige Geist Gottes! Liebe Gemeinde, mir ist schon klar, daß nun nicht alle Sorgen und alle Ängste, die Befürchtungen und Nöte unseres Lebens aufgehoben oder gar verschwunden sind. Was ich aber weiß und sehe, und was ich ihnen heute so gern mitgeben würde ist dies: Es gibt neben den dunklen Erwartungen und neben allen bösen Erfahrungen auch den Bereich des Lebens, in dem wir den Heiligen Geist spüren und mit unserem Leib und unserer Seele und allen Sinnen erleben können: Die Kirche, unse- re Gemeinde! Ich will nicht sagen, daß der Geist Gottes nur dort zu erfahren wäre! Aber dort im- merhin ist er zu erfahren! Immer noch, immer wieder und - so Gott will - noch lange!