Predigt am Ostermontag - 21.4.2003 Textlesung: Lk. 24, 13 - 35 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Ge- schichten. Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, daß sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist? Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk; wie ihn unsre Hohenpries- ter und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, daß dies geschehen ist. Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Er- scheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht. Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war. Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weiterge- hen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege ge- schehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach. Als sie aber davon rede- ten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Ich möchte heute - vor dem Hintergrund dieser biblischen Geschichte - gern einmal über ein Thema sprechen, das einfach wichtig ist für uns Christinnen und Christen. Und ich glaube, wir müssen einmal über dieses Thema sprechen - wann denn sonst, wenn nicht an Ostern? Es mag sein, daß uns das nicht so gefällt, wenn ich dieses Thema heute anrühre. Dem einen oder anderen wird es viel- leicht sogar unangenehm sein. Ich rede aber bestimmt nicht deshalb darüber, um damit etwas Schmerzliches oder Unangenehmes anzurühren. Ausdrücklich will ich es auch vorher sagen: Ich möchte mit dem, was ich anspreche, nicht verurteilen oder gar verdammen, wie jemand glaubt oder denkt. Aber ich kann wirklich nicht anders, als diesen Gegenstand einmal aufzugreifen - gerade an Ostern - auch wenn wir vielleicht eine eher fröhliche Predigt erwarten. Aber jetzt genug der Vorre- de. Es geht um die Auferstehung, das haben sie sich jetzt sicher schon gedacht. Ich weiß, es ist durch- aus nicht einhelliger Glaube unter uns Christen, daß Jesus Christus wirklich auferstanden ist. Ich habe schon viele unter meinen Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die haben damit ihre ganz großen Probleme. Und zahlreiche andere Menschen - sie mögen jetzt auch unter uns sein - haben daran ihre Zweifel. - Wir wollen das einmal so stehen lassen und nicht gleich abwiegeln und sagen: Aber das kann doch nicht sein! Das darf doch auch nicht sein, wenn einer ein Pfarrer (Prädikantin, Lektor) ist und ein Christ heißen will! - Glauben sie mir, das gibt es! Und das andere gibt es auch und noch mehr: Menschen nämlich, die behaupten: Jesus mag ja noch auferstanden sein, aber daß wir auferstehen, das halte ich doch für sehr unwahrscheinlich, ja un- möglich. Es ist ja doch auch noch keiner zurückgekommen. Ich kann nun sicher keinen vom Gegenteil dessen überzeugen, was er nun einmal glaubt. Kein Mensch kann das. Der Glaube ist unserem menschlichen Wirken und Walten entzogen. Er ist ja auch zuerst ein Geschenk Gottes. Aber ich kann Gedanken aussprechen, die vielleicht helfen, den Glauben neu zu suchen, ja, sich überhaupt wieder einmal damit auseinanderzusetzen. Und das könnte dann vielleicht dahin führen, daß Gott uns das Geschenk des Glaubens geben kann. Das eine, was ich sagen will, ist dies: Wie die unter uns, die an die Auferstehung der Toten glau- ben, heute einmal wahrnehmen müssen, daß es andere gibt, die das nicht glauben, so müssen jetzt auch die anderen einmal hinhorchen, wenn ich sage: Es gibt auch solche, die das glauben können, ja, denen das wirklich und wahrhaftig der innerste, wichtigste Kern ihres Glaubens ist: Jesus ist auferstanden und ich werde auch einmal auferstehen! In Gesprächen mit Menschen, die die Auferstehung leugnen, wird mir immer wieder eines deutlich. Sie sagen und denken etwa so: Was da in der Heiligen Schrift über das leere Grab und den Oster- morgen steht - dazu kann ich einfach nicht ja sagen. Das ist so märchenhaft, so jenseits jeder Ver- nunft, der Naturwissenschaft und jeder Erfahrung. - Ich kann das nicht glauben! Sie werden sicher erstaunt sein, wenn ich jetzt sage: Das sollen und müssen sie auch gar nicht glau- ben! Zum Glauben an die Auferstehung kommt man ganz anders, bei vielen Menschen, mit denen ich darüber gesprochen habe, war es so: Nicht weil es in der Schrift steht, können sie das glauben, daß Jesus auferstanden ist. Sondern darum, weil er heute lebendig ist, und wir ihn in unserem Le- ben erfahren. Beispiele? - Ist ihnen das noch nie so gegangen, daß sie völlig verzweifelt waren und mit dem Schlimmsten rechnen mußten? Haben sie da nicht auch schon die Hände gefaltet und gebetet? Und haben sie dann nicht auch schon Erhörung erlebt? Vielleicht ist das im Krankenhaus gewesen vor der Operation. Oder wenn sie Gott für ihre Kinder angefleht haben oder für sonst liebe Menschen. Kam dann nicht auch Hilfe? - Nicht immer! Aber doch schon hin und wieder und so, daß es spürbar war und sie nicht mehr haben sagen können: "Das war halt Zufall!" Ich behaupte nun: Von diesen Erfahrungen her ist es gar nicht weit zum Glauben an die Auferste- hung. Weil in diesen Erfahrungen Jesus Christus heute in unserem Leben wirkt. Weil - und das sa- gen nun wieder Menschen, die schon an ihn als den auferstandenen Herrn glauben können, weil er eben heute lebendig ist. Aber jetzt kommt das zweite, das vielleicht zum Glauben helfen kann: Wenn dieser Jesus heute in unserem Leben seine Kraft zeigt, wenn er also auferstanden ist und lebendig, dann ist es gar nicht weit zu dem anderen Glauben: Daß auch wir einmal auferstehen werden und lebendig sein sollen - in alle Ewigkeit. Was sollte denn sonst Gottes ganze Sache für einen Sinn haben, wenn nicht den, uns schon in dieser Welt auf seine Seite zu ziehen und in Ewigkeit in seiner Nähe zu behalten? Anders gesagt und vielleicht ein wenig drastisch: Ohne die Auferstehung der Toten wird Gottes ganze Heilsveranstaltung für seine Menschen bedeutungslos. Noch einmal anders: Wenn wir sagen Jesus Christus - ja!, aber an der Auferstehung der Toten hat mein Glaube sein Ende, dann fehlt dem Glauben seine Kraft, seine Tiefe und - nicht zuletzt - seine Zukunft. Wir dürfen aber und wir können Gott das glauben: Er hat Jesus Christus auferweckt von den Toten, er ist heute lebendig, und Gott wird auch uns einmal auferwecken aus dem Dunkel und der Verlo- renheit des Grabes. Darin liegt unsere Hoffnung. Darin liegt die Mitte unseres christlichen Glau- bens. Und jetzt haben sie ganz gewiß gespürt, was das alles mit eben dieser Geschichte von den Jüngern zu tun hat, die von Jerusalem nach Emmaus unterwegs sind: Die haben doch als sie sich auf den Weg machten, auch keinen Glauben an die Auferstehung gehabt, nicht an die Jesu Christi und schon gar nicht an die eigene. Alles, was sie wußten, war: Dieser Jesus ist am Kreuz gestorben und sie haben ihn in ein Grab gelegt. Damit war ihre Hoffnung am Ende. Für sie gab es keine Zukunft mehr mit diesem Jesus oder dem Glauben an ihn. Was bringt den Umschwung? Hören wir hin: Nicht daß er sie an die Vorhersagen der Propheten verweist. Nicht daß er ihnen die Heilige Schrift seit Moses Tagen auslegt. Erst als sie zusammen am Tisch sitzen, erst als sie IHN beim Brotbrechen erleben, erst als sie erfahren, daß er ihnen jetzt nahe ist... Da erkennen sie ihn, da glauben sie ihm, da ergreift sie neue Hoffnung, neue Zuversicht. Liebe Gemeinde, nicht durch überzeugende Rede kommt heute der Glaube an Jesus Christus, nicht durch Beweise für seine Auferweckung oder auch den Bericht vom leeren Grab... Durch die Erfah- rung seiner Hilfe in schwerer Zeit entsteht der Glaube an ihn. Durch seinen Beistand in den trüben Stunden unseres Lebens. Vielleicht aber auch einmal durch die Freude, die er uns schenkt und das Glück, von dem wir wissen, es kommt von ihm. Der Herr ist auferstanden! Sehen wir doch, was er heute an uns tut. Hören wir doch, wie er heute zu uns spricht. Fühlen wir doch, wie nah er uns ist - auch heute morgen!