Predigt am Sonntag "Invokavit" - 9.3.2003 Textlesung: Auszug aus Mt. 4, 1 - 11 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« Liebe Gemeinde! Sie haben recht, diese Geschichte geht eigentlich noch weiter! Es waren drei Versuchungen, denen Jesus begegnet ist. Aber alle drei zu besprechen, würde den Rahmen nur einer Predigt sprengen, finde ich. Und überdies meine ich, diese erste ist die wichtigste: "Bist du Gottes Sohn, dann sprich, daß diese Steine Brot werden." Lassen wir jetzt einmal beiseite, daß hier der Teufel auftritt. Lassen wir uns nicht davon ablenken, daß die Geschichte in der Wüste spielt und Jesus 40 Tage und Nächte des Fastens hinter sich hat. Sehen wir nur diese Versuchung... Die sagt ihnen nichts, meinen sie? Eine solche Versuchung ken- nen sie nicht? Ich will die Worte des Teufels aus dieser Geschichte einmal in unsere Zeit übersetzen, in unsere Welt, in Erfahrungen, die auch wir machen könnten und vielleicht schon gemacht haben. Ich will dabei Beispiele aus verschiedenen Lebensaltern wählen. Vielleicht werden dann alle angesprochen, die heute zum Gottesdienst gekommen sind. Denken wir uns einen jungen Menschen. Er ist 14 Jahre alt. Kurz vor der Konfirmation. Manchmal macht er sich so seine Gedanken: "Bald werde ich konfirmiert! Fast zwei Jahre jeden Dienstag Konfirmandenstunde! Manchmal hatte ich gar keine Lust! Und der Gottesdienst! Erst die "Junge Gemeinde", dann der für die Erwachsenen. Meist habe ich es über mich ergehen lassen, wenn ich ehrlich bin. Einfach abgeschaltet, im Gesangbuch geblättert oder auf die Uhr geschaut, wenn der Pfarrer nicht zum Ende kommen wollte. Jetzt sind es nur noch ein paar Wochen bis es vorbei ist. Und dann gibt es Geschenke! Und viel Geld! Einer aus unserer Gemeinde soll es vor Jahren auf ü- ber 2.500 € gebracht haben! So viel wird es bei mir wohl nicht. Aber trotzdem: Gelohnt hat es sich dann schon!" "...daß diese Steine Brot werden." Der Versucher würde sich heute in diesem Fall vielleicht so aus- drücken: "Vergiß alles andere und nimm aus deiner Konfirmandenzeit die Stereoanlage, ein paar tausend Euro und das Mofa mit. Das genügt!" Denken wir uns einen Mann in den mittleren Jahren. Er geht ganz in seinem Beruf auf, wie man das heute ausdrückt. Er verdient einen Haufen Geld, hat sich ein schmuckes Haus hingestellt und hat einige Leute unter sich. Eigentlich aber ist er arm dran. Der berufliche Erfolg hatte seinen Preis. Die Frau führt ihr eigenes Leben. Getrennte Schlafzimmer seit vielen Jahren. Jeder kommt und geht, wann er mag, vielleicht trifft man sich hin und wieder an der Haustür oder in der Küche. Jeder hat seinen eigenen Freundeskreis. Aber "Freundeskreis"... eigentlich kann man bei ihm nicht davon sprechen. Gewiß, er muß immer wieder mit Leuten ausgehen, die fürs Geschäft wichtig sind, eben Geschäfts-freunde, wie man die fälschlich nennt. Aber sonst? Früher sind sie in einer kleinen Cli- que Kegeln gegangen. Aber das ist lange her. Und auch im Urlaub ist er immer allein, von ein paar flüchtigen Bekanntschaften abgesehen. Und so wie das jetzt ist, wird das weitergehen - mindestens bis zum Ruhestand. "...daß diese Steine Brot werden." Ich glaube, hier hat der Versucher schon vor Jahren gesprochen, für diesen Mann etwa so: "Vergiß alles andere und jage nur dem Erfolg im Beruf nach, so wirst du glücklich im Leben!" Und denken wir uns noch eine ältere Dame, die schon einige Jahre ihre Rente genießt. Wobei "ge- nießen" die Sache nicht richtig beschreibt. Sie verzehrt sich oft vor lauter Sorgen, was noch alles kommen könnte! Sind die Renten noch sicher. Wird sie nicht irgendwann ins Heim müssen? Wie sieht es dann finanziell aus? Muß etwa der Sohn ran, wenn es nicht reicht? Genau genommen hat sie keinen Grund, sich solche Gedanken zu machen. Sie ist noch recht gesund. Neben der Rente hat sie auch noch eine Lebensversicherung. Und wenn alle Stricke reißen, ihr Sohn liebt sie und ver- dient bestens, der würde sich nicht aus seiner Verantwortung ziehen. Eigentlich gibt es bei der alten Dame ja überhaupt keinen Grund, sich irgendwelchen Befürchtun- gen hinzugeben. Sie könnte - leichter als viele andere - zufrieden sein, sich nach Kräften in ihrer Kirchengemeinde engagieren und gerade als gläubige Frau alles, was die Zukunft bringt, gelassen aus Gottes Hand nehmen. Sie kann es nicht. Ihre erste Sorge am Morgen und ihre letzte vor dem Einschlafen am Abend ist die: Wie gesichert ist mein Leben? "...daß diese Steine Brot werden." Ich glaube, der Versucher redet ihr das täglich ein: "Ob du beru- higt sein kannst, wenn du an deinen Lebensabend denkst, liegt allein an der Höhe deiner Rente und wie gut du versichert bist." Liebe Gemeinde, hören wir jetzt auf das, was Jesus dem entgegensetzt, damals: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht." Und wir wollen auch das hinein übertragen in unser Leben, zuerst in das der drei Menschen aus un- seren Beispielen: Gewiß würde der Junge kurz vor der Konfirmation lachen, wenn ich ihm sagen wollte, daß etwa sein Konfirmationsspruch oder der 23. Psalm, den er gelernt hat, wichtiger sein sollen als das Geld oder die Geschenke. Darum will ich es so sagen: Das Geld wird bald ausgegeben sein. Was du da- von kaufst, wird nicht ewig halten. Die Stereoanlage funktioniert ein paar Jahre, das Mofa wird schon im ersten Winter Rost ansetzen. Aber jedes gute Wort, das dich aus deiner Konfirmandenzeit in deine älteren Jahre begleitet, wird halten, ja es wird vielleicht immer wichtiger und wertvoller werden mit der Zeit! Daß Gott dein Hirte ist z.B., kann einmal dein Leben retten! Wenn du ganz unten bist. Wenn alles, was du dir vorgenommen und geplant hast, scheitert. Oder daß Jesus Chris- tus auch die liebhat, die große Schuld auf sich geladen haben. Das kann für dich einmal den Aus- schlag geben, daß du neu anfängst, wenn du in eine Sackgasse geraten bist. Allein kannst du da nicht herauskommen. Aber mit einem solchen Wort: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid... Der Mann in den mittleren Jahren müßte hören, was er ja längst schmerzlich spürt: Daß der Beruf eben nicht alles ist. Daß kein Geld der Welt Freunde, gute Nachbarschaft oder gar die Wärme eine Ehe ersetzen kann. Und er müßte erfahren, daß Gottes Wort uns in seinem innersten Kern zur Ge- meinschaft führen will: Zur Gemeinschaft mit Gott und miteinander, zur Gemeinschaft im Beten, Hören, Loben und Danken und Feiern. Diese Gemeinschaft kann der Beruf nicht geben. Nein, sie wird zerstört, wo einer zum Einzelkämpfer wird und nur noch den eigenen Erfolg im Sinn hat. Got- tes Wort schenkt Leben! Gottes Wort führt uns zueinander, schafft Beziehung und Gemeinde. Und die ältere Frau soll das wissen: Wenn du die Geborgenheit nicht hast, die dir Gottes Wort schenkt, dann nützt dir weder Rente noch Lebensversicherung. Wenn du deinem Kontostand mehr vertraust als der Zusage Gottes: Ich habe dich lieb und will dich niemals fallen lassen!, dann wirst du niemals Frieden finden. Denn Geld und Besitz können uns nicht sichern. Steine können nicht zu Brot werden. Gottes Wort ist wertvoller als alles, was wir für wichtig und tragfähig halten. Von ihm leben wir. Fehlt es uns, dann sterben wir - da mag unser Einkommen oder die Ersparnisse auch groß sein. Was uns jetzt noch fehlt, ist sicher dies: Die Antwort auf die Frage, wie wir zu solchem Vertrauen kommen? Wie läßt man alle vermeintlichen Sicherheiten fahren? Wie bringen wir den Mut auf, uns in Gottes Fürsorge zu geben? Wie wird Gottes Wort zum Brot für uns? Da lesen wir in diesem Wort Gottes kein Rezept: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht." Das ist nur eine Aussage, eine Zusage. Ich denke, wir müssen es einfach damit wagen! Unser Glaube an Gott ist ja überhaupt ein Wagnis! Woher weiß ich denn, daß es stimmt, daß er mich liebt? Genauso könnte ich allerdings fragen: Wo- her weiß ich denn, daß meine Frau, mein Mann, mein Freund oder meine Mutter mich lieben? - Die Antwort heißt: Indem ich ihnen glaube, indem ich es darauf ankommen lasse und mit dieser Liebe wage! Und so geht es auch mit der Liebe Gottes, auch mit dem Glauben an ihn. Ich wünsche uns allen den Mut, es mit dem Wort Gottes zu wagen. Ich wünsche uns allen gute, be- glückende Erfahrungen mit Gott und seinem Wort!