Predigt zum 2. Adventssonntag - 8.12.2002 Textlesung: Lk. 21, 25 - 33 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völ- kern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Men- schen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt aus- schlagen und ihr seht es, so wißt ihr selber, daß jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, daß dies alles geschieht, so wißt, daß das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht. Liebe Gemeinde! Es werden Zeichen geschehen an Mond und Sonne; furchtbare Dinge werden über die Erde kom- men; auch die Kräfte des Himmels werden ins Wanken geraten und auf Erden wird den Leuten bange sein und sie werden vergehen in Furcht... Schreckensbilder aus vergangener Zeit. So hat Jesus zu seinen Zeitgenossen von Ende der Welt ge- sprochen. Und sie verstanden diese Bilder, denn er redete von ihren Ängsten: Die Angst vor den Naturmächten, vor Sonnen- oder Mondfinsternis, vor Erdbeben, Unwetter und der Gewalt des Mee- res. So stellten sie sich die letzten Tage der Menschheit vor. So dachten sie sich den Anbruch des Weltendes. Jesus malt diese furchterregenden Bilder. Will er Angst machen? Nein, Hoffnung! Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Er- lösung naht. - Erlösung, von allem, was uns Angst macht, Befreiung, von all den Dingen, die uns Furcht einflößen. Darauf will er hinaus. Zu uns heute spräche er wohl anders. Für uns malte er andere Bilder, aber nicht minder schreckli- che! Vielleicht solche: Und es werden Zeichen geschehen überall auf der Erde. Der Hunger bei den armen Völkern wird Millionen Opfer fordern, wahrend die reichen Nationen in Müll und Wohlstand ersticken. Die Arbeitslosigkeit wird um sich greifen, während die, die Arbeit haben, an Streß und Leistungsdruck zugrunde gehen. Die Kriminalität in den großen Städten wird zum uner- träglichen Problem. Wasser und Luft werden zunehmend verpestet. Die Natur wird aus dem Gleichgewicht geraten. Den Leuten wird bange sein, und sie werden zagen. Und die Menschen werden verschmachten vor Furcht...vor der unberechenbaren Gewalt der Atomenergie, vor der Ge- fahr, wie sie von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren ausgeht, vor der hemmungslosen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, vor dem Raubbau an unseren Rohstoffen... So oder ähnlich spräche Jesus uns an. Da ist von unserer Furcht die Rede. Glücklich, wer solche Ängste nicht hat. Glücklich? Vielleicht auch blind?! Ernst zu nehmende Wissenschaftler bezwei- feln, daß wir die nächsten 50 Jahre überdauern. Die Rohstoffe gehen zur Neige. Die Energie zu er- zeugen, die unsere Wirtschaft zum Produzieren braucht, wird immer teurer. Ganze Kontinente von Lebensmöglichkeiten und bescheidenem Wohlstand auszuschließen, wird immer schwieriger. Der Kampf ums Überleben zeichnet sich ab. Da sind Konfliktstoffe in Menge. Und wie die immer noch bis an die Zähne bewaffneten Staaten Konflikte austragen, kann man sich an den fünf Fingern ab- zählen. So sieht es aus. Das sind die Schreckensvisionen unserer Zeit. Wie lebt man damit? Nach mir die Sintflut, sagen die einen. Laßt uns das Leben genießen, essen, trinken und fröhlich sein, denn morgen sind wir tot! Wir wollen nichts versäumen, solange noch das Lämpchen glüht. Und man kann an ihrem Leben absehen, wie sie denken: Der eigene Bauch ist ihr Gott. Um ihre Person dreht sich alles, um ihr Vergnügen, ihren Teil am Wohlstandskuchen. Ihre Zeit vertun sie damit, ihren Besitz zu steigern, mehr und immer mehr von allen äußerlichen Dingen des Lebens müssen sie haben. Aber sie merken wohl, wie leer sie bleiben, denn der Mensch ist nicht sein großes Haus, er ist nicht sein dickes Konto, er ist nicht, was er sich leisten kann. Ich habe mich bemüht, sagen die andern. Ich habe mich nach Kräften eingesetzt, diese Welt zu verändern. Ich warb um Verständnis für die Unterdrückten, um Liebe für die Ausgestoßenen, um Entgegenkommen für die Außenseiter. Ich wollte die Menschen ändern...aber ich bin gescheitert. Mit meinem Ruf nach Mitmenschlichkeit bin ich auf taube Ohren gestoßen, mit meinem Versuch, das Böse durch Liebe zu überwinden, hatte ich keinen Erfolg. Die Erde dreht sich, ich kann sie nicht aufhalten. Es geht alles seinen Gang, was kann ich tun? Ja früher, da hatte ich noch Illu- sionen! Meine Ideale aber zerbrachen - an der Starre der Verhältnisse, an der Sturheit der Men- schen... Eine dritte Gruppe hat sich den Mut zur Veränderung bewahrt: Was nicht ist, kann ja noch werden! Einmal werden die Menschen schon aufwachen! Wir lassen uns nicht einschüchtern. Es gibt Mißer- folge und es wird sie weiter geben. Rückschläge wollen uns mürbe machen; wir aber lassen uns den Schwung nicht nehmen. Die neue Welt wird anbrechen, ganz gewiß, denn sie kommt von woanders her: Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Auf dieses Kommen warten wir, da liegt unsere Hoffnung! Die Katastrophen, von denen wir hören, werden geschehen und sind schon da. Die Schreckensvi- sionen werden wahr und wir haben sie schon vor Augen. Dahinter aber ist ER uns verheißen: Sein Kommen in Kraft und Herrlichkeit. Dieses Kommen, diese Ankunft ist Thema dieses 2. Sonntags im Advent: "Sehet auf und erhebet eure Häupter, darum daß sich eure Erlösung naht!" Das sind eigenartige Menschen, die mit dieser Ankunft des Herrn rechnen: Sie legen die Hände nicht in den Schoß, obgleich ihnen wenige Erfolge zuteil werden. Auch wenn sie wüßten, morgen wird dieser Tag Gottes anbrechen - sie würden heute noch einen Baum pflanzen. Die Zukunft ist ihnen hell, trotz ihrer Furcht. Sie sind nicht frei von der Angst in dieser Welt, aber sie warten auf den Beginn einer anderen, der neuen Welt Gottes. Nie- mand und nichts kann ihnen diese Hoffnung nehmen, denn Jesus hat sie versprochen. Und darauf ist Verlaß! Denn, was er damals sagte, hat er auch getan, was er heute verspricht, geschieht. Bei ihm ist Reden und Tun ein und dasselbe: Du bist Gott recht, deine Sünden sind dir vergeben. Steh auf, nimm dein Bett und geh. - Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin, dir geschehe wie du geglaubt hast! Und sein Knecht ward gesund in jener Stunde. Das sind Beispiele für diese Sache: Jesu Worte sind nicht leer. Man kann darauf bauen. Er spricht - und es steht da! Er verheißt - und es wird einmal sein! Die auf ihn warten, hoffen nicht ins Blaue. Gewiß, sie sehen den Hunger in der Welt, die Kriege überall, den Rüstungswettlauf, die Zerstörung unserer Unwelt. Sie sehen das alles und sie leiden daran. Sie erfahren, daß ihre Kraft viel zu klein ist, all die leeren Hände zu füllen, sich all dem Unrecht entgegenzustellen, allen Mißbrauch der Natur zu verhindern. Aber sie geben nicht auf! Gegen alles, was ihnen den Mut nehmen will, setzen sie ihr Dennoch! Es ist eine große, eine trotzige Hoffnung, die sie bewegt. Liebe Gemeinde, sind wir bereit für seine Ankunft? Ist Hoffnung in uns? Oder gleichen wir mehr den Menschen, die um ihr eigenes Ich kreisen oder lange resigniert sind und aufgegeben haben? Hinter all dem Schrecklichen, auf das wir zugehen, hinter allem, was uns Angst macht, kommt er, herrlich und in Kraft! Die auf sein Kommen hoffen, bleiben nicht bei der Angst stehen: Bereitet dem Herrn den Weg! Man kann nicht alles tun, aber mehr als man glaubt. Darum: Weicht den Schwierigkeiten nicht aus, laßt euch von Rückschlägen nicht unterkriegen! Er, der kommt, ruft uns in nüchterne Verantwortung und stellt uns Aufgaben in dieser Welt. Und wo wir diese Aufgaben wahrnehmen, wird die Zukunft ein wenig heller; dort geschieht Rettung für uns und alle Menschen. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, sehet auf und erhebet eure Häupter, darum daß sich eure Erlösung naht. Erlösung wartet auf uns, nicht das Ende! Der ganz andere Zustand, Glück, eine Zeit ohne Angst, ein Land ohne Tränen, Menschen, aus dem Tod, endlich ins Leben gekommen... Erhebet eure Häupter! Die Herrlichkeit beginnt! Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis daß es alles geschehe!