Andacht zum Wochenspruch Wochenspruch zur Woche nach dem So. "Estomihi": Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lk. 18,31) Man traut sich ja fast nicht - in den Tagen vor Aschermittwoch - zu einem solchen Vers zu sprechen!: "Hinauf nach Jerusalem", "es wird alles vollendet werden"... Wir wissen es ja: Die Passionszeit beginnt bald. Jesus wird in Jerusalem einziehen. Zuerst werden sie "Hosianna" schreien und später: "Ans Kreuz mit ihm!" Und er wird den Kreuzweg gehen und oben auf dem Hügel schändlich sterben. Wir kennen die Geschichte! Aber sie ist uns in jedem Jahr neu unangenehm, wenn wir ehrlich sind. Das liegt gar nicht nur daran, daß wir die "tollen Tage" noch vor uns haben. Das liegt einfach am Thema der kommenden sieben Wochen bis Ostern: das Leiden; wer denkt schon gern daran? Was verbinden wir mit den Gedanken an Passion und Leiden? Der eine steckt selbst mittendrin im Leid: Vielleicht quält ihn seit langem eine Krankheit? Vielleicht sind die häuslichen Beziehungen unerträglich geworden? Vielleicht herrscht Unfriede in der Ehe oder - auch das gibt es! - materielle Not belastet und erstickt jede Lebensfreude? Und noch so manches mehr kann bedrücken, wehtun, Leiden verursachen. Einem anderen geht es gut, aber da ist immer die Angst, es könnte einmal unverhofft anders werden. Man fürchtet den Tag, an dem das Schreckliche geschieht, an dem das Unglück über einen hereinbricht, an dem "das Schicksal" zum Schlag ausholt. Diese Angst ist zu groß, als daß man mit ihr umgehen könnte. Also wird sie verdrängt. Man versucht nicht an sie zu denken. Wenn "Passion" auf dem Kalender der Kirche steht, wird man Gottesdienst und alles meiden, was einem das Leiden zu nahe bringt! Sicher gibt es noch viele andere Einstellungen zum Leid und auch Möglichkeiten, mit ihm umzugehen. Aber gilt nicht für alle, daß es gut ist, wenn uns das Kirchenjahr Wochen der Besinnung auf das Leid anbietet? "Passion" läßt sich ja doch nicht aus unserem persönlichen Leben drängen, nur indem wir nicht dran denken! Und aus dem Geschick Jesu Christi schon gar nicht! Das Leiden gehört dazu. Für uns und für den Herrn der Christen - und weil Jesus die Passion durchlitten hat, müßten seine Leute jetzt auch mit dem Leid fertigwerden können. Ja, ich wage es einmal auszusprechen, seit Jesu Passion wird unser Leben erst durch Leiden rund! Das begreift man nicht im Nu. Sollen wir das Leid denn geradezu suchen? "Wir gehen hinauf nach Jerusalem, dort wird alles vollendet werden!" Beachten wir: Das ist Jesus selbst, der hier spricht! Er sieht also seinem Leiden ins Auge. Er weiß, was kommen soll und er geht trotzdem diesen Weg. Ob darin kein Beispiel für uns liegt? Ob uns das nicht sagen will: Weiche dem Leid nicht aus, wenn es da ist. Versuche nicht davor wegzulaufen. Geh' vielmehr mitten hindurch. Und wenn es dich noch verschont hat, dann schreite doch festen Schrittes voran. Verdränge nicht, daß einmal auch Unglück und Schweres auf dich wartet. Sei ganz getrost, wenn es soweit ist! Denn das ist doch das wichtigste, was uns diese Worte Jesu sagen wollen: "Wir gehen hinauf nach Jerusalem...", ich gehe mit Euch! Ich bin an Eurer Seite! Wir gehen diesen Weg allemal gemeinsam. Mir ist das die Botschaft dieses Verses: Dieser Herr, der da ganz ruhig vom bevorstehenden Leiden spricht, der hat es auch bis zuletzt durchgangen. Der hat es kennengelernt und ertragen. Mich macht das gewiß, daß es kein Leid gibt, in dem er mich alleinlassen wird. Er wird neben mir stehen und gehen, was auch immer die Zukunft für mich bringt. Ich werde seine Hand, mit der er mich hält, spüren können. Ich werde seinen Trost, den er mir sagt, hören. Die Kraft, die er mir unterwegs schenkt, wird mir die nächsten Schritte leichter machen. Er bleibt in allem bei mir. Ich kann auch durch Leiden hindurchgehen. Und - aber dazu reichen die paar Zeilen dieser Andacht nicht, um es ganz deutlich zu erklären - erst durch die Erfahrungen im Leid gewinnt unser Leben Fülle und Tiefe! Wer in dunklen Lebensabschnitten Begleitung, Kraft und Hilfe gespürt hat, weiß, was ich meine. Wirklich: Wir sind in keinem Leid allein! Wir müssen das Schwere nicht fürchten! Wir dürfen guten Mutes in die "Passionszeit"gehen, persönlich und im Jahr der Kirche.