Andacht zum Wochenspruch Wochenspruch zur Woche nach dem 5. So. n. d. Trinitatisfest: Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. (Eph.2,8) Sind wir denn wirklich schon »selig«? Man hat den Christen ja schon immer vorgeworfen, sie machten sich in ihren Gedanken schon in ei- ne andere Welt davon. Besonders die religiösen Führer aller Zeiten wurden verdächtigt, sie verteilten das »Opium« einer ewigen Hoff- nung unter den Menschen, um sie nur um so besser klein und abhän- gig zu halten: Leute, geht's euch auch schlecht, seid ihr auch arm und elend, so kommt doch Gottes Herrlichkeit für euch, ja, sie hat in eu- rem Glauben schon angefangen! Wie ist es nun damit? Beginnt sie schon heute, die Ewigkeit? Müssen wir nur warten, bis sie sich ganz zeigt? Gehen uns die Aufgaben die- ser Welt gar nichts mehr an? Ist unsere Mitarbeit an den Problemen der Zeit nicht mehr nötig? Fragen über Fragen! Nehmen wir einmal einen Menschen unserer Tage, der keinen Glau- ben hat. (Ich weiß, noch der unchristlichste Zeitgenosse behauptet: »Ich habe aber meinen Glauben!« Denken wir uns also einen, der sei- nen Unglauben zugeben kann!) Wie wird er mit den bedrängendsten Lebensfragen umgehen? Wie wird er seine Jahre zubringen? Er hat ja - nach seiner festen Meinung! - nur diese 70 oder 80 Jahre zwischen Geburt und Tod. Er hat nur eine Jugend, nur einmal seine beste Le- bensphase, nur einen Sommer... Also muß er jede Gelegenheit nut- zen, die sich ihm bietet! Immer gleich zwei Sprossen auf der Karrie- releiter! Jedes Vergnügen wird mitgenommen! Nur nichts auslassen! Nur nichts versäumen! Er kann ja niemandem den Vortritt lassen! Die Chance ist ja vielleicht unwiederbringlich! Immer ist die Angst da: Vorbei ist vorbei! Was du verpaßt hast, kommt vielleicht nie wie- der! Ein armes Leben ist das. Aber wie viele führen es? Wie häufig trifft man diese Menschen heute! Und die Probleme der Zeit? Die Zerstörung unserer Umwelt. Der gefährdete Frieden? - Darum wird sich solch ein Mensch nicht kümmern können! Was soll's? Wenn ich doch am Ende diese Erde verlasse, um ins Nichts zu fallen. Warum an die Generationen nach mir denken? Sollen die selbst zusehen! Nach mir die Sintflut! Machen sie nicht auch tägliche Erfahrungen mit solchen Leuten? Wo keine Hoffnung ist, fehlt auch die Verant- wortung - für die Menschen und für diese Welt! Ganz anders ein gläubiger Mensch. (Ich meine jetzt einen, der seinen Glauben lebt - und nur der verdient den Namen: »gläubiger Mensch«.) Er weiß in seinem Glauben auch, daß seine Zeit eingebet- tet ist in die Ewigkeit Gottes. Er kennt den Herrn, der ihm dies Ge- schenk verdient hat. Er wird zwar das Sterben erleiden müssen, aber nicht den Tod. Nach der dunklen Schwelle des Abschieds von dieser Welt wird es ewig hell! -Warum soll ein solcher Mensch nun alles in seine Erdenzeit hineinpacken, was nur hineingeht? Ganz gelassen kann dieser Mensch leben: Wenn ich diese oder jene Position nicht erreiche, sei's drum, ich bin bei Gott geliebt und er hat mehr mit mir vor als diese paar Sommer auf dieser Erde. Ich kann nichts versäu- men, weil mir schon die Ewigkeit gehört. Wie schal ist das Vergnü- gen, dem die Leute nachlaufen, gegen die ewige Freude, die mich erwartet! - Ist das »Opium«? Ich finde, das ist nichts, was irgendwie betäubt oder einschläfert! Vielmehr spornt es an: Wer eine ewige Zukunft erhofft, der wird schon diese Welt nach Kräften so gestalten, daß sie seiner zukünftigen Erwartung entspricht. Und das soll er ja auch! Das ist zwar nicht der Preis für Gottes Gabe eines ewigen Le- bens, aber es ist doch unsere Aufgabe! Und das muß man uns nicht einmal sagen. Ich möchte doch den sehen, der an Gottes neue, herrli- che Welt glaubt und der dann nicht diese Welt hegt und pflegt und versucht, sie immer mehr nach dem Bild seiner ewigen Hoffnung zu verändern. Wo Glaube ist, da ist immer auch verantwortlicher Um- gang mit der Schöpfung und der Einsatz für den Frieden und das Wohl aller Menschen. »Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben...« Doch: Wir sind bereits selig! Darum können wir getrost an den Problemen dieser Zeit mitarbeiten, ohne Sorge, dabei selbst zu kurz zu kommen. Dar- um müssen wir nicht allein um uns selbst kreisen, sondern können uns den Menschen zuwenden, die uns begegnen und uns brauchen. Darum können wir furchtlos allem entgegensehen, was unser Leben bringt und werden die Kraft haben, unsere Aufgaben an den Men- schen selbstlos anzupacken. Es ist schon etwas anderes, ob einer diesen Glauben hat oder ob er ihm fehlt! Sie fragen, wie wir diesen Glauben gewinnen? - Wir dürfen darum bitten, denn: »Gottes Gabe ist es!«