Wochenspruch zur Woche nach dem 2. Adventssonntag:
"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure
Erlösung naht!" (Lk. 21, 28)
Denken wir da nicht an solche Sprüche: "Kopf hoch, laß
dich nicht so hängen?" - "Du darfst dich nicht
unterkriegen lassen!" - "Nur Mut, es wird schon wieder."
Ist das hier gemeint? Geht es um billigen Trost, um Worte, die
sich doch so schnell - und leicht! - dahinsagen?
Gewiß, manche haben das heute auch nötig: ein gutes
Wort, ein Schulterklopfen, das sie aufbaut. Aber wie schnell ist
das wieder auf-gebraucht! Kaum hat einer den Kopf gehoben, kaum
hofft er, daß jetzt auch einmal bessere Tage kommen - da
trifft ihn der nächste Schlag. Oft ist das so. Darum: Nichts
gegen ermunternde Worte, aber echte Hilfe muß tiefer gehen!
"Seht auf und erhebt eure Häupter..." Dieses Wort
will wirklich helfen. Diesem Vers geht es nicht um Trost für
ein paar Augenblicke; es geht um eine Haltung, um eine Lebenseinstellung.
Nehmen wir dieses Wort doch einmal "wörtlich":
"Seht auf!" Blicken wir doch einmal weg von uns. Heben
wir unsere Augen über unsere Sorgen, unsere Ängste,
unser Leid und unsere Bedürfnisse hinaus. Was sehen wir jetzt?
- Den Mitmenschen sehen wir. Zuerst den in unserer nächsten
Nähe: Unseren Ehegefährten, unsere Kinder, unsere Eltern,
die Hausgenossen... Und was entdecken wir? - Die haben ja auch
Sorgen, auch Ängste, auch Leid und auch Bedürfnisse!
Die beschwert - vielleicht schon jahrelang - ein Kummer. Die wünschen
sich so sehnlich... Möglich, daß wir jetzt erschrecken!
Der Kummer, den unser Partner hat, ist ja durch uns verursacht!
Die Wünsche, die wir im Gesicht unserer Lieben lesen, sind
Wünsche - an uns! "Seht auf..." Da wollten wir
doch nur den Blick von unseren eigenen Nöten los-bekommen
und jetzt das: Die Not der anderen schaut uns an; die Wünsche
und Bitten unserer liebsten Menschen fordern uns! Und nicht nur
die! "Erhebt eure Häupter!" Wir sehen jetzt auch
die anderen, die in der Ferne, die Ausgestoßenen unserer
Gesellschaft, die von Hunger und Krieg Bedrohten, die Asylsuchenden
und Flüchtlinge, die Außenseiter, die Angehörigen
von Randgruppen, die Opfer von Folter und Gewaltherrschaft...
Ja, werden wir den Blick jetzt nicht schnell wieder senken? Schauen
wir angesichts all des Leids und Elends nicht lieber wieder auf
unsere Füße, auf unseren Bauch? - Das ist nur die eine
Möglichkeit.
Viele wählen sie - und bleiben dabei. Sie entscheiden sich
für ein Leben in der Enge des eigenen Ichs. Sie kommen niemals
über die eigene Person hinaus. Dabei entgeht ihnen die Weite
des Ausblicks in eine wahrhaft herrliche Zukunft! Denn wir können
den Kopf noch weiter heben. Wir dürfen die Augen auch schon
vom Elend dieser Welt lösen und schauen, was da am Horizont
zu sehen ist: Dort geht die Herrlichkeit einer neuen Welt auf!
Dort ist es hell, dort wird es kein Leid und keine Angst mehr
geben. Dort steht das Zeichen des Sieges - das Kreuz.
Aber zuerst müssen wir den Kopf aufheben, einmal von uns
selbst absehen, die Nächsten und die fernen Mitmenschen wahrnehmen
mit ihren Sorgen, ihren Bedürfnissen, ihren Nöten...
Ja, notwendig führt unser Blick, wenn er sich hebt, über
Leid und Kummer unserer Mitmenschen! Das soll so sein. Erlösung
nämlich hat immer etwas mit all den anderen Menschen zu tun,
die mir zu Gefährten und Nächsten gemacht sind. Wer
sich deren Kummer nahegehen läßt, wird selbst fröhlicher.
Wer deren Not lindert, dessen eigene Last wird kleiner. Wer ihre
Mühe zu seiner eigenen werden läßt, kann selbst
aufatmen. Das alles ist sicher nicht so leicht, wie es sich anhört
- aber leicht ist der Anfang: Die Augen heben, weg von sich selbst
sehen, den Nächsten in den Blick nehmen, sein Elend erkennen...
Mag sein, daß uns allein dieser Blick schon eine Hilfe für
uns selbst wird: Wie groß dachte ich doch immer von meinen
eigenen Sorgen, wie schlimm schien mir die eigene Not! - Mein
Mitmensch aber leidet ja viel schlimmer! Seine Lasten sind ja
viel schwerer! Mag auch sein, daß wir es dann nicht beim
Sehen und Erkennen lassen - die tätige Hilfe, der Einsatz
für den einen oder anderen Menschen meiner Umgebung, das
Opfer an Geld für die fernen Nächsten und so manches
mehr wird unserem Auge auch die Sicht in die helle Zukunft eröffnen!
"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung
naht!"
Liedvers und Gebet