Andacht zum Wochenspruch


Wochenspruch zur Woche nach dem 15. So. n. d. Trinitatisfest:

Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.

1. Petr. 5,7

Er war ein treusorgender Familienvater«, sagte der Pfarrer am Grab des Verstorbenen. »Sie macht sich viele Sorgen und Mühe um ihre Lieben«, sagen wir von einer guten Mutter und Ehefrau. Der Unternehmer sorgt für seinen Betrieb; die Eltern versorgen ihre Kinder mit allem, was zum Leben nötig ist; unser Nachbar sorgt liebevoll für seinen alten Vater, und der Pfarrer ist seiner Gemeinde - hoffentlich! - ein guter Seelsorger. Und all dieses Reden soll nun falsch sein? »Alle eure Sorge werft auf Gott...«

Ist es denn schlecht, sich Sorgen zu machen - auch noch für andere?

Irgendwie weckt dieser Wochenspruch unseren Widerstand. Muß man denn nicht sein Geld verdienen, für die Familie sorgen, seinen Platz in der Welt schaffen und sichern? Kann denn einer heute noch leben wie die Jünger Jesu, ohne Dach über dem Kopf, ohne Habe und vom Bettel? Über die Auswüchse der Wohlstandsgesellschaft, über den Luxus, die Ausschweifung und Verschwendung wollen wir ja gern reden; aber muß denn nicht wenigstens das Auskommen gesichert sein, ein Minimum an Besitz und Lebensstandard?

»Seht die Vögel unter dem Himmel, seht die Lilien auf dem Feld...« Also wirklich, so sorglos kann heute keiner mehr in den Tag hineinleben. Das wäre ja fast liederlich! Und dann: Bin ich ein Vogel? Bin ich eine Blume? Habe ich meine Gaben und Fähigkeiten als Mensch nicht mitbekommen, um für andere und mich selbst zu sorgen?

Haben wir dieses Wort jetzt entschärft? Ist ihm die Spitze abgebrochen? »Alle eure Sorge werft auf Gott«; haben wir den Vers jetzt als ungültig entlarvt: Ist nicht so gemeint, ist so dahingeschrieben, nicht ernstzunehmen? Vielleicht ist er ja wirklich nicht so gemeint: Laßt jegliches Sorgen für euer Leben und euren Unterhalt?

Kennen sie solche Leute: Hans K. machte sich schier verrückt für sein Büro! Jeden Abend zwei bis drei Überstunden. Am Samstagmorgen ging er auch noch hin und brachte sich Arbeit für zuhause mit. - Und solche: Frieda L. lebt ständig in Angst. Nach der Hausrat-, Unfall-, Sterbe- und Haftpflichtversicherung hat sie jetzt noch zwei hohe Lebensversicherungen abgeschlossen. Und immer noch nicht genug: Jetzt überlegt sie, wie auch ihre Kinder noch abzusichern und vor allen möglichen Wechselfällen des Schicksals zu schützen wären. - Und schließlich gibt's noch Karl F.: Er achtet sehr auf seine Gesundheit! Dreimal in der Woche geht er zum Schwimmen. Er meidet jegliches Übermaß, ißt streng salzarm und ohne Fett. Niemand hat ihn je nach zehn ins Bett gehen sehen. Der Schlaf vor Mitternacht sei der gesündeste, sagt er. So wie er lebt, könne man 100 werden, sagt er. Wenn es alle so machten, brauchten wir keine Krankenkassen, meint er. - Drei Menschen, die sich in Extreme verlaufen haben, zugegeben. Aber haben wir alle nicht hier und da ein Stück von ihrem verkehrten Wesen? Ist aus unserer berechtigten Sorge für unseren Leib, unser Leben, unser Haus, unseren Besitz und unsere Angehörigen nicht an manchen Stellen schon etwas anderes geworden: Angst, Hektik, Betriebsamkeit, Hetze... Ist unsere »Sorge« nicht schon längst in vielen Bereichen in »Sorglichkeit« umgeschlagen?

Ob nicht mit diesem Wochenspruch das gemeint ist: Vergeßt bei eurer Sorge für euer Leben und eure Lieben nicht, daß Gott in Jesus Christus schon für alles gesorgt hat, was für unser Leben wirklich wichtig ist. Ob wir daher den Wochenspruch nicht so verstehen dürfen:

Alle eure Sorglichkeit werft auf Gott; denn er hat schon für euch gesorgt.