"Danach aber das Ende..." (Mt. 24,14) Schlussbilanz zur neuen Pfarrstellenbemessung – Nur noch eine kleine Zeit auf dem eingeschlagenen Weg... „Ob er wohl Antwort bekommt???" – So schloss die „Zwischenbilanz – Teil 3" zur neuen Pfarrstellenbemessung. Gemeint war die Antwort auf die Frage, ob jemand in Kirchenleitung und -verwaltung wohl den Widerspruch bemerkt, bzw. sich darauf hinweisen lassen wird, wie sich Vorsatz und Folgen der gültigen Bemessung widersprechen, bzw. wie weit die faktischen Wirkungen dieser Bemessung von den öffentlich erklärten und von der Landessynode abgesegneten Zielen entfernt sind. Auch war die Frage, ob sich in Kirchenleitung und -verwaltung wohl einer von den für die Kriterien der Pfarrstellenbemessung Verantwortlichen herablassen würde, Kontakt mit dem Verfasser der drei Zwischenbilanzen aufzunehmen? Es hat keinen Kontakt gegeben und er hat keine Antwort bekommen, unser Pfarrer, den wir ein Stück seines Weges aus der Stelle, von der er verdrängt worden ist, hin zu seinem erfolglosen Versuch, wieder in einer vollen Stelle unterzukommen, begleitet haben. Gemeldet haben sich ganz wenige Pfarrer. Alle haben dem Verfasser der drei Zwischenbilanzen recht gegeben: Ja, da braue sich etwas zusammen. Ja, hier würden auf kaltem Weg Vakanzen abgebaut. Ja, die Gemeinden hätten in der Kirche eigentlich nichts mehr zu melden, sie würden weder gefragt, noch orientiere sich irgend jemand oberhalb der „Unteren Ebene" an ihren Bedürfnissen oder ihrer geistlichen Wohlfahrt. Und ja, die Profilstellen wären – namentlich im ländlichen Raum – ziemlich überflüssig und der Einsatz der für sie gedachten finanziellen und personellen Ressourcen sollte besser das Gemeindepfarramt stärken. Und schließlich: Ja, es würde in der Kirche wirklich alles getan, das Berufsziel und -bild „PfarrerIn" noch unattraktiver zu machen, als es schon ist – und das entgegen den von der Synode öffentlich bekundeten Interessen und den vermeintlich schon eingeleiteten Maßnahmen zur Förderung des Theologiestudiums und des Nachwuchses im Gemeindepfarramt. Hingewiesen wurde auch darauf, dass es neben den beiden vorgestellten Kategorien von Dekanaten (solche mit nach der Bemessung geringerer und solchen mit gleich gebliebener Pfarrstellenzahl) auch noch eine Gruppe von Dekanaten gibt, die durch die neue Bemessung sogar mehr Pfarrstellen zur Verfügung haben als vorher. Da läge doch die Chance der KollegInnen, die durch die Bemessung ihre Gemeinden verlassen müssten und es ablehnen, sich unter die oft große Zahl der BewerberInnen auf eine Profilstelle zu mischen! Abgesehen davon, dass bei diesen Gedanken wieder einmal die verlassenen, ja, dem geistlichen Sterben preisgegebenen Gemeinden völlig aus dem Blick geraten, wird sich diese Hoffnung als trügerisch erweisen: Nehmen wir ein Dekanat in einer abgelegenen hessischen Gebirgsregion als Beispiel. Man hat durch die neue Bemessung mit ihrer völlig überzogenen Berücksichtigung der „Fläche" bzw. der großen Filialdichte, wie sie in den dortigen Pfarreien häufig gegeben ist, zwei Stellen mehr als vorher zugeteilt bekommen. Was wir nun als Chance für BewerberInnen von außen ansehen möchten, wird sich sehr bald als Gelegenheit für die Umstrukturierung ausschließlich von innen herausstellen! Vielleicht gibt es in diesem Dekanat zwei Pfarrstellen (mit zwischen acht und 11 zugehörigen kleinen Dörfern, bzw. Weilern), deren Inhaber theologisch vorgebildete Ehegatten an ihrer Seite haben. Was liegt näher als die Aufstockung dieser zwei Stellen auf je 1 ½? „Die Kinder sind doch aus dem Gröbsten raus" und man könnte dann doch in A-dorf endlich die monatliche Kinderstunde installieren und in B-dorf den eigenen Erntedankgottesdienst. Mit der verbleibenden Stelle, bzw. ihren beiden Hälften wird eine erst vor Jahren halbierte (und mit einem Theologen, der eine halbe Stelle als Werbefachmann hat, besetzte!) Pfarrei aufgepolstert und eine (nach Kinderpause wieder 100 % einsatzfähige Mutter) bisher „halbe Pfarrerin" kann als „dem Dekan beigegeben" auf ein volles Gehalt kommen. Aber Schluss mit diesen Betrachtungen über eher unwichtige Wirkungen der gültigen Pfarrstellenbemessung! Ich möchte unser Augenmerk auf eine grundlegende, oder richtiger: den tragenden Grund der Kirche zerstörende Veränderung richten, die schon heute absehbar bzw. längst sichtbar ist, auf die entstehenden und schon entstandenen gewaltigen Verwerfungen in der kirchlichen Landschaft, die, wird nicht rasch gegengesteuert, dazu führen werden, dass die Kirche in nur ganz kurzer Zeit ihr Wesen als Gemeindekirche und Gemeinschaft der Gläubigen mit dem Ziel und dem Auftrag, die Menschen zu Jesus Christus zu führen, verlieren wird. Denn bei der Umsetzung der Pfarrstellenbemessung geht es inzwischen nur noch um die Frage, was wir uns in dieser Kirche im Blick auf die selbst gesteckten Ziele beim Abbau von Personal und kirchengemeindlichen Angeboten und angesichts der zum Teil hausgemachten und selbst verschuldeten materiellen Misere noch leisten können bzw. wollen. Die mit bloßem Auge erkennbare Zielsetzung ist nicht: „Was Christum treibet", oder was der Gewinnung von Menschen für ihn und seine Sache dient, also die Ermöglichung von gemeindlichem Leben, von Seelsorge und Verkündigung. In der Kirche wird heute anders gefragt: Wie können wir bei der Schlüsselprofession der Kirche, dem Gemeindepfarramt, möglichst viel sparen und wie weit können wir die unbedingt nötige „Pastoratsdichte" herunterfahren, dass mindestens noch die „Grundversorgung" (die man anscheinend für ausreichend hält) gewährleistet ist. Dabei offenbart sich, dass kirchliche Personalpolitik, ja, die Orientierung kirchlichen Handelns insgesamt nicht mehr vom Gedanken der „Mission" geleitet ist, wie er einmal Grund und Leitstern aller kirchlichen Arbeit war (Mt. 28,19f), sondern vom Verdikt schwindender Kirchensteuer, wirtschaftlichen Interessen und denen nach dem Überleben auf dem Markt der gesellschaftlichen, zeitgeistig diktierten Bedürfnisse und der ihnen entsprechenden Angebote. Und auch hier verrät die Sprache den, der sie spricht: Das Wort „Mission" ist in den letzten Jahren allenthalben aus dem offiziellen kirchlichen Gebrauch verschwunden, bzw. entfernt worden. Im Bild gesprochen: „Das Schiff, das sich Gemeinde nennt", kämpft in schwerer See ums Überleben. Die Crew an Bord wird immer kleiner. Die Lebensmittel werden knapp. Ein früher kleines Begleitboot hat sich viele Seemeilen weit abgesetzt, dümpelt in ruhigen Gewässern und baut auf entlegenen Inseln Stationen für fiktive Schiffbrüchige, die es in dieser Gegend gar nicht gibt und hält ein wohlfeiles Sortiment von Angeboten vor, die von den Mitbewerbern am Markt genau so vorgehalten werden, deren Kosten es aber unmöglich machen, die Lebensmittelration im Gemeindeschiff zu erhöhen, was so wichtig wäre... Und irgend wie gibt es auch gar keine Verbindung mehr zu einander. Aber konkret! Wie geht es weiter mit der Kirche oder dem, was von ihr übrig bleiben wird, wenn nicht bald Umkehr geschieht? – Wir wollen das an drei Begriffen festmachen und erläutern. Dazu brauchen wir – da der Weg dahin ja schon ein ganzes Stück weit beschritten ist – nicht allzu viel Phantasie: 1. Qualität Wir können uns das vorstellen: Wenn unzählige Gemeinden im Zuge der Anwendung der gültigen Pfarrstellenbemessung durch die DSV's halbiert und/oder vakant, damit unbesetzbar und schließlich anderen Pfarreien einverleibt werden und wenn zukünftig immer weniger PfarrerInnen für den heute noch in der Landeskirche gehaltenen Stand gemeindlicher Angebote zur Verfügung stehen, dann kann die von diesen PfarrerInnen und den mit ihnen arbeitenden Ehrenamtlichen gemachte Arbeit nicht mehr dieselbe Güte haben wie heute noch. (Ohnedies geht man in Kirchenverwaltung und -leitung ja inzwischen – von der kirchlichen Öffentlichkeit fast unbemerkt – von einem bei der gegenwärtigen Haushaltslage gerade noch finanzierbaren und daher für angemessen gehaltenen Verhältnis von 2000 Seelen pro PfarrerIn aus, was viel mehr als die nur noch angestrebte „Grundversorgung" nicht mehr erlaubt. Auch muss es die Qualität kirchengemeindlicher Arbeit in einigen früheren Kernbereichen beeinträchtigen, gefährden und auch faktisch verschlechtern, wenn die PfarrerInnen, denen der Hauptanteil der Arbeit darin obliegt, nicht mehr wissen, ob ihre Pfarrstelle in ein, zwei oder fünf Jahren überhaupt noch besteht. Wo gibt es denn noch die nötige Planungssicherheit für Projekte in der Gemeinde, die über eine Reihe von Jahren laufen, z.B. Kurse in gemeindlicher Erwachsenenbildung, die Ausbildung von Lektoren und Prädikanten oder die Durchführung von Familienfreizeiten?) Die überregionale Arbeit und die Zusammenarbeit mit den KollegInnen im Dekanat wird wohl zuerst eingestellt werden, was sich schon jetzt vielerorts beobachten lässt. Nur sehr wenige AmtsträgerInnen können und werden unter den heute gegebenen Rahmenbedingungen kirchengemeindlicher Arbeit noch Leistung und Zeit in ein überpflichtiges Engagement stecken, das weder irgendwie entlohnt wird, noch denen, die bis heute manchmal Jahrzehnte lang dumm genug waren, sich in ihm aufzureiben, einmal gedankt worden wäre. Hier geht mangels Anerkennung bzw. Anreizen eine Fülle von Angeboten für die Kirchengemeinden – oft einer ganzen Region – für immer verloren, jahrelangem Gerede um „Ressourcenkonzentration" in der Mittleren Ebene und „Teamarbeit" der PfarrerInnen im Dekanat zum Trotz. Um im Team arbeiten zu können, bedarf es nämlich nicht der Verordnung von oben, sondern zuerst gegenseitigen Vertrauens und echter Geschwisterlichkeit. Diese Merkmale einer gesunden Dekanatspfarrschaft sind unter den Bedingungen gegenwärtiger Kirchen- und Personalpolitik immer weniger zu erwarten. Anders gesagt: Die Auswirkungen der Pfarrstellenbemessung beschädigen die Teamfähigkeit, zerstören Kollegialität und Solidarität in der Pfarrschaft und führen so als Pendant zur Ellenbogengesellschaft auch noch die Ellenbogen-Kirche herauf. Es sind auch ganz enorme Kräfte, die durch das ständige sich Wehren- und Kämpfen-müssen, in der Kirche gebunden werden. Die Ein- und Angriffe auf, bzw. in die persönliche Gestaltung und Gewichtung der Gemeindearbeit und damit das gemeindliche Leben und die es gegenwärtig noch gewährende Struktur, lähmen besonders die engagierten KollegInnen. Eine in Kirchenleitungskreisen immer wieder aufgemachte Rechnung wird sich als falsch erweisen: „Wer schon lange eine (zu) kleine Gemeinde hatte, der muß jetzt in der Grundversorgung einer wesentlich vergrößerten endlich einmal ran!" Hier wird vergessen und beharrlich übersehen, dass gerade die PfarrerInnen kleiner Gemeinden sich oft völlig freiwillig (!) in der überregionalen und der Arbeit für ein ganzes Dekanat eingebracht haben. Hier wird auch von der früheren Alimentierung der Pfarrschaft übergegangen zu einer Entlohnung nach Stunden oder in der Grundversorgung zu leistenden Bestattungen und Gottesdiensten. - Wann werden uns die ersten Listen mit Zeitvorgaben für den Akkord zugestellt? Wem nun durch die grundlegende Veränderung seiner Arbeitsbedingungen von oben her die Möglichkeit genommen wird, seinen Dienst in der Gemeinde vor seinem an das Ordinationsversprechen und den Auftrag seines Herrn Jesus Christus gebundenen Gewissen treu, angemessen und verantwortlich zu tun, den beschäftigt dieses Dilemma Tag und Nacht, dem wird der Schlaf geraubt, der stürzt in Abgründe von Selbstvorwürfen und Zweifeln an seiner Kirche. Endlich wird er krank an Leib und Seele. Bei alledem werden gewaltige für die eigentliche Arbeit nötige Energien nutzlos verbraucht, viel vom Engagement und der Freude der PfarrerInnen (und in der Folge auch der Ehrenamtlichen!) für und an der Arbeit in wichtigen Gemeindefeldern oberhalb der Grundversorgung wird unwiederbringlich zerstört. Wenn von der Leitung der Kirche mehr und mehr das Signal an die Basis vermittelt wird, es handle sich bei einem großen Teil der gemeindlichen Arbeitsfelder eigentlich um völlig unnötigerweise beackerte Bereiche kirchengemeindlichen Lebens, dann vergeht über ihrem oft aufopferungsvollen Tun sowohl den Charismatikern, als auch den größten Altruisten die Lust an der Arbeit. – Aber das führt uns schon zum nächsten Begriff. 2. Motivation Schon lange hegte man in der Pfarrschaft die dunkle Ahnung, dass die Kirchenverwaltung und -leitung ein völlig anderes Gemeindeverständnis vertritt und eine gänzlich andere Auffassung von dem, was eine Kirchengemeinde nötig hat, um „ausreichend versorgt" zu sein. Inzwischen – mit dem unaufhaltsamen Wachstum der angestrebten Gemeindegliederzahl pro PfarrerIn (im Jahr 1980 1200:1, heute 2000:1) – gibt es dem entsprechend zunehmend große Bereiche der Gemeindearbeit, die eigentlich nur noch zu den überpflichtigen Leistungen der Kirche „vor Ort" gehören, bzw. dazu erklärt werden. Man erbringt sie als PfarrerIn – oder lässt sie, ganz ähnlich wie man ein Steckenpferd reitet oder nicht reitet. Schaut man auf die innerhalb der neuen Pfarrstellenbemessung geltenden Kriterien, wird man (hoffentlich erschrocken!) feststellen, dass z.B. die Mitbetreuung islamischer oder buddhistischer Angehöriger von Gemeindegliedern als für die PfarrerInnen zu leistende Pflicht gilt und auch „bemessungsrelevant" ist, nicht aber die Seelsorge an alten und kranken Menschen der Gemeinde – sofern sie „nur" Christen sind! Es ergibt sich für den heute noch in der Gemeindearbeit engagierten Pfarrer eine immer länger werdende Liste von Tätigkeiten, die er immer getan hat, die er auch vor seinem Ethos als Pfarrer und Christ glaubte tun zu müssen und den Menschen schuldig zu sein, die aber von der Leitung seiner Kirche nicht mehr zum Katalog der pfarramtlich bzw. seelsorgerlich zu erbringenden Leistungen gezählt wird. Außerdem wird ihm ja auch durch die in der Zukunft nur noch demographisch gelenkte, sozusagen automatisch gesteuerte Vergrößerung der Gemeindegliederzahlen seiner Pfarrei die Entfaltung in solchen Arbeitsbereichen zeitlich erschwert bzw. unmöglich gemacht. Aber – nota bene! – es geht hier nicht nur um im Sinne der Pfarrstellenbemessung überpflichtige Arbeiten wie die Gestaltung von Ehejubiläen, Silberne und Goldene Konfirmationen, Gemeindefreizeiten jeglicher Art, Kreis- und Gruppenangebote in der Gemeinde, nein, wir sprechen auch über den Einsatz in der Seelsorge, also über die Zuwendung zu den Alten, Kranken, Leidenden und Schwachen, auf die angesprochen kein Christenmensch für möglich halten würde, dass es für die Bewertung der Arbeit eines Pfarrers, einer Pfarrerin gleichgültig sein könnte, ob er sie tut oder lässt. Fakt aber ist: Die neue Pfarrstellenbemessung sieht Seelsorge nicht, wertet sie schon gar nicht, es ist für sie vielmehr ohne Belang, ob Seelsorge geschieht oder unterbleibt und die Kontingentierung der Pfarrstellen lässt durch ständige Anpassung der Seelenzahlen pro PfarrerIn nach oben auch gar keine Zeit für das naturgemäß zeitaufwändige seelsorgerliche Engagement an den uns als Christen und PfarrerInnen anbefohlenen Menschen. Überdies – ein übler pädagogischer Nebeneffekt – verstärkt sie die Neigung der KollegInnen, die sich in der Seelsorge schwer tun, sich in ihr nicht länger zu investieren. Mit einem Wort: Von der gültigen Pfarrstellenbemessung, besonders wo DSV's, die jedes Wagnis scheuen, sie in den Dekanaten 1 : 1 umsetzen, geht eine Tendenz aus, die Hinwendung zum Einzelnen, die seelsorgerliche Zuwendung zu denen, die durch Jesu Auftrag seit Alters der Fürsorge der Kirche besonders anbefohlen sind, zugunsten einer „Grundversorgung" mit Gottesdienst und Amtshandlungen für immer größere Gemeindegliederzahlen zu opfern. Damit versäumt es die Kirche, den als Ziel der Strukturreform selbst proklamierten Anspruch zu erfüllen, eine größere Nähe zu den Menschen in den Gemeinden zu erreichen. – Sie erreicht genau das Gegenteil und das ist die Brücke zum dritten Begriff: 3. Begegnung Wenn der Autor dieser Schlussbilanz in einer langen Dienstzeit in zwei Gemeinden seiner Kirche eine wesentliche Erkenntnis gehabt hat, dann diese: Kirchliche Arbeit in der Gemeinde, Vertrauen ihrer Glieder zu ihrem Pfarrer, ihrer Pfarrerin, aber auch der „Erfolg" und die „Effektivität" pfarramtlichen Wirkens leben davon, dass es in der Gemeinde zu möglichst vielen Begegnungen zwischen PfarrerIn und Gemeindeglied, aber auch zwischen den Gemeindegliedern untereinander kommt. Neudeutsch würde man von der „Ermöglichung gemeindlicher Kommunikation" sprechen. Diese Begegnungen finden nun gerade in den Bereichen gemeindlicher Arbeit statt, die durch die Wirkungen der Strukturreform in der Kirche, namentlich der Pfarrstellenbemessung immer weniger Augenmerk und zeitlichen Aufwand beanspruchen können. Damit – und hier ist ein zweites wichtiges Kriterium des Erfolgs kirchlich-missionarischen Engagements angesprochen – gehen für die PfarrerInnen auch die Gelegenheiten verloren, durch persönliches Zeugnis vor den Menschen, durch die Zuwendung zu, das Gebet für und mit den Menschen zu Jesus Christus und in die Gemeinschaft seiner Gemeinde zu führen, eine Aufgabe, die im Grundartikel der Kirchenordnung und im Vorhalt bei der Ordination der PfarrerInnen gewiß tiefer verankert ist, als die, nur noch eine „pfarramtliche Grundversorgung" zu gewährleisten. "Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?", sagt Paulus (Röm. 10,14). Hören findet in der Begegnung statt! Begegnung ist nur dort möglich, wo die Zeit dafür gewährt wird und die Kraft angesichts der stetigen Steigerung der Gemeindegliederzahlen und der damit verbundenen Kasual- und Verwaltungsaufgaben noch für gesammeltes Zuhören und die herzliche Zuwendung zu den Menschen reicht. Nach meinen Erfahrungen waren es z.B. die Familienfreizeiten, die immer wieder (dem Pfarrer zunächst unbekannte) MitfahrerInnen nach den Freizeiten dann auch zur Teilnahme an den Gottesdiensten oder dem Bibelgesprächskreis der Gemeinde geführt haben. Durch die Kinderfreizeiten mit ihrer Möglichkeit, neben den dort in Tag- und Nachtgemeinschaft erfahrenen christlichen Inhalten auch Pfarrer und Jugendleiter – als Vertreter der Kirche – einmal acht Tage lang kennenzulernen, konnten immer wieder MitarbeiterInnen für die Kindergruppen und Jungscharen der Gemeinden gewonnen werden. Schließlich sind es eben besonders die Begegnungen in der Seelsorge, die es dem Pfarrer erlauben, die wesentlichen Fragen des Lebens anzusprechen, dazu vom Standpunkt des Christen her Position zu beziehen und auf diese Weise auch immer wieder Menschen zu Jesus Christus und in seine Gemeinde zu rufen. Als eine Kirche des Wortes ist die Evangelische Kirche geradezu bestimmt, auch eine Kirche der Begegnung zu sein bzw. wieder zu werden! Diese wirklich prägenden, das Leben begleitenden und gestaltenden Begegnungen finden nicht auf dem Wochenendseminar in einem fernen Handlungszentrum der Kirche, sondern in der eigenen Gemeinde, mit den Menschen, die unter den selben äußeren Bedingungen leben, die selben Ängste und Nöte, aber auch Freuden kennen, statt. Wo die Möglichkeiten der Begegnung, also zum Hören, Sprechen und zum Austausch der Gedanken und des Glaubens in der Gemeinde – letztlich durch das Betreiben und den Willen der Leitung der Kirche! – vermindert werden, da gibt die Kirche nicht nur ihr Wesen, sondern auch ihren Auftrag und ihre Bestimmung auf. Die Preisgabe aber dessen, was einer Person oder Institution wesentlich ist, ja, ihre Eigenart, Erkennbarkeit, ihr Profil und ihre vornehmste Aufgabe darstellen, kann zu nichts anderem führen als dazu, dass sie sich selbst verliert, überflüssig macht und dem Verfall anheim gibt. Schlusswort: Ich wünschte mir ein rasches Umdenken in meiner und den anderen Kirchen, eine ebenso rasche Umkehr zu einer Personal- und Strukturpolitik, die ihre Schwerpunkte am Missionsauftrag Jesu und der ihm gemäßen Zuwendung zu den Menschen prüft und neu setzt, und zu Prioritäten ihres Handelns zurückkehrt, wie sie vor 20 und noch vor 10 Jahren in ihr gegolten haben: Die evangelische Kirche ist von unten nach oben aufgebaut! Die Schlüsselprofession der Kirche ist das Gemeindepfarramt! Von der Gemeinde als dem Grund und dem Zweck ihrer Existenz in der Welt bezieht die Kirche ihre wichtigste Legitimation. Dem Aufbau der Gemeinde(n) zu dienen, ist das vornehmste Amt aller, die in der Kirche arbeiten. In einer anderen Sprache ausgedrückt, die inzwischen vielleicht besser verstanden wird: In der Gemeinde – und nirgends anders! – werden heute die Brötchen sämtlicher in der Kirche für Lohn und Gehalt arbeitenden Menschen verdient! Darum verdient ihrerseits die Gemeinde, dass man sich um sie besonders kümmert, ihr das zukommen lässt, wonach sie mit Recht – und sicher nicht nur der Zahlung der Kirchensteuer wegen – einen Anspruch hat: Verkündigung des Wortes Gottes, aufmerksame und zeitlich angemessene Zuwendung in Seelsorge und Beratung, Schaffung vielfältiger Möglichkeiten zu Begegnung und Gespräch, aber auch zum fröhlichen Beisammensein, zu Fest und Feier in der Gemeinde. Persönlich wünschte ich mir, dass ein sachlicher Kritiker kirchlichen und kirchenleitenden Handelns sich künftig nicht scheuen muss, seinen Namen unter einen Artikel zu setzen, der die erfahrene Wahrheit ausspricht, niemanden persönlich kränkt oder beleidigt, vielmehr ein erklärtes und hoffentlich spürbares Interesse daran hat, seiner Kirche, bzw. ihren Gemeinden zu dienen. N.N. P.S: Für eine weiterführende Dokumentation der Folgen von Strukturreform und Pfarrstellenbemessung bitte ich um Übersendung von Erfahrungsberichten an diese Adresse: eichendorf@dike.de Dabei sind Erfahrungsberichte aus möglichst vielen unterschiedlichen Landeskirchen der EKD interessant!