"Und wie geht es dann weiter?" Zwischenbilanz – Teil 3 - enthaltend einen Vorgriff auf die nur zu bald eintretende Zukunft Wir verlassen jetzt unser „Modell"-dekanat. Sonst könnte man ja meinen, es handle sich hier um einen beklagenswerten Einzelfall. (Wir könnten auch noch die Landeskirche wechseln, um deutlich zu machen, dass einige Kirchen der EKD inzwischen den Weg eingeschlagen haben, ausgerechnet da Kosten zu sparen und Personal abzubauen, wo es um ihre Schlüsselprofession, das Gemeindepfarramt geht, wodurch sich in der Folge also immer mehr Gemeindeglieder vor die Frage gestellt sehen, warum sie einer Kirche, die für sie nicht mehr präsent ist und an der Förderung ihres geistlichen Lebens nicht interessiert erscheint, eigentlich noch angehören sollen.) Wir schauen also in ein Dekanat von vielen, deren Pfarrschaft sich über Nacht als – mit sagen wir in diesem Fall: drei Stellen – überbesetzt erkennen mußte. Das Gespräch zur Verteilung dieses Mangels hat stattgefunden. Wenigstens einer hat sich bereit erklärt, seine Stelle zu verlassen und sich etwas anderes zu suchen. (Die Ausschreibung einer Gemeinde im Nachbardekanat hört sich vielversprechend an!) Eine Gemeinde bleibt also ohne Pfarrer zurück. Sie wird selbstverständlich von der Pfarrschaft des Dekanats zukünftig „grundversorgt", bis sie – möglicherweise in Teilen – einer oder mehreren anderen Pfarrstellen zugeschlagen wird. Wie aber die zwei weiteren besetzten vollen Stellen im Dekanat abgebaut werden können, weiß im Augenblick noch keiner. Nun, es hofft ja niemand, aber vielleicht schlägt das Schicksal irgendwie zu... Aber es gibt noch andere, besser hantierbare Möglichkeiten: Wie hatte einer aus dem DSV gesagt: „Es geht doch zunächst nur um einen Sollstellenplan! Wenn einer also z.B. erst einmal zustimmt, dass seine Gemeinde halbiert wird, dann ist noch nichts entschieden; dann kann die Stelle später mit einer ½ Profilstelle wieder auf ‚voll' aufgefüttert werden." Das hört sich doch ganz vernünftig an! Nur: Wenn das dann nicht klappt mit der Profilstelle, weil ein anderer im Dekanat auf die selbe übergemeindliche Stelle reflektiert – und von seiner fachlichen Vorbildung her auch einfach als geeigneter erscheint? - Wer lässt sich auf diese Unsicherheit ein? Wer riskiert so etwas? Und wer will oder kann denn überhaupt in einer Profilstelle arbeiten, wenn er mit Leib und Seele GemeindepfarrerIn ist und seiner Gemeinde mehr zukommen lassen möchte, als die Grundversorgung, also den Sonntagsgottesdienst, Taufen, Trauungen und Bestattungen? Außerdem: Es gibt für das Dekanat, seiner Gemeindegliederzahl nach, nur eine Profilstelle! Und werden Profilstellen so nicht – gegen die Konzeption! – doch nur zum Erhalt von Gemeindepfarrstellen benutzt? Und schließlich: So oder so ist die volle Gemeindepfarrstelle ja preisgegeben. Wer auf einer solchen halbierten Stelle verbleibt, wird aus seinem eigenen Inneren (- sofern er/sie auch mit dem Herzen PfarrerIn ist!) und von außen weiter den Anspruch auf die volle Arbeitsleistung in der Gemeinde vernehmen. Das kann nur Überforderung und Krankheit hervorbringen...oder einen Stellenwechsel als Notausstieg. Was geschieht dann? Dann bleibt die vakante ½ Stelle lange unbesetzt und wird – spätestens bei der nächsten Kürzung des für das Dekanat zur Verfügung stehenden Stellenpools (die kommt im Jahr 2006!) endgültig verschwinden, also aufgeteilt und zwei oder mehreren anderen Pfarrei/en angegliedert. Bis dahin wird gewiss auch der letzte Widerstand gegen die der betroffenen Kirchengemeinde aufgezwungenen Veränderungen gebrochen, die Seelsorge und Gemeindearbeit zum Erliegen gekommen sein und ihre KirchenvorsteherInnen resigniert haben. Aber verfolgen wir einmal den Pfarrer, der – verdrängt durch den Druck der Folgen der gültigen Pfarrstellenbemessung – sich wirklich eine Stelle in einem anderen Dekanat sucht. Da bahnen sich nämlich Entwicklungen an, die von den weisen Erfindern der neuen Pfarrstellenbemessung anscheinend nicht bedacht worden sind und die sich kein Landessynodaler, als er bei der Abstimmung die Hand für diese Bemessung gehoben hat, hätte vorstellen wollen: Unser Pfarrer klopft auf eine Ausschreibung im Amtsblatt hin bei einer Kirchengemeinde im Nachbardekanat an, die seit Jahren vakant ist und dem Text ihrer Ausschreibung nach zu „jeglicher Mitarbeit", zu zahlreichen „Zugeständnissen in der Achtung des freien Tages", wöchentlich „nur einstündigen Sprechzeiten" sowie zur sommerlichen „Mithilfe beim Rasenmähen und der Obsternte" im groß geratenen Pfarrgarten bereit ist. Die KirchenvorsteherInnen der vakanten Gemeinde haben am Ende einer Zusammenkunft, in der sich unser Pfarrer noch ganz unverbindlich vorstellt, Tränen in den Augen. Ein Kirchenvorsteher im fortgeschrittenen Alter äußert: „Wir sind ja so dankbar! Sie werden es nicht bereuen!" Während seine Kollegin, schon knapp über 80jährig, einen kleinen Schreittanz aufführt und dabei ohne Unterlass jubiliert: „Wir kriegen einen Pfarrer, einen richtigen Pfarrer!" – Halten wir nüchtern fest: Der Kirchenvorstand der vakanten Kirchengemeinde glaubt ernsthaft, er hätte wirklich eine Pfarrstelle zu vergeben. Er hat ja schließlich im Amtsblatt eine Ausschreibung machen dürfen, die Stelle ist ja auch groß genug und jetzt hat sich sogar noch ein Bewerber gemeldet – nach langer Vakanzzeit! – Aber wir wollen sehen. Schon am nächsten Tag wendet sich der Bewerber für die vakante Pfarrstelle an den zuständigen Dekan. Die nur sehr verhaltene Freude, die ihm da spürbar entgegenkommt, kann er sich zunächst nicht erklären. Auch was der Vertreter der „Mittleren Ebene" sagt, kann er nicht verstehen: „Ja, im Prinzip ist die Stelle, für die Sie sich interessieren, vakant, aber...nun, besetzbar ist sie doch nicht!" Eine Nachfrage ergibt nach einigem Drucksen des Herrn Dekans folgendes: Sie hätten in ihrem Dekanat bei der Zuteilung der Stellen nach der neuen Pfarrstellenbemessung – es wären früher 26 gewesen! – nur noch 24 Stellen zugebilligt bekommen. Diese 24 Stellen wären im Dekanat im Augenblick auch genau besetzt. So stünden die zwei Vakanzen im Dekanat einfach nicht zur Besetzung zur Verfügung! Ehrlich gesagt, wären sie in DSV und Pfarrkonferenz auch ganz froh gewesen, dass diese beiden Gemeinden gerade rechtzeitig vakant geworden sind, so hätte es doch keine unwürdigen Verteilungskämpfe gegeben und von den Kolleginnen und Kollegen hätte keiner gehen müssen. Es dauert einige Tage bis unser Pfarrer mit diesem diffusen Sachverhalt klar kommt, dann sortiert er seine Gedanken so: - Tatsache ist, es gibt in der Landeskirche im Schnitt über 10 % vakante Kirchengemeinden (mit steigender Tendenz!), was in kirchenleitenden und synodalen Kreisen öffentlich lautstark beklagt wird. - Tatsache ist auch, dass die Landessynode einige Maßnahmen beschlossen hat, jungen Leuten das Theologiestudium wieder schmackhaft und ihnen das Berufsbild eines Pfarrers, einer Pfarrerin interessant zu machen. - Tatsache ist auf der anderen Seite, dass die Kirchenleitung mit einigen Beschlüssen zur Milderung des Vakanzendrucks, die sie getroffen hat, deutlich den Anschein erweckt, sie rechne auf absehbare Zeit nicht mit einem Abbau der hohen Vakanzenzahl. - Tatsache ist nun aber auch, dass unser Pfarrer – durch den Druck der gültigen Pfarrstellenbemessung aus seinem bisherigen Dekanat verdrängt – gerne mitgeholfen hätte, die Vakanzsituation in einem anderen Dekanat zu entschärfen, das aber der Umstände halber nicht kann. - Tatsache scheint überdies zu sein, dass keiner der für die gültige Pfarrstellenbemessung Verantwortlichen die Situation, die doch ganz unweigerlich eintreten musste, vorausgesehen oder eine Überprüfung der Praxisverträglichkeit der neuen Bemessung – vor der Empfehlung an die Synode oder spätestens während der Monate zwischen erster und dritter Lesung des entsprechenden Gesetzes – vorgenommen hat. Jetzt müssen unser Pfarrer – und die geneigten LeserInnen! – lernen, dass die neue Pfarrstellenbemessung in den Auswirkungen, die sie gebiert, die Zahl der (allerdings unbesetzbaren!) Vakanzen im Gemeindepfarramt sogar noch steigert (unseres Pfarrers zu verlassende Stelle!) und zahlreiche PfarrerInnen (so wie ihn) aus dem Dienst der Gemeinden treibt und trotz Pfarrermangels in eine ungewisse berufliche Zukunft entläßt. (Er wird sich nun in einem Dekanat, das mehr Stellen erhalten hat, als gegenwärtig besetzt sind – die gibt es auch! – bewerben. Dort wird er auf viele Mitbewerber, allerdings nicht mehr auf noch zu besetzende Gemeindepfarrstellen treffen. Es sei denn, der DSV des dortigen Dekanats beschließt, Gemeinden zu verkleinern, zu zerteilen und zu neuen besetzbaren Konstrukten ohne Lebensfähigkeit zu vereinigen. Nun, wie auch immer, eine Profilstelle – vielleicht in der dörflichen Cityarbeit? – lässt sich allemal noch einrichten! Man hat es ja im Dekanat!) Vielleicht fragen wir uns inzwischen: Ob es da in der Kirche nicht einen massiven Interessenskonflikt zwischen Kirchenverwaltung und Kirchenleitung gibt, der allerdings nicht transparent ist und nicht offen ausgetragen wird. Dabei scheint die Verwaltung aus Kostengründen an ihrem an der Basis und in der Synode seit langem beklagten Vorhaben festhalten zu wollen – kurz aber leider treffend gesagt –, in der Landeskirche so viele Gemeindepfarrstellen wie möglich abzubauen – wobei ihr eine große Zahl von gemeindlichen Vakanzen eher entgegenkommt. Die Kirchenleitung dagegen möchte dem Druck der DekanInnen, der PröpstInnen und der Synode nachgeben, die – von der gemeindlichen Basis bedrängt – nach Besetzung einer möglichst großen Zahl von Dauervakanzen schreien – wobei sie anscheinend nicht im Blick haben oder nicht danach fragen, wie und in welchem Maß die ganz anders motivierten Anstrengungen der Kirchenverwaltung ihre Bemühungen konterkarieren. Wobei sie außerdem noch nicht verstanden haben, dass nach Eintritt der Gültigkeit der neuen Pfarrstellenbemessung mit einem Schlag über 100 Vakanzen in der Landeskirche keine solchen mehr sind, sondern allenfalls nicht mehr besetzbare Gemeinden, bzw. die traurigen Reste solcher. Was wird nun geschehen? Unser Pfarrer wird an die Kirchenleitung und -verwaltung seiner Kirche schreiben, höflich aber bestimmt auf die dem öffentlich bekannten Interesse der Kirche nach Abbau der Vakanzen und der Förderung des Interesses am Theologisstudium diametral widersprechenden Folgen der neuen Pfarrstellenbemessung hinweisen, wie er sie erfahren musste. Ob er wohl Antwort bekommt??? N.N. P.S.: Schon heute wird auf die „Schlussbilanz" hingewiesen, die in Kürze erscheint. Arbeitstitel: „Auf rauchenden Trümmern".