Stellungnahme zum geplanten Finanz-Zuweisungssystem der EKHN 1. Die Kirchenvorstände sollen ein umfangreiches und hochkompliziertes Zahlenwerk in kürzester Zeit prüfen und beurteilen. Darin liegt eine Missachtung der Kirchenvorsteher/innen. Eine echte Beteiligung ist offenbar gar nicht erwünscht. 2. Durch die Verbindung mit der neuen Pfarrhaus-Bauunterhaltung werden die Zahlen geschönt und die wahren Ergebnisse verschleiert. Es soll der Eindruck erweckt werden, im Großen und Ganzen bliebe alles beim Alten. In Wahrheit handelt es sich um ein massives Kürzungsprogramm für den ländlichen Raum. Nach der erheblichen Kürzung in den Jahren 2004 - 2006 um 23% (!) soll z.B. die Pfarrei XYZ weitere 3% verlieren; bei Berücksichtigung der Sonderzuweisung 2006 für Energiekosten sogar 11%. Die Schlüsselzuweisung würde von 60.050,- Euro im Jahr 2003 auf 44.869,- Euro im Jahr 2008 sinken. Damit sind endgültig ganze Arbeitsfelder unserer Gemeinden in Frage gestellt. 3. Das weit überdurchschnittliche gottesdienstliche Leben kleiner Gemeinden wird erfreulicherweise anerkannt (Seite 15 des Entwurfs). Deshalb sollen die personellen und sachlichen Voraussetzungen dafür garantiert werden. Dasselbe gilt allerdings auch für sämtliche Aktivitäten, die ein Gemeindehaus erfordern. Hier fehlt den Planern offensichtlich die Kenntnis vom Leben ländlicher Gemeinden Sollen Konfirmandenstunden, Frauenkreise, Posaunenchor- und Kirchenchor- proben, Altennachmittage, Jungschar- und Jugendstunden etc. in Zukunft in der Kirche stattfinden? Eine groteske Vorstellung! In Abkehr vom bisherigen Grundsatz soll das Gemeindehaus nicht mehr als notwendige Grundausstattung gelten, da seine Unterhaltung letztlich von der Gemeindegröße abhängig gemacht wird. Konsequenz wäre, ländliche Gemeinden auf die Feier von Gottesdiensten zu reduzieren: eine Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert. 4. Es ist grundsätzlich unsinnig, Bewirtschaftung und Bauunterhaltung kirchlicher Häuser von Gemeindegliederzahlen abhängig zu machen. Entweder man hat ein Gebäude, dann muss es auch in baulich vernünftigem Zustand gehalten werden und nutzbar sein. Oder man trennt sich von dem Gebäude, dann entstehen keine Kosten. Konsequenz der vorgeschlagenen Zwitterlösung: Es ist u.U. ein intaktes Gemeindehaus vorhanden, kann aber nicht genutzt werden, weil die Mittel für Heizung, Beleuchtung und Reinigung fehlen. Genauso wie Kirchengebäude und Gottesdienst müssen Gemeindehäuser und die Vielzahl daran gebundener Aktivitäten auch in kleinen Gemeinden aufrecht erhalten werden. 5. Die Größe und Existenzberechtigung von Gemeinden ausschließlich unter finanziellen Gesichtspunkten zu betrachten, ist ungeistlich und einer christlichen Kirche unangemessen. Die Hauptkonsequenz der gewünschten Gemeindefusionen wird im Papier verschwiegen: Es würden reihenweise Kirchenvorstände aufgelöst und wertvolle Mitarbeiter mit der Auskunft heimgeschickt: Wir wollen euch nicht mehr, weil ihr nicht in unser Verwaltungskonzept passt. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der ansonsten so umworbenen und geschätzten Ehrenamtlichen - eine unverantwortliche Selbstdemontage der Kirche auf dem Lande. Die Pfarrei XYZ mit ihren drei Kirchengemeinden müsste bei einer Fusion 10 von ihren 18 Kirchenvorstehern nach Hause schicken. 6. Die Vorstellung der Kirchenverwaltung, man könnte so grundverschiedene Regionen wie die Innenstadt von Frankfurt und den Vogelsberg mit demselben Raster erfassen und verwalten, ist absurd. Völlig verschieden strukturierte Gebiete erfordern auch eine verschiedene Struktur von Kirche. Dabei gilt die Grundregel, dass kleine Einheiten eher zu geistlichem Leben und größerer Beteiligung der Gemeindeglieder führen als größere. Die Möglichkeit zur unmittelbaren menschlichen Begegnung ist entscheidend für die Pflege und Weitergabe des Glaubens. 7. Genauso absurd ist die Vorstellung der Kirchenverwaltung, man könnte durch Verwaltungsakt bestimmen, in welchem Gemeinschaftsgebilde Menschen leben und sich zugehörig fühlen. Kirchengemeinden und Dekanate lassen sich nicht beliebig konstruieren oder auflösen. Verbundenheit mit einer Gemeinde, einer Kirche, einem Pfarrhaus entsteht in Jahrhunderten und nicht durch ein Strukturgesetz. Verwaltungsvereinfachung ist auch ohne Auflösung von Kirchengemeinden möglich z. B. durch gemeinsame Haushaltsführung innerhalb einer Pfarrei (in XYZ angewendet seit 1984 ). 8. Die alte Regelung, dass mindestens 50% der kirchlichen Haushaltsmittel den Gemeinden und Dekanaten zugute kommen muss, ist eine dringend erforderliche Notbremse, um ausufernde Ansprüche der Gesamtkirche zu begrenzen. Diese Grenze aufzuheben oder zu verschleiern, ist hochgefährlich für die Präsenz der Kirche vor Ort, weil der Sog in gesamtkirchliche Aktivitäten dann unaufhaltsam sein wird. 9. Die bauliche Unterhaltung der Pfarrhäuser in die Hände der Gemeinden zu legen, klingt gut, ist aber nicht wirklich durchdacht. Das vorhandene Geld wird mit der Gießkanne gleichmäßig verteilt und landet auch bei Gemeinden, die es auf absehbare Zeit gar nicht brauchen. Andere Gemeinden mit stark renovie- rungsbedürftigen Häusern kommen in größte Schwierigkeiten. Besser wäre es, das Instrument der „Kleinen Bauunterhaltung“ weiter auszubauen, das am Brandversicherungswert d. h. an der Gebäudegröße orientiert ist. Wahr bleibt nämlich, dass kontinuierliche Pflege sparsamer ist, als Großrenovierungen anstehen zu lassen. Für das Gießkannenprinzip sind die Pfarrhäuser und ihre Standorte in Stadt und Land einfach zu unterschiedlich. 10. Grundsätzlich ist zu sagen, dass mit der vorgeschlagenen Finanzordnung eine Prioritäten-Entscheidung vorweg genommen wird, über die es in unserer Kirche noch lange keine Einigkeit gibt. Da es nicht um Einsparungen geht (die Gesamtsumme des verteilten Geldes bleibt ja gleich) handelt es sich um eine rein ideologisch begründete Umverteilung von unten nach oben. Mit einem Riesenaufwand wird lediglich erreicht, die fruchtbarsten Arbeitsfelder unserer Volkskirche weiter zu beschädigen oder sogar zu zerstören. Der gravierendste Mangel des Entwurfs ist ein fehlendes Grundverständnis für die besondere Eigenart kirchlichen Lebens, das sich einer Schematisierung und Rationalisierung zu großen Einheiten entzieht. Zu kritisieren ist auch die Tendenz, dass die Zentrale weiterhin die Geldmenge bestimmen will, die in Gemeinden und Dekanate fließt, aber keine Verantwortung mehr für die Folgen vor Ort übernimmt. Alle unangenehmen Entscheidungen der Mangelverwaltung überlässt sie der örtlichen Ebene. Das ist eine Verweigerung von Verantwortung, ähnlich wie bei der Pfarrstellenverteilung. Resümee: Es wird an keiner Stelle die geringste Verbesserung oder Er- leichterung der kirchlichen Arbeit erreicht. Auch die Mitarbeiter der Regionalverwaltungen sagen übereinstimmend: Die Finanzverwaltung wird nur komplizierter und aufwändiger. Der Feldzug gegen kleine Gemeinden geht weiter, obwohl dort das Ziel aller kirchlichen Verwaltung am ehesten erreicht wird: Erweckung und Stärkung des Glaubens durch gemeinschaftliches Leben im Geiste Jesu. Der gesamte Entwurf ist vollkommen überflüssig und kann nur mit Protest zurückgewiesen werden. Wir erwarten im Gegenteil eine Rückbesinnung auf den Wert überschaubarer Zellen geistlichen Lebens als Grundlage unserer Kirche. XYZ, 1. März 2007 Für die Kirchenvorstände X, Y und Z Abcdef, Pfr.