Reaktion zum nebenstehenden Artikel und verschiedenen Verlautbarungen von LGA, KP und Pressesprecher der EKHN: Wir hätten in unseren Landgemeinden in Oberhessen noch ein gutes Jahrhundert ohne die "Segnung gleichgeschlechtlicher Paare" auskommen und doch unseren Seelsorgeauftrag an homosexuellen Menschen wahrnehmen können. Beim Vorgehen von KP und LGA ist schon jetzt "mangelndes Fingerspitzengefühl" zu beklagen: Es wird zwar die Diskussion des Themas in den Kirchengemeinden gefordert, zeitgleich allerdings verlautbart das LGA der EKHN, es werde eine Segnung homosexueller Paare geben und der Kirchenpräsident derselben Landeskirche läßt in der Hessenschau (20.8.2001) die gottesdienstliche Begleitung der Homo-Partnerschaften und den diesbezüglichen Beschluß der Landessynode ankündigen. Wer wundert sich, daß sich Kirchengemeinden, PfarrerInnen und Kirchenvorstände nicht mehr ernstgenommen fühlen? Außerdem ärgert mich die Tatsache, daß die Verantwortlichen der EKHN die staatlichen Vorgaben ("Die Partnerschaft muss beim Standesamt eingetragen sein!") zum Anlaß nimmt, nun kirchlicherseits einer Segnung von homosexuellen Partnerschaften zuzustimmen. Ist der Segen Gottes für zwei Menschen abhängig vom staatlichen Placet? Dürfen wir nur mit staatlichem Segen segnen? Ich meine: Wenn schon Segen, dann aber auch ohne "Trau"-schein!!! Noch etwas: Ich finde es falsch, wie es offenbar geplant ist, in dieser Sache einen Synodenbeschluß mit Ergänzung der Lebensordnung herbeiführen zu wollen. Ich glaube "eine allgemein verbindliche Regelung" in dieser Frage ist vom Teufel! Sie wird uns einzelne PfarrerInnen auf den Prüfstand stellen: Macht er's oder macht sie's nicht? - In einem ohnehin völlig uneinheitlichen Umgang mit der Lebensordnung und in einer weithin diffusen Kasualpraxis ein weiterer Anlaß für Gemeindeglieder uns PfarrerInnen auseinanderzudividieren und die Kollegialität zu untergraben. (Der Segnungstourismus, der hier angestoßen wird, wird auf dem Boden der EKHN bei betroffenen (segensverweigernden) PfarrerInnen zu mindestens 10 Herzinfarkten führen.) Ein letztes (für jetzt): Eine Kirche, die in der Vergangenheit anläßlich einer völlig ungeeigneten Pfarrstellenbemessungspraxis sehr wohl nach dem Kosten - Nutzen Verhältnis gefragt hat, sollte dies auch einmal in der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften tun (besser: schon getan haben!): Es wird ihr dabei aufgehen, daß sie vielleicht jährlich in der gesamten Landeskirche dreißig bis vierzig Homopaare durch eine Segenshandlung gewinnen bzw. halten, auf der anderen Seite allerdings schätzungsweise drei- bis viertausend Kirchenglieder verlieren wird, die sich hier überfahren, nicht gefragt bzw. in ihrer Verantwortung gegenüber dem Wort Gotttes, so wie sie es vernehmen, nicht gewürdigt fühlen. Statement nach der Behandlung des Themas in Kirchenvorstand und Bibelkreis: Inzwischen habe ich im Kirchenvorstand und im Bibelkreis unserer Gemeinde über das Thema "Segnung homosexueller Partnerschaften" gesprochen. Gibt es in der EKHN ein Stadt-Land-Gefälle in diesen Dingen, so gibt es in der Gemeinde eines des Lebensalters: Jüngere Leute sind fast immer für die Segnung, ältere eher dagegen. Meine Einschätzung in dieser Sache ist im Augenblick diese: Das Lostreten dieser Debatte ist so überflüssig wie ein Kropf. Es mag zwar als Ausdruck "fortschrittlichen" Denkens wohlfeil und medienwirksam sein, wenn LGA und Kirchenpräsdent hier vorpreschen, dürfte der Kirche und den Homosexuellen aber insgesamt eher schaden. Die Kirche wird m.E. - auch in Gegenden, in denen sich niemand findet, der eine Segnung tatsächlich erbittet! - zahlreiche Mitglieder verlieren - auch in Gemeinden, die von einem solchen Ersuchen nicht "betroffen" sein werden. Die Homosexuellen, die in vielen - auch ländlichen - Kirchengemeinden durch beharrliche Aufklärungs- und Integrationsarbeit kaum noch diskriminiert wurden, werden um ca. 30 Jahre zurückgeworfen: Waren sie als Menschen angenommen, stellt sich jetzt heraus, daß sie es als sexuelle Wesen, die in Partnerschaften leben, (noch) nicht angenommen werden können. (Diese Dinge sind weitgehend irrational, aber doch real! "Herr Pfarrer, ich kann das einfach nicht sehen, wenn sich zwei Männer so abschlecken!") Bei uns sind folgende Sätze gefallen: "Wenn Sie, Herr Pfarrer, solche Trauungen von Schwulen machen, fahre ich am nächsten Tag zum Amtsgericht!" - "In eine Kirche, in der Lesben vor dem Altar gesegnet werden, gehe ich mein Lebtag nicht mehr hinein." Was die äußeren Voraussetzungen der Diskussion angeht, bin ich mehr und mehr empört darüber, daß sowohl LGA als auch KP Vorentscheidungen getroffen und öffentlich verkündigt haben. Zuletzt allerdings müssen KV's und Kirchengemeinden und die PfarrerInnen die Sache ausbaden. Es ist absolut unmöglich, eine Debatte von 1994/96 heute als "Konsultation" oder "ausführliche Diskussionen in den Gemeinden" auszugeben, wie jetzt geschehen. In unserem KV, der 1997 nach der KV-Wahl neu zusammengesetzt wurde, hat sich kaum jemand je mit diesem Thema beschäftigt. Außerdem ist die Zeit vorangeschritten und manche Dinge werden heute anders gesehen, müssen also neu besprochen werden. Fazit: Einmal mehr hat die EKHN ohne Not ein Thema aufgegriffen, von dem mehr Verwirrung und Anstoß bei den "Schwachen" (und das sind unsere treuesten Gemeindeglieder!) ausgeht, als wir brauchen und derzeit verkraften können. Als hätte die desolate Personalsituation im Gemeindepfarramt (besonders im ländlichen Bereich!), die Bewältigung einer in weiten Teilen des Kirchengebiets völlig unangemessenen Strukturreform und die Frustration und die innere Emigration vieler KollegInnen noch nicht gereicht, wurde eine öffentliche Debatte losgetreten, der wir uns an der Basis nun, ob wir wollen oder nicht, stellen müssen. Dies zieht weitere Kräfte von den Bereichen pfarramtlicher Arbeit ab, die Gemeinde aufbauen und pflegen. An die überwiegende Mehrheit der Gemeindeglieder ist in der Frage der Segnung homosexueller Partnerschaften absolut nicht heranzukommen! Hier gibt es Blockierungen in sehr tiefen emotionellen Schichten, in die wohl niemals ein Sonnenstrahl der evangelischer Freiheit fallen wird, in deren vollem Licht uns LGA und KP schon wähnen. Wird schon die staatliche Registrierung, wie sie seit 1. Aug. 2001 gilt, äußerst negativ beurteilt, so die Bereitschaft der Kirche, registrierte Paare zu segnen noch mehr. Jahrelange Aufklärungsarbeit wird daran nichts ändern können. Wir haben hier ein Sprichwort: "Sie müssen die Menschen nehmen wir sie sind, andere gibt's nicht!" Der Gewinn in der Sache ist - wenn überhaupt - minimal. Der Preis, den die EKHN - auch in Kirchensteuereinbußen - zahlen muß, wird hoch sein.