Referat des Stellv. Kirchenpräsidenten OKR Hans-Helmut Köke

vor Landessynodalen auf der Tagung der Ehrenamtsakademie der EKHN

in Arnoldshain, am 9. Okt. 2004

Mittlere Ebene - mehr als eine Verwaltungsreform

(Einführende Bemerkungen)

Die "mittlere" Ebene kann nur ein abgrenzbares Gebilde zwischen zwei oder mehr anderen Ebenen sein. Schon wegen dieses Problems der Abgrenzung wird es definitorische, wahrscheinlich auch andere Formen von Grenzstreitigkeiten zwischen den anderen und der mittleren Ebene geben.

Die mittlere "Ebene" lässt zugleich an eine Fläche, an etwas räumlich Ausgedehntes denken, das innerhalb eines dreidimensionalen Raumes positioniert ist. Das heißt, der mittleren Ebene kommt Ausdehnung und Spielraum zugute. Zugleich wird vorgestellt, die mittlere Ebene befinde sich innerhalb des Raumes sowohl unterhalb einer anderen Ebene als auch gleichzeitig oberhalb einer weiteren Ebene.

Wir werden also allein schon wegen der über den bloßen Begriff ausgelösten Assoziationen auf eine spannungsvolle Einordnung der mittleren Ebene in eine umfassende Landschaft schließen müssen, eben eine Einordnung in ein Ganzes.

hi der Diskussion der EKHN bezeichnet die „mittlere Ebene" ein zwischen der lokalen Gemeinde und der ausgedehnten, das gesamte Territorium der Gesamtkirche umfassenden EKHN positioniertes kirchliches Gebilde in der Region. Nach unserer Gliederung der kirchlichen Zusammenhänge sind diese Gebilde die Dekanate. Die Dekanate sind in der Verfassung, der Kirchenordnung, der EKHN das regionale kirchliche Handlungszentrum, das einerseits der Gesamtkirche zugeordnet ist und andererseits einer größeren Anzahl von Gemeinden und kirchlichen Diensten in seinem Gebiet. Das Dekanat ist - zwar als kirchliches Gebilde - in seinem Gebiet zugeordnet und verbunden mit der regionalen Gesellschaft, ihren Institutionen und Organisationen, ihren Menschen. Mit diesen gemeinsam handelt es. Es gestaltet und lebt mit in einem gemeinsamen Sozialraum. Darin teilt es mit anderen Institutionen usw. regional Entwicklungen, Hoffnungen ebenso wie Probleme, Aufgaben ebenso wie Belastungen.

Das Dekanat bildet zusammen mit anderen Dekanaten die Gesamtkirche. Andererseits wird es gebildet durch die Gemeinden und die kirchlichen Dienste in seinem Gebiet, damit diese mit ihm zusammen, abgestimmt und ihre verschiedenen Chancen nutzend, zugunsten der Menschen so leben und arbeiten, wie es dem kirchlichen Verständnis eingegeben ist.

Das Dekanat ist - theologisch, sowie rechtlich als Teil der EKHN - Kirche wie die Gemeinde oder die Gesamtkirche. Deshalb wird dem Dekanat aufgegeben, „Kirche in der Region" zu sein.

Das bedeutet: Auch das Dekanat begründet sich wesensmäßig als „Gemeinde" im Gegenüber zum Wort Gottes. (Das Dekanat als handelnde Personengemeinschaft ist gemeint!) Da dies seine Begründung ist, bietet es in seinem Wirkungsbereich regelmäßig öffentlichen Gottesdienst. Daher bestimmt es sich als organisierte Gemeinschaft der Gläubigen, in der regelmäßige Versammlungen der Gläubigen erfahren werden können und ein eigenes Organ seine Form der Gemeinschaft leitet. Deshalb organisiert es seinen Dienst in funktionsspezifi-sche Ämter und lässt viele verantwortlich mitarbeiten. Und darum hält es seinen Bezug auf die Gesamtkirche wie auf die einzelne lokale Gemeinde durch.

Als „Kirche in der Region" handelt das Dekanat in und mit der regionalen Gesellschaft, wie vorhin bereits angesprochen wurde. Das geschieht, indem die für Kirche in unserer Gesellschaft konstituierenden Handlungsfelder (alle!) aufgefaltet und entwickelt werden. Nämlich: das Handlungsfeld Gottesdienst und Verkündigung, das Handlungsfeld Seelsorge und Beratung, das Handlungsfeld Bildung - Erziehung - Arbeit mit Zielgruppen, das Handlungsfeld Ökumene und Dialog der Religionen, das Handlungsfeld Gesellschaftliche Verantwortung und Diakonie. Hinzutreten die Verantwortungen für Öffentlichkeitsarbeit und für Personal-/Organisationsentwicklung, sowie für Verwaltung und Leitung. (Übrigens ist das gleiche, volle Handlungsprogramm auch auf der lokalen Ebene, also in den Kirchengemeinden, auf deren Weise zu entwickeln.)

Das Dekanat als „Kirche in der Region" trägt eine besondere, d.h. kirchenspezifische Aufgabe. Es muss nämlich darauf Acht haben, dass sich die Handlungsfelder am kirchlichen Auftrag orientieren. Es wird dafür Sorge tragen, dass sich die Handlungsfelder öffentlich erkenn- bar mit der EKHN verbinden und in erfahrbarem Zusammenhang mit der Institution der Evangeliumsverkündigung und -feier (sc. dem Gottesdienst) stehen. Es wird darauf achten, dass die Handlungsfelder sich selbst verantwortlich und zuverlässig am kirchlichen Auftrag ausrichten. Mit diesem allen hält es die Handlungsfelder dazu an, ihren Beitrag dafür zu leisten, dass (potentielle) Glieder der Kirche in ihrer Zeugnisaufgabe für die Welt unterstützt werden.

Gerade dieser zuletzt genannte Aspekt der Aufgabenwahrnehmung muss auch im Zentrum der dekanatlichen Verantwortung stehen. Über die Pflege und Förderung einer Vielfalt von evangelischer Glaubens- und Lebenspraxis im Dekanatsgebiet und über deren Zugänglichkeit für viele Menschen trägt das Dekanat dazu bei, dass viele für viele die Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus in Wort und Tat weitergeben.

Das Dekanat hat die Aufgabe, die Kirchengemeinden und kirchlichen Dienste in der Region so miteinander zu vernetzen, dass diese sich in der Gemeinschaft des Dienstes gestärkt erfahren können und koordiniert handeln können. Denn es geht ja sowohl um das Ausrichten der evangelisch-christlichen Botschaft in Wort und Tat auf eine Weise, dass es mit dem gleichen Tenor, dem gleichen Klang, der gleichen Haltung repräsentiert, was Gott in Jesus Christus und seiner Kirche an Barmherzigkeit und Freiheit den Menschen zugewendet hat bzw. zuwenden will, - als auch geht es um den rechten und zielorientierten Einsatz der Gnadengaben und Gaben, also um die rechte Haushalterschaft im Erfüllen des kirchlichen Auftrags.

Dass im Dekanatsgebiet eine Vielfalt von Frömmigkeitsformen und christlicher Praxis gepflegt werden kann, ist gut, wenn sich diese Vielfalt im Gegenüber zum Wort Gottes und in der Bindung an den kirchlichen Auftrag begründet. Diese Vielfalt ermöglicht den heutigen Menschen selbst bestimmte Zugänge und Teilhaben an evangelischer Glaubens- und Lebenspraxis, vertieft also durch verschiedene Lebenssituationen hindurch die Begegnung und Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition und mit ihrem zeitgemäßen Ausdruck. Diese Vielfalt beansprucht zugleich und entwickelt die Fähigkeit des Einzelnen, sich am Zeugnishandeln der Kirche Jesu Christi für die Welt zu beteiligen. Schließlich eröffnet diese Vielfalt eine große Anzahl von persönlichen Zugängen in die Lebenspraxis anderer Gesellschaftsbereiche hinein bei gleichzeitiger Chance, sich auch dort mit seinem Glauben zu zeigen.

Zum Schluss meiner Einführung gestatten Sie mir ein paar persönliche Sätze zur Positionierung:

Ÿ         Die "Kirche in der Region" ist ein komplexer, am kirchlichen Auftrag ausgerichteter, lebendiger Organismus. Er braucht, um sich zielgerichtet und leistungsstark auszurichten sowie um die in ihm tätigen Menschen effizient zu beauftragen, auch Verwaltung. Die "Kirche in der Region" wird im Zusammenwirken mit den Gemeinden und Diensten deren eigenes Leben stabilisieren, wertschätzen ob seiner Eigenprägung, stärken durch das Wirken im Verbund mit anderen.

Ÿ         Die "Kirche in der Region" wird der Gesamtkirche helfen, sich in ihren Diensten für Gemeinden, Dekanate und gesellschaftliche Kooperationspartner zu konkretisieren und zu präzisieren.

Ÿ         Die "Kirche in der Region" wird die Möglichkeiten für die Kirchenmitglieder vermehren, die sich von "ihrer Heimatgemeinde" emanzipieren und dennoch mit Glauben engagieren. Die "Kirche in der Region" wird mehr von geplanten Kontakten und Kooperationen leben als von spontanen Begegnungen.

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Dieser Text kann unkommentiert bleiben!  Manfred Günther