Milde Gabe für Kirchen-Obere Evangelische Kirche erhöht Gehälter von 110 Führungskräften / Einsparungen bei Pfarrern und anderen Beamten Die Finanzpolitik der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) provoziert Ärger: Trotz Sparprogramm und sinkenden Einnahmen bekommen etwa 110 Angestellte in Führungspositionen von 2004 an höhere Gehälter. Mehrkosten: etwa 220 000 Euro. VON ESKE HICKEN Darmstadt · 1. Dezember · Für Stefan Schrick, Pfarrer der Waldenser- Kirchengemeinde Bad Homburg, ist die anstehende Gehaltserhöhung "ein Skandal". Die Kirche verabschiede sich damit von ihrer bisherigen Struktur und dem Grundsatz, alle Pfarrerinnen und Pfarrer gleich zu behandeln: "Durch solche Maßnahmen wird eine hierarchische Ordnung in der Kirche zementiert", sagt Schrick. Unter 30 Pfarrern aus dem Dekanat Bad Homburg, mit denen er gesprochen habe, sei für die Gehaltserhöhung "kein Verständnis zu finden". Etwa 110 leitende Angestellte der EKHN bekommen ab 2004 ein höheres Gehalt und werden in höhere Besoldungsgruppen eingestuft, ein kleiner Teil der Stellen wird von 2005 an höher dotiert. Das hat die Synode der EKHN in der vergangenen Woche in Frankfurt beschlossen. Betroffen sind Dekane, Pröbste, Abteilungsleiterinnen und -leiter der Verwaltung und der Stellvertretende Kirchenpräsident. Insgesamt liegen die Mehrkosten pro Jahr bei 220 000 Euro. Die Erhöhung der Gehälter steht am Ende einer Strukturreform der EKHN, die im Dezember 1997 begonnen wurde mit dem Ziel: besser Menschen zu erreichen und den Auftrag der Kirche zu erfüllen. "Die Erhöhung der Leitungsposten-Gehälter ist seit vier Jahren anhängig", erklärt EKHN-Pressesprecher Stephan Krebs. "Wir mussten ein Gefüge schaffen, das in sich plausibel ist." Der Schritt sei erst am Ende der Reform möglich gewesen, er sei nötig, weil durch Strukturänderungen die Anforderungen an die Leitungsposten erhöht worden seien. Während die Pröbste künftig einen geistlichen Aufgabenschwerpunkt hätten, seien die Dekane in Zukunft für Planung und Organisation zuständig. "Früher waren viele Posten halbamtliche Nebenämter, jetzt sind die Leute mit Management- und Personalentscheidungen betraut." Pfarrer, die Probst oder Dekan wurden, bekamen bisher in der EKHN kein höheres Gehalt, sondern Zulagen, die nach Haustabellen geregelt waren. "Wir haben lange die Ideologie mit uns herumgetragen, dass alle Pfarrer gleich verdienen müssten", sagt Krebs. Das erhöhte Leistungsprofil habe die Synode nun mit einem besseren Gehalt bewertet. Dafür werde jetzt aber auch mehr Leistung und Kompetenz erwartet. Dem Antrag der Kirchenleitung, auch das Gehalt der Leiterin der Kirchenverwaltung zu erhöhen, hat die Synode nicht zugestimmt. Ihre Aufgaben hätten sich auch nicht verändert, so Krebs auf Anfrage. Der Entscheidung, die Gehälter zu erhöhen, liegt außerdem ein Gutachten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Grunde, in dem Gehälter für Leitungspositionen in den Landeskirchen verglichen wurden. Das Gehalt von Kirchenpräsident Peter Steinacker lag demnach etwas über dem Durchschnitt, er wird deshalb künftig von der Besoldungsgruppe B 8 auf B 7 heruntergestuft. Die EKHN liege bei ihren Gehältern, so Pressesprecher Krebs "am unteren Rand des Mittelfeldes, hinter Mecklenburg-Vorpommern". Eine zu niedrige Einstufung berge die Gefahr, dass sich die Dienstinhaber im Vergleich zu Kollegen aus den anderen Landeskirchen latent als "unter Wert" angesehen fühlten, heißt es im EKD-Gutachten nach Auskunft eines Mitarbeiters der Kirchenleitung. Zugleich muss die EKHN bei ihrem Jahresetat von 477,5 Millionen Euro mittelfristig 50 Millionen einsparen: Einnahmen aus Kirchensteuern sinken, hinzu kommen Kürzungen bei den Zuschüssen des Landes. Bei den Gehältern von etwa 1800 Pfarrern und 300 weiteren Kirchenbeamten wird deshalb gespart: Die dreimonatige Aussetzung einer Tariferhöhung spart 450 000 Euro, tariflich vereinbarte Einmalzahlungen werden nicht übernommen. Außerdem müssen viele Pfarrer Mehrarbeit hinnehmen, etwa weil durch die Strukturreform Gemeinden zusammengelegt werden. "Es ist ein sehr problematischer Zeitpunkt, die Gehälter jetzt zu erhöhen, das hat auch die Synode so gesehen", gibt Krebs zu. Es gebe aber Handlungsbedarf, weil vom 1. Januar 2004 an Leitungsstellen neu zu besetzen seien.