Einige Leitsätze zur Prioritätendiskussion In unserer Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wird um Prioritäten gerungen. Die Notwendigkeit zum Sparen zwingt zur Konzentration. Doch worauf ist die Kirche Jesu Christi zu konzentrieren? Wir meinen: Alles kirchliche Handeln hat demzufolge zum Ziel, dass Menschen Christen werden und Christen bleiben können. Daraus folgern wir: 1. für den Dienst der Pfarrerinnen und Pfarrer: a) Die Aufgabe des Pfarrers bleibt vor allem anderen die Weitergabe des Glaubens in Verkündigung, Seelsorge und Unterricht. Sie gelingt am besten in verlässlichen Beziehungen und in überschaubaren Räumen in großer Kontinuität. b) Dieser Dienst der Weitergabe des Glaubens braucht eine gute theologische Ausbildung, ein hohes persönliches Engagement und eine geistliche Begleitung. c) Pfarrer sind nicht Funktionäre eines kirchlichen Apparates, der in zahllosen Sitzungen vorwiegend mit sich selbst beschäftigt ist, sondern sie sind Diener am Wort Gottes und Hirten einer Gemeinde. Sie üben dieses Hirtenamt und das Amt der öffentlichen Lehre und Wortverkündigung in geschwisterlicher Verbundenheit mit anderen Ämtern und Diensten in der Gemeinde aus. 2. für die Stellung der Gemeinden: a) Die Gemeinde ist der primäre Ort der Begegnung mit dem Glauben. Für die Gemeinde ist der regelmäßige öffentliche Gottesdienst, die Wahrnehmung der Kasualien (Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung) sowie die örtliche Präsenz und Erreichbarkeit konstitutiv. Die Gemeinde und in ihr der Gottesdienst ist die Lebensbasis der Kirche. Von ihr her und auf sie hin muss Kirche in allen ihren Lebensäußerungen bezogen sein. b) Die Gemeinde ist keine Filiale im Konzern Kirche, die nach Gutdünken von kirchenleitenden Organen geschlossen oder fusioniert oder mit einem „speziellen Sortiment“ bestückt werden kann. c) Die derzeit in die aktuelle Diskussion eingeführte Unterscheidung eines angeblich überholten ‚statischen’ Gemeindebegriffs, den es zu überwinden gelte zugunsten eines modernen ‚dynamischen’ Gemeindebegriffs ist eine falsche Alternative, mit der die Schwächung bzw. der Abbau vieler Ortsgemeinden kaschiert werden soll. Stattdessen gilt es, die übergemeindlichen Angebote der Kirche möglichst sinnvoll gemeindlich zu erden, so dass aus dem teilweise zu beobachtenden Nebeneinander ein Miteinander wächst. 3. für die Verteilung des Geldes: a) Da die Gemeinde die Lebensbasis der Kirche ist, gehört auch des Geld der Kirche wesentlich in die Gemeinde. Die Finanzierung kirchlicher Aufgaben erfolgt subsidiär, das heißt sie stärkt die Eigenverantwortung vor Ort und beschränkt die Regulierungsansprüche vorgesetzter Leitungsorgane. Um die Verteilung der Kirchensteuer transparent und verlässlich zu machen, sollen sich die Zuweisungen an folgendem Schlüssel orientieren: 70 % der Kirchensteuermittel fließen in die Gemeinden und die gemeindenahe Diakonie, 30% in die Dekanate und die gesamtkirchlichen Aufgaben. Die Verteilung der Kirchensteuermittel soll Anreize zum eigenverantwortlichen Handeln geben. b) Die Verantwortung für die Finanzen und die Verantwortung für Sach- und Personalfragen gehören zusammen. c) Es darf nicht sein, dass die Verteilung der Finanzmittel durch eine Umverteilung von unten nach oben zur Aufblähung übergemeindlicher Strukturen und zur Schließung oder Schwächung vieler Gemeinden führt. 4. für die Aufgabe der Kirchenleitung: a) Verantwortliche Gemeinde- oder Kirchenleitung im Sinne des Neuen Testamentes hat dafür Sorge zu tragen, dass das für die Kirche aller Zeiten und Orte verbindliche Christuszeugnis der Bibel die Grundlage und Richtschnur des Redens, Planens und Entscheidens bildet. Das heißt: Die mit der Leitung der Kirche Beauftragten sind verantwortlich dafür, dass das Evangelium von Jesus Christus recht verkündigt und gelehrt wird, dass Gemeinde gebaut wird und dass die Glieder der Gemeinde als mündige Christen über ihren Glauben Auskunft geben und die Wahrheit des Evangeliums von aller Menschenlehre unterscheiden können. b) Die unterschiedlichen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern in ihnen vollzieht sich die Ausübung des der ganzen Kirche anvertrauten und befohlenen Dienstes. c) Wir wehren uns gegen eine neue Hierarchisierung der EKHN, die mit der schleichenden Schwächung der Grundgestalt der Gemeinde einhergeht. Je mehr man die Gemeinde schwächt, desto stärker wird die Struktur. Verheißungsvoll ist es dagegen, die Gemeinden auf jede sinnvolle Weise zu unterstützen und zu fördern. Vorschlag des Leitungsteams von FORUM LEBENDIGE Kirche, vorgestellt beim ‚Tag der Gemeinden’ am 16. September 2006 in Wetzlar Kontaktadresse: Pfr. Martin Stock, Schweizertalstr. 6, 56132 Frücht, Tel. 02603/3368, Fax 02603/500860, mail: Ev.KG.Stock@web.de www.forum-lebendige-Kirche.de Wir fordern Kirchenvorstände und Mitarbeiterkreise in unserer Kirche auf, sich mit den Leitsätzen zu befassen, sie ganz oder teilweise zu unterstützen, zu ergänzen oder zu verändern – und diese dann als Votum in die aktuelle Prioritätendebatte einzubringen. Bitte senden Sie Ihr Votum an die obige Kontaktadresse und an den Präses der Kirchensynode, Prof. Dr. K.H. Schäfer, Paulusplatz 1, 64276 Darmstadt.