Evangelisches Dekanat Frankfurt am Main Mitte-Ost Neue Kräme 26, 60311 Frankfurt/M, Tel. 069/4272617-0, Fax 069/427261719 Der Dekan Pfarrer Dr. Dietrich Neuhaus Tel. 069/427261711 und 5975882 email: dn@ev-dekanat-ffm.de „Amtsangemessene Alimentierung"? Amtsangemessene Alimentierung!! Ein denkwürdiger Moment bei der Sondersynode am 20.9.2003 in Gießen: In einem Vortrag erklärt eine Juristin der Kirchenverwaltung zuerst, warum die Notverordnung der Kirchenleitung zur Abkoppelung der Kirchenbeamtengehälter der EKHN vom Bundesbeamtenbesoldungsgesetz – mit der Folge einer zeitlich verschobenen Lohnerhöhung für Kirchenbeamte – rechtmäßig und gleich darauf, gleichsam in einem Atemzug, warum eine Anhebung bestimmter kirchenleitender Gehälter nötig sei. Es gehe bei dieser Erhöhung um eine „amtsangemessene Alimentierung". Lauter Zwischenruf von der Empore: „Eine Unverschämtheit!" Durch diesen Zwischenruf und entstehende Unruhe unter den Synodalen im Saal sah sich die Leiterin der Kirchenverwaltung genötigt, erneut ans Mikrofon zu treten und die „amtsangemessene Alimentierung" zu rechtfertigen. In der Tat läßt sich eine unglücklichere Kombination kaum denken: Bei einer Sondersynode, die ein Sparmarathon zu bewältigen sich vorgenommen hat, das institutionell an die kirchliche Substanz geht und personell Einsparungen und Entlassungen zur Folge haben wird, entsteht der Eindruck, es greifen gerade jene noch einmal für sich selber ins offenbar doch nicht ganz so leere Kirchensäckel, die sich das alles ausgedacht haben und umsetzen werden. Jede Glaub- und Vertrauenswürdigkeit wird damit verspielt und der Kirche ernsthaft Schaden zugefügt. Wie soll man das nach außen, - in der Pfarrerschaft und einer interessierten Öffentlichkeit, die zur Zeit sehr genau hinschaut, ob und wie denn die Kirche nun anders mit ihren Sparzwängen umgeht als die staatlichen Behörden – noch vermitteln? Kommentar eines Synodalen in der Lobby: „Ja, ja, so ist das eben: Wer den Weihwasserwedel hält, besprengt sich selber zuerst." Das Bild prägt sich ein. Es wäre in Ruhe zu überlegen, was denn ein glaubwürdiges und verantwortliches kirchenleitendes Handeln in dieser schwierigen Situation sein könnte. Gibt es öffentlichkeitswirksame Alternativen – gar mit geistlichem Format? Unsere Kirchenordnung hat etwas Egalitäres. In der Präambel des Pfarrergesetzes (PfG 410) steht der lapidare Satz: „Als Diener am Wort Gottes stehen alle Pfarrer einander gleich." Wie dieser Satz gemeint ist, findet sich beispielhaft ausgeführt in dem scheinbar so marginalen Dienstbezeichnungsgesetz ( DienstbezG 420). Dort ist im §3 zu lesen: „Die Dienstbezeichnungen Dekan, Propst, Oberkirchenrat und Kirchenpräsident werden nur neben der Amtsbezeichnung „Pfarrer" geführt." Im Klartext heißt dies, dass es in der EKHN für alle Ordinierten nur ein Amt gibt, und dies ist das Pfarramt. Zwischen „Dienst" und „Amt" wird genau unterschieden und ein quasi titularer Gebrauch der Dienstbezeichnungen explizit abgelehnt: Dienstbezeichnungen wie Dekan, Propst, Oberkirchenrat und Kirchenpräsident sind nur neben, d.h. in Kombination mit der Amtsbezeichnung „Pfarrer" zu führen. Das Gesetz will damit der Vorstellung wehren, als handle es sich bei den unterschiedlichen kirchenleitenden Diensten um verschiedene theologische Ämter. Diese gesetzliche Bestimmung ist damit eine Umsetzung der 4. These der Barmer Theologischen Erklärung der Bekennenden Kirche, in der eine Legitimation von Herrschaft in der Kirche über unterschiedliche „Ämter" als Irrlehre abgelehnt wird. Das kann angesichts der theologischen Herkunft und politischen Erfahrungen des ersten Kirchenpräsidenten der EKHN nicht weiter verwundern. Auf der Linie von diesen grundsätzlichen Festlegungen unserer KO würde es liegen, wenn man „amtsangemessene Alimentierung" folgendermaßen buchstabieren würde: Jeder Pfarrer/in unserer Kirche erhält die gleiche Besoldungsstufe, z.B. A 13/14. Natürlich kann man sich nun darüber verständigen, bestimmte „Dienste" mit besonderen Privilegien zu versehen, die aufgrund des Tätigkeitsprofils der Stellen gerechtfertigt und plausibel sind. So kann man z.B. festlegen, dass zum Dienst des Kirchenpräsidenten ein Dienstwagen mit Chauffeur, eine Sekretärin, ein persönlicher Referent, eine Kleiderzulage u.a. gehören. Vergleichbares gälte für andere „Dienste". Aber alle diese Zuwendungen wären stellenbezogen und nicht personbezogen wie eine Besoldungsstufe. Eine andere Besoldungsstufe wäre begründungspflichtig gegenüber dem gedachten Normalfall „Gemeindepfarramt". Wie aber soll man sie begründen? Zeitliche Mehrarbeit? Auch in kirchenleitenden Funktionen hat der Tag nur 24 Stunden, alle Pfarrerinnen und Pfarrer arbeiten im rot-grünen Grenzbereich, egal auf welchen Stellen. Besondere Flexibilität? Kein Pfarramt, vom Gemeindedienst und Spezialseelsorge bis Oberkirchenrat und Kirchenpräsident ist zeitlich so klar strukturiert wie der Arbeitsalltag eines Büroangestellten; potentiell sind alle Wochentage zu allen Tageszeiten Arbeitszeit. Und gibt es bei anderen „Diensten" eine ähnlich harte gesetzliche Bestimmung wie es sie für den Gemeindepfarrdienst in § 13 des Pfarrergesetzes gibt? „Der Pfarrer muss für seine Gemeindeglieder jederzeit erreichbar sein." Und diese Bestimmung wird dienstaufsichtlich gelebt durch eine ziemlich straffe Regelung der Präsenz und Verpflichtungen zu An- und Abmeldungen bei Absenzen über eine genau festgelegte Anzahl von Stunden hinaus. Könnte vielleicht mehr Verantwortung in den kirchenleitenden „Diensten" des Pfarramtes eine andere Besoldungsstufe rechtfertigen? Geistliche Verantwortung – nur um eine solche kann es ja gehen - ist schlecht abzustufen; vermutlich ist sie aber im Gemeindepfarramt aufgrund der Mischung aus Intensität und Nähe persönlicher Kontakte, öffentlichem Aktionsradius und Weite des Altersspektrums (3-93 Jahre), auf das bezogen methodisch vielfältig und geistlich verantwortlich gearbeitet werden muss, am größten. Aus der internen Struktur und der Abfolge und dem Umfang pfarramtlicher Vollzüge in den verschiedene Diensten ist eine unterschiedliche Besoldungsstruktur der Ordinierten eben nicht plausibel zu machen. Vermutlich kommt die Vorstellung, man müsse die Entscheidungshierarchie in einer Organisation in einer Hierarchie der Besoldungsstufen abbilden, aus der Beobachtung anderer Organisationen. Hier wird die Behörde einer Kirchenverwaltung parallel konstruiert zu einer staatlichen Behörde, in der Entscheidungshierarchien sich in der Tat in Besoldungshierarchien spiegeln. Genau dieser Konstruktionslogik eines staatskirchlichen Denkmodells widerspricht die 4. Barmer These in Auslegung von Mt 20,25-26: „Ihr wisset, daß die weltlichen Fürsten herrschen und die Oberherren haben Gewalt. So soll es nicht sein unter euch; sondern so jemand will unter euch gewaltig sein, der sei euer Diener." So bleibt für die Ordinierten in kirchenleitenden Diensten kein anderer Weg als den besonderen Dienst, den sie wahrnehmen, durch ihr besonderes Charisma und ihre besondere geistliche Begabung begründet zu sehen. Bona fide gehen wir davon aus, dass alle ihren besonderen geistlichen Dienst wahrnehmen nicht aufgrund einer höheren Gehaltsstufe, sondern aufgrund ihrer besonderen geistlichen Begabung. Daraus ergibt sich auch das spezifische geistliche Gewicht des jeweiligen besonderen Dienstes innerhalb der Organisation: sie haben diese und jene besondere Stufe in der Entscheidungshierarchie der Behörde Kirchenverwaltung aufgrund der auctoritas ihrer Charismata und nicht aufgrund der potestas ihrer Besoldungsstufe. Daraus folgt als Vorschlag: Die Kirchensynode möge beschließen, alle Pfarrer/-innen gemäß unserer Kirchenordnung „amtsangemessen" nach A 13/14 zu besolden und gleichzeitig definieren, welche besonderen Vergünstigungen mit den besonderen kirchenleitenden „Diensten" eines „Pfarramtes" – stellenbezogen – verknüpft sind. Als Übergangsregelung ließe sich denken, dass alle Pfarrpersonen ihre besonderen Dienste auf ihren ja zeitlich befristeten Stellen zu den Konditionen zu Ende führen können, zu denen sie angetreten sind. Im Falle einer Neu- oder Wiederwahl greift dann die neue Regelung der kirchenamtsangemessenen Alimentierung. Dies erfordert zwar von den betroffenen Personen eine gewisse Flexibilität; sie dürfte aber letztlich auch nicht größer sein als die, die wir allen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der neuen Pfarrstellenbemessung und -zuteilung abverlangen. Und wie sollte man anderen glaubwürdig etwas abverlangen können, was man selber zu leisten nicht bereit wäre. Eine solche Regelung hätte den Vorteil, dass die Akzeptanz kirchenleitenden Handelns um ein Vielfaches wachsen würde. Dies wäre im Blick auf die krisenhaften Zeiten, denen die Kirche zumindest finanziell entgegenzugehen scheint, ein notwendiges Vertrauenskapital. Denn dieses Kapital ist das entscheidende Kapital für unsere Zukunft, das jetzt und hier verspielt oder vermehrt werden kann. Abschließend ein Wort zum geistlichen Format einer solchen Regelung: bisher war unsere Kirchenreform v.a. ein Herumbasteln an den Strukturen. Eine Kirchenreform, die ihren Namen verdient und wirklich Kirche meint wird nur dann nachhaltig sein, wenn sie sich irgendwann getraut, auch persönlich zu werden.