Der 13 %-Ausschuss Gedanken über das Mandat des gegenwärtigen Pfarrerausschuss' der EKHN Was der Vorsitzende des Pfarrerausschuss (PA) der EKHN, Pfarrer Richard Dautermann selbst nach der PA-Wahl im Sommer 2002 beklagt hat, ist in der Folgezeit leider in Pfarrschaft und Kirchenleitung der Landeskirche weithin unbeachtet und unbesprochen geblieben: Nur 13 % der Pfarrschaft haben sich an der Wahl zu ihrer Interessenvertretung beteiligt. Das könnte – wie so viele andere wichtige Aspekte und Folgen der gegenwärtigen Kirchenpolitik – angesichts der ständig neuen Herausforderungen der Pfarrschaft durch Maßnahmen und Initiativen von Kirchenleitung und Personalabteilung, dem allzu raschen Vergessen anheim fallen. Darum will ich heute noch einmal den Fokus auf diese traurige Tatsache richten: Nur 13 % der Pfarrschaft waren im letzten Sommer am Zustandekommen ihrer Interessenvertretung beteiligt. Ich möchte dazu drei Gedanken vortragen: 1. Bei jeder Bundestags- oder Landtagswahl, bei jeder Entscheidung über den Vorsitz in einem demokratischen Gremium besteht ein sog. Quorum, d.h. es müssen von den potentiell Wahlberechtigten wenigstens 3/4, 2/3 oder auch nur die Hälfte ihre Stimme gültig abgegeben haben, damit eine Wahl überhaupt zustande kommt. Über dieses Quorum mag vielleicht in den Statuten des jeweiligen Gremiums oder den Wahlgesetzen des Bundes oder Landes kein Wort verloren worden sein, dennoch behaupte ich, können wir wenigstens eine stillschweigende gesellschaftliche Übereinkunft über eine erforderliche Mindestbeteiligung an den jeweiligen Wahlen voraussetzen. So glaube ich z.B., dass eine Landtagswahl, bei der – was bei der gegenwärtigen Politik- und Politikerverdrossenheit ja durchaus vorstellbar erscheint – vielleicht nur noch 13 % der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgeben, von den durch eine solche Wahl auf die Oppositionsbänke Verwiesenen, den Medien und der Öffentlichkeit angefochten würde und der Landeswahlleiter die Wahl nach Anrufung eines Verwaltungsgerichts für ungültig erklärte. (Vor diesem Hintergrund stellt sich allerdings auch die Frage im Blick auf die Kirchenvorstandswahlen der Vergangenheit und besonders der des April 2003, ob es denn je anging bzw. zukünftig angehen kann, dass die Beteiligung an der Kirchenwahl von vielleicht nur 7 % der Gemeindeglieder, wie sie in Stadtgemeinden selten überschritten wird, eine hinreichend breite Vertrauensbasis für die dort zu wählenden und mit einiger Verantwortung ausgestatteten KirchenvorsteherInnen und Synodalen abgeben kann.) Ganz sicher aber ist die Basis von 13 % der PfarrerInnen der EKHN, wie sie bei der PA- Wahl des letzten Sommers dem Pfarrerausschussvorsitzenden und seinen Mitstreitern persönliche Solidarität zugesichert und ein Interesse an der von ihnen getanen Arbeit und Vertrauen in diese Arbeit in der Zukunft ausgesprochen hat, zu schmal, um für die legitime Wahrnahme der Interessenvertretung der Pfarrschaft der EKHN zu genügen, bzw. als ein hinreichendes Mandat dieser Pfarrschaft zu gelten. 2. Die Erfahrungen der letzten Jahre, die ständig wachsende Arbeitsbelastung, der sich stetig steigernde finanzielle und materielle Druck auf die Pfarrerinnen und Pfarrer besonders im Gemeindepfarramt, wie er seitens der EKHN zunehmend ausgeübt wird, sowie das Sperrfeuer mediengestützter Signale der Kirchenleitung an die Pfarrschaft, sie sei ein Problem für die Kirche und sie arbeite – besonders auf zahlenmäßig kleinen, ländlichen Pfarrstellen – eh nicht genug, werden gewiss zurecht mit diesem offensichtlich geschwundenen und heute fehlenden Interesse der Pfarrschaft an ihrer Vertretung gegenüber der Landeskirche und dem damit korrespondierenden geringen Vertrauen in den PA zusammengebracht. Hinzu kommt noch der psychische Druck, wie er auf vielen KollegInnen lastet, in deren Pfarrstellen in der Vergangenheit von der Personalabteilung der EKHN eingegriffen wurde bzw. über deren Stellen schon heute das Damoklesschwert baldiger Streichung oder Kürzung schwebt. Alles das stärkt nicht das Zutrauen zu einer Standesvertretung, die sich in der Praxis immer wieder als „zahnloser Tiger" ohne Biss erwiesen hat, der die von der Kirchenleitung gefällten Entscheidungen weder verhindern noch abmildern konnte. Fakt ist: In der Frage der Residenzpflicht, der Begrenzung der Inhaberschaft, der radikal überhöhten Heizkostenabrechnung für 2001, um nur einmal drei der Dinge anzusprechen, die uns PfarrerInnen in den vergangenen Monaten Ärger, Existenzängste und teils schlaflose Nächte beschert haben, konnte vom PA im Vorfeld der anstehenden bzw. nach den schon getroffenen Kirchenleitungsentscheidungen so gut wie nichts erreicht werden. Das könnte für die geistige Hartleibigkeit der gegenwärtigen KL sprechen, genau so gut aber auch für eine gewisse Halbherzigkeit in der Vertretung der wahrhaftig berechtigten Interessen der Pfarrschaft durch den PA. Mag jeder hier das denken, was ihm näher liegt. In jedem Fall aber sind 13 % Wahlbeteiligung bei der PA-Wahl auch zu wenig, um den Pfarrerausschussmitgliedern und ihrem Vorsitzenden wirklich Rückhalt und Solidarität seitens der Pfarrschaft zu vermitteln. Ich halte es von daher für eine Notwendigkeit, ein Quorum für die PA-Wahl einzurichten und bei – sagen wir – 50 % Wahlbeteiligung festzuschreiben. Nun werden einige LeserInnen dieser Zeilen mutmaßen, dass in diesem Fall ja möglicherweise auf einige Jahre gar kein PA mehr zustande käme. Das ist sicher richtig und zu erwarten. Allerdings fragt es sich, ob dies ein Unglück wäre, bzw. ob es an der Notwendigkeit für uns PfarrerInnen an der Basis, zuletzt wirklich jeden Strauß mit der KL selbst auszufechten und sich gegen jede fragwürdige Maßnahme von oben selbst zu wehren, wie wir das in den letzten Jahren ungezählte Male erlebt haben, irgend etwas änderte? 3. Hier muss nun noch ein Aspekt der Sache angesprochen werden, dem ein für meine Nase schon degoutantes Rüchlein anhaftet: Wie wir der Veröffentlichung auf einer der wenigen kirchenkritischen Internetseiten aus dem Bereich der Landeskirche entnehmen können, hat sich der stellvertretende Kirchenpräsident der EKHN brieflich strikt geweigert, auf das „Offene Memorandum" des Dekanats Bad Homburg vom April 2001 zu reagieren: Es sei „Usus, dass die Kirchenleitung nicht auf derartige Meinungsäußerungen antwortet." Dass diese Weigerung erst rund 1 ½ Jahre nach der Bitte um eine Stellungnahme zu diesem Memorandum übermittelt wurde, ist für sich genommen schon ein unglaublicher Affront. Dass die Bad Homburger KollegInnen nun aber ausgerechnet noch auf den 13 %- Ausschuss verwiesen werden, setzt der Sache das Barret auf! Wörtlich heißt es im Schreiben des stellvertretenden Kirchenpräsidenten: „Der Pfarrerausschuss ist das von den Pfarrerinnen und Pfarrern unserer Kirche gewählte Vertretungsorgan und damit das legitimierte Gegenüber der Kirchenleitung. Wir bitten Sie, sich zur Beantwortung Ihrer Fragen mit dem Pfarrerausschuss in Verbindung zu setzen." Hier wird also vermeidungsstrategisch einem Memorandum, hinter dem sich immerhin – ohne viel Werbeaufwand! – 200 KollegInnen (das sind rund 11 % der Pfarrschaft der EKHN!) versammelt haben, jegliche Beachtung verweigert und der „Fall" an eine Interessenvertretung überwiesen, die nach monatelanger Werbung in allen EKHN-Medien und Presseorganen doch nur 13 % der Pfarrschaft für die PA-Wahl mobilisieren konnte. Bringt man hier zusammen, was zusammen gehört, ergibt sich ein Bild, das auch noch über Jahrzehnte ekhn-erprobte Basisdemokraten erschauern lässt: Die Kirchenleitung überstellt die Behandlung einer ihr unliebsamen Kritik an ihrer Kirchen- und Personalpolitik an einen Pfarrerausschuss, von dem sie mindestens zwei Dinge genau weiß: Er ist nur durch eine kleine Minderheit der Pfarrschaft legitimiert und getragen. Und sein Vorsitzender gehört selbst nicht zu den Unterzeichnern des Memorandums, teilt anscheinend also nicht dessen Anliegen. Mein Fazit aus den hier dargelegten Gedanken lautet: Der Pfarrerausschuss der EKHN hat derzeit eine zu geringe Vertrauens- und Interessensbasis in der Pfarrschaft der Landeskirche. Das macht ihn auf der einen Seite zu einem nicht ausreichend „schlagkräftigen" Gegenüber der Kirchenleitung, was sich in der Vergangenheit immer wieder darin geäußert hat, dass die PfarrerInnen ihre Interessen selbst zu vertreten haben, wenn sie irgend etwas erreichen wollen. Auf der anderen Seite allerdings dient der PA der Kirchenleitung als nützliche Instanz, wenn es gilt, die berechtigten Interessen, wie sie Kreise der Pfarrschaft etwa im Bad Homburger Memorandum artikuliert haben, abzuwehren bzw. ignorieren zu können und so ihre Stoßkraft auf dem Instanzenweg zu zerfleddern. Ich bitte den Pfarrerausschuss der EKHN, darüber zu beraten, wie das gegenwärtige Minderheitenmandat beendet werden könnte und wie in der Zukunft die Modalitäten und Rahmenbedingungen einer PA-Wahl aussehen könnten, die zukünftig einen PA hervorbrächte, der eine legitime und gegenüber der Kirchenleitung starke Interessenvertretung der Pfarrschaft der EKHN wahrnehmen kann. Manfred Günther Lohgasse 11 35325 Mücke/Groß-Eichen manfred.guenther@t-online.de