Zehn Thesen zum Lebenspartnerschaftsgesetz Prof. Dr. Johann Braun, Passau 1. Die rechtliche Regelung enger persönlicher Beziehungen ist in einem rechtsstaatlichen Ge- meinwesen nicht aus sich heraus legitim; vielmehr bedarf es dazu eines legitimen Grundes, der sich nur aus einem öffentlichen Interesse ergeben kann. Ein freiheitlicher Rechtsstaat ist kein vormundschaftlicher Staat. In einem Rechtsstaat ist es grundsätzlich Sache der Bürger, wie sie ihre persönlichen Beziehungen zueinander gestalten. Es gehört daher nicht zu den Aufgaben eines solchen Staates, mit Ge- oder Verboten regelnd ein- zugreifen, um das Verhalten der Bürger in diesem sensiblen Bereich zu steuern oder um einer bestimmten Moral zur Geltung zu verhelfen. Aber auch für den Erlaß rechtlicher Ordnungsmus- ter, denen kein Zwangscharakter zukommt, bedarf es insoweit eines legitimen Grundes; denn auch damit wird der Staat richtungsweisend tätig, setzt Präferenzen und beeinflußt das private Urteil und Verhalten der Bürger. Als legitime Gründe kommen allein die unabweisbaren Belange des Gemeinwohls in Betracht. Deren nähere Bestimmung setzt voraus, daß zwischen privaten und öffentlichen Interessen prinzipiell unterschieden wird. 2. Für die Regelung verschiedengeschlechtlicher Partnerschaften gibt es einen legitimen Grund. Dieser besteht in dem vitalen Bedürfnis der Gesellschaft nach einer rechtlichen Rahmenordnung für die Erzeugung und Erziehung von Kindern. Nicht nur die ökonomische und ökologische, auch die soziale Welt bedarf der Kontinuität und Nachhaltigkeit. Insbesondere hängt die Zukunft jeder Gesellschaft in elementarer Weise von den Kindern ab, die heute in ihr geboren und erzogen werden. Kontinuitätsbrüche in der Generatio- nenfolge ziehen Verwerfungen nach sich, deren Ausmaß man erst jetzt langsam zu ahnen be- ginnt. Auf der anderen Seite greifen Kinder auf vielfältige Weise tief in die Lebensgestaltung ihrer Eltern ein. Die Bereitschaft zum Kind setzt daher auch im privaten Bereich verläßliche Verhältnisse voraus, die der persönlichen Lebensplanung eine sichere Basis bieten. Dafür einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, ist eine legitime Aufgabe des Staates, die dieser um seiner eige- nen Zukunft willen nicht vernachlässigen darf. Die Ehe ist mehr als private Zweisamkeit; als Daseinsgrundlage der Gesellschaft hat sie auch eine eminent öffentliche Funktion. In Artikel 6 des Grundgesetzes ist die Aufgabe, die Ehe als Grundlage der Familie zu schützen, sogar von Verfassungs wegen zu einer rechtlichen Pflicht erhoben worden. 3. Für die Regelung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ist ein legitimer Grund nicht ersichtlich. Der Versuch, der Diskriminierung Homosexueller dadurch entgegenzuwir- ken, daß man homosexuelle Partnerschaften mit der Ehe gleichstellt, ist Ausdruck einer ge- sellschaftspolitischen Instinktlosigkeit. Von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern sind gemeinsame Kinder nicht zu erwarten. Bei der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft geht es daher nur um die Organisation des ge- meinsamen Zusammenlebens erwachsener Personen, also um Verhältnisse, die den Staat grund- sätzlich nichts angehen. Daß es Partner gibt, die Kinder aus einer früheren heterosexuellen Be- ziehung mitbringen, ändert daran nichts. Bei der Erziehung von Kindern in gleichgeschlechtli- chen Partnerschaften handelt es sich auch bei bester Absicht der Beteiligten um ein Menschen- experiment, über dessen langfristige Folgen wir wenig wissen. Der Staat sollte dies weder unter- stützen noch sonst Verantwortung dafür übernehmen. Eine Gesellschaft, die sich der öffentlichen Funktion der Ehe so wenig bewußt ist, daß sie die Gleichstellung mit der Ehe als beliebig ver- fügbares Mittel der „Diskriminierungsbeseitigung" einsetzt, zeigt damit nur, daß sie alle Überle- bensinstinkte verloren hat. 4. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften waren auch vor Inkrafttreten des Lebenspartner- schaftsgesetzes nicht „rechtlos". Vor dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist von interessierten Kreisen immer wieder behauptet worden, gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien „völlig rechtlos". Mit die- sem Vorgehen war beabsichtigt, auch die in einer solchen Gemeinschaft verbundenen Partner selbst in Mitleid erregender Weise als „rechtlos" erscheinen zu lassen. Tatsächlich jedoch war es gleichgeschlechtlichen Partnern unbenommen, ihr Zusammenleben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu organisieren. Sie waren damit in derselben Lage, in der sich andere Part- nerschaften, denen die sexuelle Grundierung abgeht, auch befinden. Man war jedoch nicht daran interessiert, von den damit gegebenen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, sondern suchte aus ideologischen Gründen die Gleichstellung mit der Ehe. Es ging im Kern nicht um die Beseitigung nach wie vor bestehender Diskriminierungen, sondern um die Eroberung des Spit- zenplatzes, der in der verfassungsrechtlichen Werteskala vorgesehen ist. 5. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist vor allem ein symbolisches Gesetz, das tief in das über- kommene Wertgefüge der Gesellschaft eingreift. Die hauptsächliche Funktion des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist symbolischer Natur. Das Gesetz soll allen Bürgern signalisieren, daß Ehe und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft dem Staat gleich viel wert sind und daß jeder, der eine andere Auffassung vertritt, damit auf ver- lorenem Posten steht. Aber das ist nur die eine Seite der beabsichtigten Umgewichtung. Die symbolische Aufwertung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft geht notwendig einher mit einer symbolischen Schwächung der Ehe. Denn selbstverständlich kann der Staat auch in diesem Bereich nicht geben ohne zu nehmen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz erweist sich damit als Teil eines Prozesses, der darauf abzielt, die tradierten Ordnungsmuster der Gesellschaft zu demontieren und die Gesellschaft nach den Präferenzen „progressiver", für sich allein aber nicht zukunftsfähiger Minderheiten neu zu organisieren. 6. In politischer Hinsicht geht das Gesetz auf die Lobby der Schwulenbewegung zurück, die seit langem daran arbeitet, staatliche, gesellschaftliche und kirchliche Institutionen in ihrem Sinn zu beeinflussen. Der nichtorganisierte Bürger vertraut gewöhnlich darauf, daß die vorhandenen Institutionen im Sinne des Gemeinwohls tätig werden. Institutionen reagieren jedoch weniger auf die Wünsche der schweigenden Mehrheit, als vielmehr auf den organisierten Druck durchsetzungsfähiger Minderheiten. Diesen Zusammenhang haben sich die Aktivisten der Schwulenbewegung samt ihrem Anhang in den Medien seit Jahren zunutze gemacht, um auf europäischer und staatlicher, auf gesellschaftlicher und kirchlicher Ebene Entwicklungen auf den Weg zu bringen, die nicht mehr dem Gemeinwohl, sondern nur ihrem Sonderinteresse dienen. Näher besehen verfügt diese Kampfgemeinschaft über eine nahezu lückenlose Strategie zur Eroberung der öffentlichen Mei- nung und zur Lähmung Andersdenkender. 7. Unter dem Vorwand, Diskriminierungen zu bekämpfen, wird das Gemeinwesen durch diese Lobby seiner ureigensten Aufgabe entfremdet, nämlich für das Wohl aller zu sorgen. Die Diskussion um das Lebenspartnerschaftsgesetz war nicht an der Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft orientiert. Jede in diese Richtung zielende Auseinandersetzung wurde vielmehr durch progressiv erscheinende und aggressiv eingesetzte Schlagworte im Keim erstickt. An die Stelle einer sachlichen Auseinandersetzung trat eine von vielen Seiten betriebene und unterstütz- te Nationalpädagogik, deren Absicht es war, jede am Gemeinwohl orientierte Kulturfolgenab- schätzung als politisch inkorrekt und reaktionär erscheinen zu lassen. Die eigentlichen Aufgaben des Gemeinwesens treten dabei zunehmend aus dem Blick. Denn so richtig es ist, daß der Staat um der Einzelnen willen da ist, so ist er doch für alle Einzelnen da und verfehlt daher seinen Zweck, wenn er sich von Minderheiten für partikulare Interessen vereinnahmen läßt. 8. Eine der größten Herausforderungen der Politik besteht heute darin, Ehe und Familie in einer im Umbruch begriffenen Zeit so zu regeln, daß sie ihrer öffentlichen Aufgabe gerecht werden können. Die Ehe ist nicht nur eine Privatangelegenheit. Vom Gemeinwesen her gesehen, besteht ihre Funktion vor allem darin, Keimzelle der Gesellschaft und Grundlage einer zukunftsfähigen staat- lichen Ordnung zu sein. Diese Funktion ist heute mehr denn je bedroht. Zwischen den individuellen Erwartungshaltungen und Arbeitsbedingungen auf der einen Seite und den Voraussetzungen eines mit den langfristigen Bedürfnissen der Gesellschaft abgestimmten Familienlebens auf der anderen hat sich eine Kluft aufgetan, die der Einzelne aus eigener Kraft immer weniger überwinden kann. Eine verantwortliche Familienpolitik kann es sich nicht leisten, davor den Blick zu verschließen und sich statt dessen auf medienwirksame Nebenthemen zu konzentrieren. Gefragt sind familienrechtliche Konzepte, welche die wirklichen Probleme der modernen Gesellschaft angehen. Zu diesen Problemen gehört, woher das Volk kommen soll, ohne das eine Demokratie - d.h. eine Volksherrschaft - in Zukunft nicht möglich sein wird. 9. Familienpolitik ist zukunftsbezogen. Lebenspartnerschaftspolitik dagegen ist integraler Be- standteil einer Erlebnis- und Spaßgesellschaft, für die es kein Morgen gibt, weil sie sich im Genuß der Gegenwart erschöpft. Das Gemeinwohl ist in letzter Instanz zukunftsbezogen, während der individualistisch den- kende Einzelne letztlich der Gegenwart verhaftet bleibt. Was dem Gemeinwohl dient, gerät daher nur da in den Blick, wo man für Sinnhorizonte, die die Vernutzung der Gegenwart übersteigen, offen ist. Dem entspricht das medial gesteuerte öffentliche Bewußtsein in vielen Bereichen gera- de nicht. Die Familien als Zukunftsträger haben in der Öffentlichkeit seit langem keine Stimme. Statt dessen wird ungehemmter Genuß der Gegenwart als eigentliches Lebensziel propagiert. Die moderne Gesellschaft lebt daher nicht nur in finanzieller, sondern auch in sozialer Hinsicht auf Kosten der Zukunft. Das mag in einer Spaßgesellschaft als Ausdruck von Normalität gelten, und dazu paßt, daß das Lebenspartnerschaftsgesetz den Bürgern suggerieren soll, daß auch gleichge- schlechtliche Lebensformen normal, nämlich den gesellschaftlichen Normen entsprechend seien. Auf lange Sicht jedoch ist dies eine Normalität, der jede Zukunftsperspektive abgeht. 10. Der Umgang des Staates mit homosexuellen Bürgern ist kein Thema der Familien-, sondern der Minderheitenpolitik. Insoweit aber muß gelten, daß eine bestimmte sexuelle Orientie- rung keine Privilegierung im Vergleich zu anderen Minderheiten rechtfertigt. In einem freiheitlichen Rechtsstaat versteht es sich von selbst, daß Minderheiten nicht deshalb benachteiligt werden dürfen, weil sie Minderheiten darstellen. Von einer Benachteiligung Homo- sexueller kann indessen heute nicht mehr ernsthaft die Rede sein. Die Bestrebungen in Staat und Gesellschaft gehen seit geraumer Zeit vielmehr dahin, Homosexuelle wegen ihrer besonderen sexuellen Orientierung gegenüber anderen Minderheiten zu privilegieren. Auch wenn man sich dafür auf den Gleichheitssatz beruft, läuft dies auf eine Ungleichbehandlung hinaus, die natur- gemäß ähnliche Begehrlichkeiten bei anderen Minderheiten nach sich ziehen wird. Die sich dar- aus ergebenden Konsequenzen werden vielleicht auch da auf Widerspruch stoßen, wo man dem Lebenspartnerschaftsgesetz vorbehaltlos zustimmt.